5. Mai 2022

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat mit einem noch nicht rechtskräftigen Urteil (4 K 1270/19) entscheiden, dass eine Gemeinschaftspraxis von Zahnärzten insgesamt als Gewerbebetrieb einzustufen ist, wenn einer der Zahnärzte für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- und Behandlungsleistungen am Patienten erbringt.

Freiberufliche Tätigkeit eines eigenverantwortlich und leitend tätigen Zahnarztes fehlte 

Nach den für freiberufliche Mitunternehmerschaften anzulegenden Rechtsmaßstäben entsprach die Tätigkeit des Zahnarztes überwiegend nicht dem Berufsbild eines eigenverantwortlich und leitend tätigen Zahnarztes und war daher nach Auffassung des Finanzgerichts weitgehend nicht als freiberufliche, sondern als gewerbliche Tätigkeit anzusehen.

Alle Gesellschafter müssen die Merkmale eines freien Berufs erfüllen

Die Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden. Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs im Sinne von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen.

Die Hauptmerkmale des freien Berufs muss demnach jeder Gesellschafter in eigener Person positiv erfüllen. Er muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich auch ausüben. Dabei muss die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt sein.

Auch Einsatz von Angestellten setzt leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit voraus

Ein Zahnarzt ist zwar auch dann noch freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, die die Arbeit des Zahnarztes jedenfalls in Teilbereichen ersetzen. Er muss allerdings „leitend“ und „eigenverantwortlich“ die fachliche Verantwortung auch für die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen übernehmen. Das setzt voraus, dass er selbst in ausreichendem Umfang praktisch tätig ist.

Arbeitsteilung zwischen den Gesellschaftern ist möglich, aber…

Es ist nicht erforderlich, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend tätig ist und an jedem einzelnen Auftrag mitarbeitet. Vielmehr können die Gesellschafter die Leitung und die Arbeit an den einzelnen Aufträgen teilen. Aber: Jeder der Gesellschafter muss in eigener Person die Hauptmerkmale des freien Berufes erfüllen, d.h. nicht nur über die persönliche Berufsqualifikation verfügen, sondern die freiberufliche Tätigkeit tatsächlich auch entfalten, also auch im Heilbereich tätig werden.

Erforderlich ist eine höchstpersönliche und individuelle Arbeitsleistung am Patienten

Nach dem gesetzlichen Leitbild der Ausübung der Zahnheilkunde im Sinne des Zahnheilkundegesetzes (ZHG) kommt es entscheidend darauf an, dass aus der – insoweit zentralen – Patientensicht im Rahmen der Tätigkeit eine Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten erfolgt, die auf zahnmedizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse gegründet ist. Diese Definition des ZHG ist nach Ansicht des Finanzgerichts auch bei Auslegung des Begriffs „Zahnarzt“ im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugrunde zu legen.

Keine Kompensation durch besonders intensive leitende Tätigkeit

Diese Tätigkeit könne nicht – auch nicht durch eine besonders intensive – leitende Tätigkeit ersetzt werden, wie z.B. Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse. Ein Arzt schulde eine höchstpersönliche und individuelle Arbeitsleistung am Patienten und müsse deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen.

Finanzgericht stellt allein auf Behandlung der Patienten am Stuhl ab

Das Finanzgericht stellt für die Frage, ob eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit vorliegt, allein auf die Patientenbehandlung am Stuhl ab. Danach falle nicht jegliche der Heilung von Zahnkrankheiten dienende Tätigkeit unter die Ausübung der Zahnheilkunde, sondern nur eine Tätigkeit, die am Körper von Patienten oder in sonstiger Weise gegenüber von Patienten mit der Absicht der Diagnose oder Behandlung vorgenommen wird, wie die Eingliederung von Zahnersatz und die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen. Entscheidend sei, dass ein Patient von der zahnheilkundigen Person die Beseitigung von krankhaften Zuständen der Zähne, des Mundes und des Kiefers erwarte. Die Übernahme sonstiger zahnärztlicher Tätigkeiten reicht allein nach Auffassung des Finanzgerichts nicht aus.

Arbeitsteilung sah nur Tätigkeiten „außerhalb der Mundhöhle“ vor

Allerdings habe sich im Streitfall die Arbeitsteilung, dass sich ein Gesellschafter „um das komplette Praxisdrumherum“ bzw. „alles außerhalb der Mundhöhle“ gekümmert hatte und die anderen sechs Partner sich „um die Betreuung der Patienten am Stuhl“ kümmerten bzw. für „alles in der Mundhöhle“ zuständig waren, derart weit vom gesetzlichen Leitbild höchstpersönlicher freiberuflicher Leistungen nach § 18 EstG entfernt, dass der eine Gesellschafter nach Ansicht des Finanzgerichtes bei der Ausübung dieser vorgenannten Tätigkeiten nicht mehr „eigenverantwortlich und leitend“ tätig war.

Fehlende zahnärztliche Tätigkeit führt zur Gewerbesteuerpflicht

Die alleinige Wahrnehmung bloß kaufmännischer Leitungs- oder sonstiger Managementaufgaben ist insofern schädlich und führt zur Gewerblichkeit und damit zur Gewerbesteuerpflicht. Dadurch werden alle Einkünfte der gesamten Partnerschaftsgesellschaft als gewerblich infiziert mit der Folge, dass alle Einkünfte der Praxis gewerbesteuerpflichtig sind. Denn, wenn Gesellschafter einer Personengesellschaft teilweise freiberuflich und teilweise gewerblich tätig sind, so ist ihre Tätigkeit insgesamt als gewerblich zu qualifizieren. Die Tätigkeit des gewerblich tätigen Zahnarztes „infiziert“ daher die Tätigkeit der freiberuflichen Zahnärzte.

Praxistipp zur Gewerbesteuerpflicht

Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung im Revisionsverfahren bestätigt wird. Dennoch sollte dem Thema der Arbeitsteilung nach dieser Entscheidung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. In der Folge stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies aus sozialrechtlicher Sicht hat, d.h. wie sich die Auffassung des Finanzgerichts auf den mit der Zulassung verbunden Versorgungsauftrag auswirkt.

Gemeinschaftspraxen sollten bei der Aufgabenverteilung zwischen den Gesellschaftern daher sicherstellen, dass jeder Gesellschafter regelmäßig an der Behandlung von Patienten beteiligt ist, selbst wenn der Schwerpunkt auf kaufmännischen oder Managementaufgaben liegt. Das Risiko, dass ansonsten alle Einkünfte der Praxis der Gewerbesteuer unterfallen, lässt sich nach dieser Entscheidung nur beseitigen, wenn alle Zahnärzte auch tatsächlich selbst am Behandlungsstuhl tätig werden. 

Eine Alternative kann die Gründung einer MVZ GmbH darstellen. In diesem Fall stellt sich das Problem einer gewerblichen Infizierung der Einnahmen nicht, da das MVZ als GmbH ohnehin gewerbesteuerpflichtig ist. Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte sich bei diesen Fragen rechtlich beraten lassen.

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