4. November 2013

Ein Facharzt für Chirurgie schuldet einem Patienten 220.000 € Schmerzensgeld, weil er den Patienten über die Risiken einer Koloskopie (Darmspiegelung) unzureichend aufgeklärt hat, in deren Folge der Patient eine Darmperforation mit schwerwiegenden Komplikationen erlitten hat. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.

Was an dem Fall besonders interessant ist: Die Haftung des Arztes wurde allein deshalb bejaht, weil die Aufklärung im Vorfeld der Behandlung und auch das verwendete Aufklärungsformular gänzlich unzureichend war. Es ist erstaunlich, wie häufig festzustellen ist, dass Krankenhäuser mit unzulänglichen Aufklärungsformularen arbeiten. Ein Haftungsrisiko, dass so leicht zu beseitigen wäre…

In dem hier entschiedenen Fall hatte sich der seinerzeit 48 Jahre alte Kläger wegen Blutungen im Stuhlgang beim beklagten Facharzt für Chirurgie in Bielefeld vorgestellt. Daraufhin führte der beklagte Arzt im November 2007 eine Koloskopie mit Polypenabtragung durch. In Folge dieses Eingriffs kam es zu einer Darmperforation, die wenige Tage später notfallmäßig operiert werden musste. Der klagende Patient erlitt eine Bauchfellentzündung, musste sich weiteren Operationen unterziehen und über Monate intensiv-medizinisch behandelt werden. Er ist nunmehr frühberentet und zu 100% behindert, ihm musste ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. U.a. mit der Begründung, er sei über das Risiko einer Koloskopie und über Behandlungsalternativen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hat er vom beklagten Arzt Schadensersatz verlangt.

Das Oberlandesgericht Hamm hat dem klagenden Patienten Schadensersatz zugesprochen, u.a. 220.000 € Schmerzensgeld, dessen Höhe durch den komplikationsträchtigen Krankheitsverlauf mit einer langen Behandlungszeit und bleibenden Beeinträchtigungen, die schließlich zu einer Frühberentung geführt hätten, gerechtfertigt sei.

Der beklagte Facharzt hafte, weil davon auszugehen sei, dass er den klagenden Patienten ohne ausreichende Aufklärung behandelt habe. Nach der Einschätzung des im Verfahren gehörten medizinischen Sachverständigen sei eine im Rahmen einer Koloskopie auftretende Darmperforation zwar eine seltene Komplikation. Trete sie jedoch ein, hätte sie überwiegend eine Bauchhöhlenentzündung zur Folge, die lebensbedrohlich sein könne und operativ behandelt werden müsse. Deswegen sei über das Risiko einer Perforation aufzuklären.

Dass der beklagte Chirurg seinen Patienten ordnungsgemäß aufgeklärt habe, könne das Gericht nicht feststellen. Der Inhalt der vom klagenden Patienten unterzeichneten Einverständniserklärung lasse nicht auf eine ausreichende Risikoaufklärung schließen. Nach dem vorgedruckten Teil der Erklärung sei u.a. auf „die mit dem Eingriff verbundenen unvermeidbaren nachteiligen Folgen, mögliche Risiken und Komplikationsgefahren“ hingewiesen worden.

Diese allgemein gehaltene Erklärung sei weithin inhaltslos und wirke mit dem Hinweis auf „unvermeidbare nachteilige Folgen“ verharmlosend. Ihr sei nicht zu entnehmen, dass die Erklärung vom Patienten gelesen, von ihm verstanden oder mit ihm erörtert worden sei. Ausgehändigte und vom Patienten unterzeichnete Formulare und Merkblätter ersetzten nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch. Zudem ließen sie nicht erkennen, dass ein Patient über ein in der Erklärung nicht ausdrücklich erwähntes Risiko informiert worden sei. Eine hinreichende Aufklärung des Klägers sei auch mit der Aussage der Arzthelferin des beklagten Arztes nicht bewiesen worden. Von einer mutmaßlichen Einwilligung des klagenden Patienten sei ebenfalls nicht auszugehen. Der Kläger habe plausible Gründe dafür vorgetragen, dass er sich die Sache im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung noch einmal überlegt, mit einem anderen Arzt oder Verwandten besprochen oder auch eine andere Klinik aufgesucht hätte.

03.09.2013 – 26 U 85/12 Oberlandesgericht Hamm – PM vom 08.10.2013

 

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