Die flexible Aufgabenverteilung in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) ist sowohl im Sozialrecht als auch im Steuerrecht ein viel diskutiertes Thema. Zwei aktuelle Urteile – des Landessozialgerichts (LSG) München und des Bundesfinanzhofs (BFH) – schaffen dazu wichtige Leitplanken. Für ärztliche und zahnärztliche BAGs ergeben sich daraus maßgebliche Praxishinweise im Hinblick auf Zulassung, Gesellschaftsrecht und Besteuerung.
Sozialrechtlicher Maßstab: LSG München und der 10%-Orientierungswert
Mit dem Urteil des Landessozialgerichts München wurden die Anforderungen an die persönliche Mitwirkung der Gesellschafter einer BAG unter vertragsärztlichen Gesichtspunkten konkretisiert. Zentrale Voraussetzung bleibt die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in der Praxis. Es reicht also nicht aus, wenn sich einzelne Gesellschafter ausschließlich auf administrative oder organisatorische Tätigkeiten beschränken – jeder Partner muss ärztlich tätig werden.
Dabei hat das Gericht einen praxisnahen Orientierungswert aufgestellt: Es erscheint angemessen, wenn der persönliche Leistungsumfang jedes Gesellschafters mindestens 10 Prozent des Durchschnitts der jeweiligen Fachgruppe erreicht. Dieser Wert ist als Prüfrahmen für die Frage anzuwenden, ob das Merkmal der gemeinsamen Berufsausübung noch erfüllt ist. Wird der Orientierungswert über einen längeren Zeitraum unterschritten, kann dies sozialrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entziehung der Zulassung der gesamten BAG nach sich ziehen. Gleichzeitig bleibt Raum für Ausnahmen in Sondersituationen (wie längerer Krankheit oder Elternzeit). Eine bloße Gesellschafterstellung ohne wesentliche patientennahe Tätigkeit genügt jedoch nicht, weshalb eine sorgfältige Dokumentation aller Tätigkeiten im Rahmen der BAG empfehlenswert ist.
Steuerrechtliche Grundlagen: Der BFH zur Arbeitsteilung in der BAG
Auch der Bundesfinanzhof hat die Arbeitsteilung in BAGs jüngst aufgegriffen. Mit Urteil vom 10. April 2024 entschied das Gericht, dass allein die Übernahme überwiegend administrativer und organisatorischer Aufgaben durch einen Gesellschafter – bei geringer patientennaher Tätigkeit – nicht automatisch zur gewerblichen Einordnung der gesamten BAG führt.
Mit dieser Entscheidung hob der BFH ausdrücklich das gegenteilige Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz auf. Das FG Rheinland-Pfalz hatte zuvor eine gewerbesteuerliche „Abfärbewirkung“ bereits dann angenommen, wenn ein Gesellschafter fast ausschließlich administrative Aufgaben übernimmt, ohne selbst in nennenswertem Umfang patientenbezogen tätig zu sein. Der BFH stellt nunmehr klar, dass schon eine geringfügige persönliche Mitwirkung an der ärztlichen Leistungserbringung ausreicht, um den freiberuflichen Charakter der BAG zu erhalten. Damit ist eine gewisse Arbeitsteilung innerhalb der Praxis kein automatischer Grund für eine Gewerbesteuerpflicht der gesamten Gemeinschaft. Weitere Hintergründe und eine vertiefte Analyse zur Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz und deren Aufhebung finden Sie hier.
Handlungsempfehlung für die Praxis
Für die Gestaltung von BAG-Verträgen und die Organisation des Praxisalltags folgen daraus klare Empfehlungen:
- Angemessene Verteilung der Tätigkeiten: Eine flexible Arbeitsteilung ist rechtlich zulässig, darf aber nicht dazu führen, dass einzelne Gesellschafter vollständig aus der ärztlichen Tätigkeit ausscheiden.
- 10%-Orientierungswert beachten: Sozialrechtlich sollte jeder Gesellschafter mindestens 10 Prozent des durchschnittlichen fachgruppenspezifischen Leistungsumfangs erbringen.
- Dokumentation sicherstellen: Alle ärztlichen Leistungen sind laufend zu dokumentieren, um sowohl sozial- als auch steuerrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.
- Vertragliche Klarheit: Gesellschaftsverträge sollten Mindestaktivitäten und flexible Modelle der Aufgabenverteilung verbindlich regeln.
Fazit
Unter Beachtung dieser neuen Grundsätze der sozial- und finanzgerichtlichen Rechtsprechung kann die interne Arbeitsteilung in Berufsausübungsgemeinschaften klarer strukturiert werden, ohne dabei die notwendige Flexibilität aufzugeben. Wer die sozialrechtlichen Orientierungswerte beachtet und den steuerlichen Rahmen kennt, sichert den Bestand und die Rechtssicherheit der BAG – und kann die Vorteile kooperativer Versorgungsformen optimal nutzen.
Sollten Sie zu einzelnen Aspekten Beratungsbedarf haben oder konkrete Fragen zur Umsetzung dieser Grundsätze bestehen, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf. Wir stehen Ihnen für eine persönliche Beratung und weitergehende Informationen jederzeit zur Verfügung.