3. Juni 2025

Nahrungsergänzungsmittel mit pflanzlichen Inhaltsstoffen – sogenannte Botanicals – sind im Healthcare-Markt nicht mehr wegzudenken. Seit Jahren wurden sie im Vertrieb mit gesundheitsbezogenen Werbeaussagen versehen, häufig auch in rechtlichen Grauzonen. Denn das EU-Recht, geregelt durch die Health-Claims-Verordnung (VO (EG) Nr. 1924/2006, kurz: HCV), sieht vor, dass gesundheitsbezogene Aussagen in der Werbung nur dann zulässig sind, wenn diese zuvor wissenschaftlich geprüft und als sogenannte „Health Claims“ durch eine dafür zuständige EU-Behörde (EFSA) als zulässig eingestuft worden sind (Art. 10, 13, 14 HCV). Die Besonderheit bei Botanicals: Die EFSA hatte die Bearbeitung der Aussagen ausgesetzt, sodass seit 2010 ungeprüfte Claims kursierten.

Das neue EuGH-Urteil: Ende der Grauzone

Mit Urteil vom 30. April 2025 (Az. C-386/23) hat der Europäische Gerichtshof nun für Klarheit gesorgt: Solange die wissenschaftliche Prüfung einer gesundheitsbezogenen Werbeaussage für pflanzliche Stoffe nicht abgeschlossen ist, ist die Werbung hiermit grundsätzlich verboten. Die vermeintliche Lücke, dass wegen der von der EFSA ausgesetzten Prüfung ein „Schwebezustand“ und damit ein faktischer Erlaubnisraum für Botanicals bestünde, wurde somit klar und eindeutig geschlossen.

Der EuGH verweist darauf, dass der Verbraucherschutz im Vordergrund steht. Die Lebensmittelwerbung darf keine Aussagen enthalten, die in ihrer wissenschaftlichen Validität nicht überprüft und nicht zum Schutz der Gesundheit freigegeben sind. Das pauschale Argument, dass das Werbeverbot nicht gelte, solange keine EFSA-Prüfung erfolgte, wurde damit überholt.

Bedeutung für die Praxis: Deutliche Einschränkungen und rechtliche Risiken

Für Marktteilnehmer – insbesondere Produzenten und Händler von Nahrungsergänzungsmitteln – bedeutet das Urteil einen Paradigmenwechsel. Viele bislang eingesetzte gesundheitsbezogene Aussagen zu Botanicals, die mit einem Verweis auf die noch ausstehende Prüfung gerechtfertigt wurden, sind nun klar unzulässig. Wer weiterhin mit solchen Versprechen wirbt, riskiert nicht nur Abmahnungen, sondern auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen – ein Umstand, den vor allem Abmahnvereine bereits für sich entdecken.

Die Abmahntätigkeit – berechtigt oder unberechtigt – dürfte in den kommenden Monaten zunehmen, was Anbieter im ohnehin kompetitiven Markt weiter unter Druck setzt. In Zukunft werden Marktbeteiligte noch genauer prüfen müssen, ob ihre Werbeaussagen durch die Positivliste der Art. 13 und 14 HCV gedeckt oder wenigstens im Rahmen einer zulässigen Ausnahme abgesichert sind.

Spielräume und Chancen: Was bleibt noch erlaubt?

Trotz der verschärften Regulierung bleiben alternative Kommunikationsmöglichkeiten erhalten. Zulässig sind weiterhin neutrale Informationen über Inhaltsstoffe („enthält Artischockenextrakt“) sowie erlaubte Claims aus der Positivliste (etwa bestimmte Angaben zu Vitaminen oder Mineralstoffen). Auch rein beschreibende Aussagen, die keinen Gesundheitsbezug aufweisen, können verwendet werden. Der Fokus muss jedoch klar auf rechtssicheren, wissenschaftlich fundierten und zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben liegen.

Hersteller und Werbetreibende sind deshalb gut beraten, ihre Aussagen und Produktpräsentationen zu Botanicals kritisch zu prüfen und anzupassen. Kreative und zugleich rechtssichere Kommunikation ist gefragter denn je.

Fazit: Eindeutigkeit für mehr Verbraucherschutz – und mehr Rechtssicherheit

Mit seinem Urteil hat der EuGH einen jahrzehntelangen Schwebezustand beendet und den Verbraucherschutz gestärkt. Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen für Botanicals ohne wissenschaftlich belegte und zugelassene Health Claims ist nicht mehr möglich. Marktteilnehmer stehen in der Pflicht, ihre Kommunikation umzustellen und auf die klare Linie der Health-Claims-Verordnung einzuschwenken.

Wir beraten Sie gerne zur rechtssicheren Gestaltung Ihrer Werbung für Nahrungsergänzungsmittel und andere Healthcare-Produkte. Gemeinsam finden wir kreative und nachhaltige Lösungen.

 

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