14. März 2024

Der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung entzog einem Vertragszahnarzt die Zulassung. Dagegen legte er zunächst erfolglos Widerspruch ein, klagte dann ebenso erfolglos vor dem Sozialgericht Potsdam [Urteil v. 20.11.2019, S 1 KA 20/17] und legte gegen dessen ablehnendes Urteil Berufung beim LSG Berlin-Brandenburg [Urteil v. 21.09.2022, L 7 KA 4/20] ein. Diese wurde ebenfalls als unbegründet verworfen. Letztendlich war der Zulassungsentzug rechtmäßig.

Was war dem vorausgegangen?

Der klagende Zahnarzt gründete zunächst eine GbR und organisierte anschließend insgesamt acht üBAG mit verschiedenen Beteiligten, die sodann durch den Zulassungsausschuss genehmigt wurden. Dieser stellte jedoch kraft mehrerer Beschlüsse aus dem Jahr 2015 fest, dass die Genehmigungen der üBAG von 2008 bis 2015, also für einen Zeitraum von sieben Jahren, rechtswidrig zustande gekommen seien. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf dem Vorwurf, der Kläger habe eine üBAG initiiert, welche die Voraussetzungen dieser Gesellschaftsform nicht erfülle, sodass es sich letztendlich um eine Scheingesellschaft handele.

Voraussetzungen für eine üBAG

Die Gründung einer übergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) setzt bestimmte Voraussetzungen voraus: Die Berufsausübungsgemeinschaft muss den berufsrechtlichen Bestimmungen entsprechen, die für die beteiligten Berufsgruppen gelten. Sie kann verschiedene Berufsgruppen umfassen, darunter Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten und andere Gesundheitsberufe. Die Mitglieder müssen über die erforderlichen Qualifikationen und Zulassungen verfügen, um ihre jeweiligen Tätigkeiten ausüben zu dürfen.

Die Gründung einer üBAG erfordert in der Regel einen schriftlichen Kooperationsvertrag, der die rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit regelt. Dieser Vertrag sollte alle wichtigen Aspekte wie Aufgabenverteilung, Vergütung, Haftung und Beendigung der Zusammenarbeit abdecken. Insbesondere müssen die Mitglieder einer üBAG ihren Beruf in freier Praxis, also selbstständig, ausüben. Zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen.

Hierbei ist vor allem das Tragen eines eigenen wirtschaftlichen Risikos von enormer Bedeutung. Selbstständige dürfen insoweit kein festes Gehalt beziehen, sondern müssen am unternehmerischen Risiko, den Erträgen sowie Verlusten der BAG, beteiligt werden. Nach einiger Zeit müssen sie außerdem am immateriellen Wert der Praxis, dem sogenannten Goodwill, teilhaben.

Des Weiteren dürfen die (Zahn)Ärzte keinen Weisungen hinsichtlich der Art und Weise der Ausübung ihrer Leistungserbringung unterliegen, da eine derartige Abhängigkeit für ein Anstellungsverhältnis spricht.

Wie war es vorliegend? Verdeckte Anstellungsverhältnisse / Scheinselbstständigkeit

Im konkreten Fall war es den beteiligten Zahnärzten nicht möglich, an der Organisation der Praxis mitzuwirken. Der Kläger hat Vorgaben zum zeitlichen sowie örtlichen Einsatz ihrer Arbeitskraft gemacht und auch inhaltlich Einfluss auf die Erstellung von Heil- und Kostenplänen genommen. Demzufolge waren sie in ihrer persönlichen Leistungserbringung nicht völlig frei.

Ferner trugen nicht alle Beteiligten das wirtschaftliche Risiko und ebenso wenig wurden sie an der Verwertung des immateriellen Wertes der üBAG hinreichend beteiligt. Stattdessen kam es zu undurchsichtigen Gewinnausschüttungen und Risikoverteilungen.

Daraus folgt, dass de facto keine durchgehende freiberufliche Tätigkeit aller Mitglieder der üBAG gegeben ist. In den Verträgen gab der Kläger wahrheitswidrig an, die vertragszahnärztliche Tätigkeit werde, wie für eine üBAG erforderlich, gemeinsam ausgeübt. Er deklariert die anderen Zahnärzte mithin als selbstständige Partner einer üBAG, obwohl tatsächlich (verdeckte) Anstellungsverhältnisse vorliegen. Diese nur scheinbar vorhandene Selbstständigkeit führt im Ergebnis zum Fehlen der Voraussetzungen für die Gründung und den Bestand einer üBAG und dazu, dass sie nur eine Scheingesellschaft darstellt.

Verstoß gegen Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung und Wirtschaftlichkeitsgebot

Durch die Initiierung dieser Scheingesellschaft werden die strengen Honorarbegrenzungsregeln, welche für Zahnärzte gelten, die nicht im Rahmen einer üBAG tätig sind, unterlaufen.

Das sogenannte Regelleistungsvolumen ist das Budget, welches einer Zahnarztpraxis pro Jahr zusteht. Innerhalb einer BAG werden die Regelleistungsvolumina der einzelnen Zahnärzte addiert und können sodann unter ihnen ausgeglichen und verrechnet werden [https://abrechnungsstelle.com/lexikon/regelleistungsvolumen/]. Dies hat den Vorteil, dass ein Zahnarzt mehr Regelleistungsvolumen in Anspruch nehmen kann, wenn ein anderer weniger benötigt. Ein solches Vorgehen wäre nicht möglich, wenn sie jeweils in Einzelpraxen tätig wären.

