Kann eine App den Arzt ersetzen, hilft Technik gegen Ärztemangel und Unterversorgung in ländlichen Gebieten? Die Frage beschäftigt Krankenkassen und Ärzte gleichermaßen. Was sich für viele Patienten nach einer Verbesserung der derzeitigen Situation anhört und insbesondere im dermatologischen Bereich die Hemmschwelle bei der Diagnose von Geschlechtskrankheiten senken soll, ist bei Kassen und Ärzten umstritten.
Online Diagnosen erstellen oder Ärzte per Videochat unterstützen, das könnte nach Meinung von Vertretern der Telemedizin den Mangel an Ärzten in ländlichen Regionen lösen.
Seit Beginn des Jahres nun gibt es eine App, die Menschen mit Hautproblemen innerhalb von 48 Stunden die Ersteinschätzung eines Dermatologen bietet. Passwortgeschützt wird ein Foto des betroffenen Bereichs hochgeladen und ein Fragebogen ausgefüllt. Ein niedergelassener Facharzt für Dermatologie soll dann die Informationen beurteilen und einen Arztbesuch empfehlen. Dies alles für derzeit Euro 29,00. Klara, wie die App heißt, kooperiert hier in Deutschland mit 7 Ärzten, in den USA sind es 15. Dort kostet die Ersteinschätzung USD 39,00. Nach Angaben des Start-up Unternehmers wurde die App in Deutschland bereits 60.000 Mal heruntergeladen und wird vor allem an Feiertagen, Wochenenden und abends oder nachts genutzt.
Der Unternehmensinhaber sieht seine App nicht als Ersatz für einen Arztbesuch, hält es jedoch für möglich, dass eine Einteilung in dringende und weniger dringende Fälle hierdurch ermöglicht wird. Da die App in Deutschland berufsrechtlich stark umstritten ist, hat das Unternehmen seinen Sitz in die USA verlegt. Ärzte die ihren Sitz in Deutschland haben und mit der App kooperieren haben sich nichtsdestotrotz an die Vorgaben ihrer Berufsordnung halten.
E-Health und das Berufsrecht
Berufsrechtlich ist die App nicht einfach zu beurteilen, da in § 7 Abs. 4 MBO ein Fernbehandlungsverbot für Ärzte normiert ist. § 7 Abs. 4 MBO schließt jedoch nur die finale Diagnose ohne Patientenkontakt für in Deutschland zugelassene Ärzte aus. Begutachtungen und Empfehlungen hingegen sind erlaubt. Da Ferndiagnosen durch Ärzte in anderen EU-Ländern erlaubt sind, stellt sich wiederum die Frage wie das Verbot im grenzüberschreitenden Verkehr zu betrachten ist. Im Zusammenhang mit der Verschreibung der Pille danach hatte das BMG im Jahre 2013 eine Stellungnahme herausgegeben, die klarstellte, dass nach der EU Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung eine Verschreibung aus dem EU Ausland, die die in Deutschland festgelegten Mindestanforderungen enthält, grundsätzlich von einem deutschen Apotheker einzulösen ist. Ähnlich wird dies auch bei der Diagnose von Hautproblemen durch Klara zu beurteilen sein.
Die Ärztekammer Berlin, die der App anfänglich sehr kritisch gegenüber stand, hat Ihre Meinung insoweit bereits revidiert, als die App als Brücke zwischen Patient und Arztbesuch stehen könnte. Problematisch sieht der Kammersprecher Sascha Rudat jedoch im Bereich Patientensicherheit insoweit an, als bei der Diagnose kein Arzt bereit steht, der die Reaktion des Patienten beispielsweise bei Geschlechtskrankheiten auffangen kann.
Eine Kompromisslösung ähnlich der App gibt es im Übrigen bereits im Ärztenetz Südbrandenburg. Dabei können Hausärzte ihre Erstdiagnose von einem Hautarzt aus dem Ärztenetz telemedizinisch via Foto abklären lassen. Bestätigt sich die Diagnose bekommt der Patient kurzfristig einen Termin beim Dermatologen, auf den man sonst in diesem Bereich monatelang warten muss.
Fazit ist, dass die technische Entwicklung im medizinischen Bereich einmal mehr die Weiterentwicklungen im Bereich der Berufsordnung und der medizinrechtlichen Vorschriften überholt hat.