27. Juni 2016

Sie leben mit Ihrem Ehepartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft? Wenn ja, dann Hand aufs Herz: haben Sie mit Ihrem Partner einen Ehevertrag geschlossen, der regelt, dass Ihre (Zahn-)Arztpraxis im Falle einer Scheidung nicht in den Zugewinnausgleich fällt? Nein, dann könnte dieser Artikel Sie womöglich vor dem Pleitegeier bzw. der Praxisinsolvenz retten.

Immerhin: Im Jahr 2016 betrug die Scheidungsquote in Deutschland rund 39,56 Prozent, d.h. auf eine Eheschließung kamen rechnerisch ca. 0,4 Ehescheidungen. Niemand wird Ihnen garantieren, dass Ihre Ehe nicht in einer solchen Statistik auftauchen wird. Denn auf Menschen gibt es keine Garantien. Aber Sie können Vorsorge dafür treffen, dass Sie, wenn Sie Inhaber einer Praxis sind, nach einer Scheidung Ihre Existenzgrundlage nicht verlieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Vermögenswert Ihrer Praxis zur Hälfte an den Ehepartner ausbezahlt werden muss, ist höher als Sie vermutlich denken.

Um für den Fall der Fälle Vorsorge zu treffen, ist es daher wichtig für Sie zu wissen, was bei einer Scheidung mit Ihrer Praxis passiert.

Mit einer Scheidung kommen auf einen niedergelassenen Arzt / Zahnarzt nicht nur Unterhaltszahlungen gegenüber dem Partner und den gemeinsamen Kindern zu, sondern oft auch die Forderung nach dem Ausgleich des in der Ehe erwirtschafteten Vermögens – des sogenannten Zugewinnausgleichs.

Zugewinnausgleich

Beim Zugewinnausgleich wird das Anfangsvermögen der Ehepartner jeweils mit dem Endvermögen verglichen und eine möglicherweise festgestellte Differenz hälftig an denjenigen Ehepartner ausgeglichen, der am Ende der Ehe wirtschaftlich weniger Vermögen angehäuft hat.

Zu dem Endvermögen und damit für die Berechnung des Zugewinnausgleichs maßgeblichen Vermögens gehört aber nicht nur das erwirtschaftete Barvermögen, sondern auch die während der Ehe gegründete oder in die Ehe eingebrachte und wirtschaftlich weiter aufgebaute Praxis.

Der Bundesgerichtshof hat erst im Februar 2008 klargestellt, dass es bei der Anrechnung der Praxis als Vermögensposition im Rahmen des Zugewinnausgleichs nicht zu einer Doppelverwertung neben den geltend gemachten Unterhaltsansprüchen kommt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2008 – XII ZR 45/06). Mit dieser Entscheidung wurde ein vorangegangenes Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg aufgehoben. Dieses war der Auffassung, dass der Vermögenswert der Praxis eines niedergelassenen Tierarztes nicht in das Endvermögen des Zugewinns fallen soll und damit nicht Gegenstand eines Zugewinnausgleichs sein kann. Die geschiedene Ehefrau profitiere bereits durch die ihr zu Gute kommenden Unterhaltszahlungen von der Praxis. Zudem müsse der betroffene Arzt um den Zugewinnanspruch seiner Ehefrau zu befriedigen, einen erheblichen Teil seiner Praxis verwerten, zumindest aber erheblich verschulden.

Unterhalt, Zugewinn und Praxisinsolvenz

Dieser Begründung ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Er hat deutlich gemacht, dass eine doppelte Teilhabe des geschiedenen Ehepartners nicht vorliegt, weil die Zielsetzung von Unterhalt und Zugewinn unterschiedlich zu beurteilen ist: Beim Zugewinnausgleich wird das Vermögen, d.h. alle rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert, ausgeglichen. Das Unterhaltsrecht dient demgegenüber dem Zweck, unter den im Gesetz ausgeführten Voraussetzungen den Unterhaltsbedarf des Berechtigten zu decken. Dabei sieht das Gesetz, so der Bundesgerichtshof, zwar den Einsatz von Einkommen und Vermögen vor; die Verwertung des Vermögensstammes kann aber nur unter besonderen Voraussetzungen verlangt werden (§§ 1577 Abs. 3, 1581 S. 2 BGB Bedürftigkeit des Berechtigten). Zu einer Konkurrenz zwischen Zugewinnausgleich und Unterhalt kommt es nur dann, wenn zum Unterhalt auch der Vermögensstamm herangezogen wird.