Folglich umgeht ein Zahnarzt, der eine Schein- üBAG gründet, die Obergrenze der Menge an Leistungen, die er abrechnen darf, bevor die weiterführenden Leistungen nur noch zu einem geringeren Satz vergütet werden. Durch sein Verhalten hat sich der Kläger Leistungen in Form von Honorarzuschlägen für die üBAG erschlichen, die ihm bei objektiver Betrachtung aufgrund des Fehlens der Voraussetzungen nicht zustanden. Darin liegen eine vorsätzliche Täuschung und ein Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung von vertragszahnärztlichen Leistungen. Indem er andere üBAG -Mitglieder anwies, Leistungen zulasten der Patienten und Krankenkassen zu erbringen, um wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, verstieß er ferner gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot.

Bewusstes Schaffen einer diffusen Vertragslage

Der den Verträgen zugrundeliegende Gedanke war, dass Zahnärzte, die bereits eine Praxis haben, diese in die üBAG einbringen und selbst nur zeitlich begrenzt als Mitglied der üBAG tätig sein sollten. Allmählich sollten sie weniger arbeiten, was wiederum durch Zahnärzte ausgeglichen werden sollte, die statt einer eigenen Praxis nur ihre Arbeitsleistung einbrachten.

Der Kläger hat eine derart diffuse Vertragslage geschaffen, dass sie für einen besonnenen und verständigen Dritten nahezu unverständlich ist. Alleine durch diesen Umstand hat er nach Auffassung sowohl des Sozialgerichts als auch des Landessozialgerichts absichtlich dafür gesorgt, dass die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Kooperation maßgeblich erschwert wurde. Erst dieses arglistige Verhalten hat den Missbrauch der üBAG überhaupt ermöglicht, da ansonsten a priori keine Genehmigungen erteilt worden wären. In Anbetracht der enormen Bedeutung der Genehmigung stellt das Initiieren der unübersichtlichen Vertragslage eine gravierende Pflichtverletzung dar.

Konsequenzen

Gemäß § 95 VI 1 SGB V i.V.m § 27 I 1 Zulassungsordnung für Vertragszahnärzte ist die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung zu entziehen, wenn ein Zahnarzt seine vertragszahnärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Dies ist der Fall, wenn die Pflichtverletzung insgesamt so gravierend erscheint, dass dadurch das Vertrauen der KZV und der Krankenkasse nachhaltig beeinträchtigt wird. Wenn der Schaden, wie hier, derart erheblich ist und arglistig sowie über Jahre hinweg verursacht wurde, ist der Vertrauensbruch zweifellos zu bejahen. Aufgrund der dominierenden Rolle des Klägers in dem Geschehen kann eine vernünftige Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zugemutet werden. Demnach ist der Entzug verhältnismäßig.

In einem solchen Fall kann es zu Honorarrückforderungen durch die Kassenärztliche Vereinigung kommen, indem diese die Honorarbescheide der BAG aufhebt. Mitunter sind hier exorbitant hohe Summen zurückzuzahlen. Zudem sind nachträglich Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten, wenn als selbstständig angegebene Partner in Wahrheit abhängige Arbeitnehmer sind. Die Beteiligten sehen sich unter Umständen einem Disziplinarverfahren ausgesetzt.

Fazit zur üBAG: Juristischer Beistand ist obligat

Der Kläger behauptet zwar, die unübersichtliche Vertragslage sei ausschließlich dadurch bedingt, dass die entsprechenden Verträge von Laien entworfen wurden und bestreitet damit den Vorwurf des arglistigen Verhaltens. Jedoch zeigt der Ausgang des Verfahrens, dass dieser Behauptung keinerlei Relevanz beigemessen wird. In Anbetracht der immensen Wichtigkeit einer derart weitreichenden Rechtsgestaltung, wie der Gründung einer Gesellschaft, ist es obligat, sich als juristischer Laie eines Experten zu bedienen. Bei Nichtbeachtung drohen erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Nachteile. Rechtswirksame Verträge sind daher unabdingbar. Diesbezügliche Unzulänglichkeiten ziehen schärfste Folgen nach sich und können das Ende der BAG sowie der gesamten beruflichen Karriere bedeuten.

Bei derart komplexen Vorgängen an der Schnittstelle von zahnmedizinischen und juristischen, Verwaltungs- sowie Gestaltungsaufgaben, muss demgemäß das Prinzip der Arbeitsteilung zum Tragen kommen. Nach der Devise Jeder macht, was er am besten kann, muss die Behandlung der Patienten den Zahnärzten und die vertragliche Gestaltung den Juristen vorbehalten bleiben. So werden undurchsichtige Verträge und ein dadurch bedingter Zulassungsentzug vermieden.

Auch bereits vorhandene Gesellschaftsverträge bedürfen beizeiten einer Überprüfung ihrer Richtigkeit. Keinesfalls ist die Nutzung von generalisierten Musterverträgen ratsam.

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