Ergo: Der Praxiswert fällt in den Zugewinn und muss daher anteilig ausgeglichen werden. Das Oberlandesgericht hat nicht Unrecht, wenn es davon ausgeht, dass in diesem Fall die Gefahr besteht, dass der betroffene Arzt die Praxis möglicherweise verwerten, zumindest aber sich erheblich verschulden muss, wenn er den Zugewinnausgleichsanspruch seines ehemaligen Ehegatten ausgleichen soll.

Was können Sie tun, um diese Situation für Ihre Praxis zu verhindern?

Bereits die schriftliche Vereinbarung zwischen Ehepartnern, dass im Falle der Scheidung die Praxis nicht in den Zugewinn fallen soll, kann den Verlust Ihrer Existenzgrundlage verhindern. Ihr Ehepartner ist trotzdem nach der Ehescheidung im Rahmen des nachehelichen Unterhalts und durch einen anderweitig bestehenden Zugewinnausgleich geschützt. So ist beiden Ehepartnern geholfen, denn im schlimmsten Fall, also bei Insolvenz der Praxis, verringert sich nämlich auch der Unterhaltsanspruch des anderen Ehegatten.

Praktisch können Sie mit einem Ehevertrag gemeinsam bestimmen, welche Regelungen Sie für den Fall der Fälle aufnehmen wollen. Das erspart nicht nur Geld im Hinblick auf eine spätere gerichtliche oder außergerichtliche Auseinandersetzung, sondern kann den oftmals im Rahmen von Scheidungen entstehenden Kleinkrieg ersparen, weil die Parteien sich in guten Zeiten eine für beide verbindliche Regelung überlegt haben, an die sie sich im „Kriegsfall“ halten wollen.

Insoweit wurde die Entscheidung des Oberlandesgericht Oldenburg vom 8. Februar 2006 (Az. 4 UF 92/05) aufgehoben, indem die Beteiligung an einer Gemeinschaftspraxis für die Bewertung des Zugewinns nicht berücksichtigt wurde. Das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass der Praxiswert nicht berücksichtigt werden kann, da der Unterhaltsberechtigte ansonsten zweifach von der Vermögensposition teilhabe, nämlich zum einen im Zugewinnausgleich an dem durch die Erwartung künftiger Gewinne geprägten Vermögenswert einer Beteiligung, und zum anderen im Wege des Unterhalts an dem nunmehr als Einkommen zu berücksichtigenden Gewinnanteil.

Der Bundesgerichtshof hat diese Ansicht gerügt und ausgeführt, dass der Wert der Praxis sehr wohl in Ansatz gebracht werden muss. Es liege insoweit keine Doppelverwertung vor, weil eine doppelte Teilhabe nur dann eintrete, wenn jeweils dieselben Vermögenspositionen ausgeglichen werden. Der Bundesgerichtshof unterscheidet dabei den Zugewinnausgleich und die Unterhaltsberechtigung. Im Zugewinnausgleich wird das Vermögen, das heißt alle rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert, ausgeglichen. Das Unterhaltsrecht dient demgegenüber dem Zweck, unter den im Gesetz aufgeführten Voraussetzungen den Unterhaltsbedarf des Berechtigten zu decken. Dabei sieht das Gesetz zwar den Einsatz von Einkommen und Vermögen vor; die Verwertung des Vermögensstammes kann aber nur unter besonderen Voraussetzunge verlangt werden (§§ 1577 Abs. 3, 1581 S. 2). Zu einer Konkurrenz zwischen Zugewinnausgleich und Unterhalt kann es somit lediglich dann kommen, wenn zum Unterhalt auch der Vermögensstamm herangezogen wird. Das ist bei der Bewertung im Rahmen des Zugewinns zu beachten.

 

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Eine Antwort

  1. Die Privatinsolvenz ist so ziemlich das Schlimmste, was einer Person passieren kann. Das gilt vor allem, wenn man nicht nur sein finanzielles Polster, sondern gleichzeitig auch die geliebte Person verliert. Der Beitrag hat mich schockiert, war gleichzeitig aber auch sehr interessant und hilfreich. Danke dafür!

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