Die Corona-Pandemie hat uns immer noch im Griff. Schon nach den Sommerferien mussten die ersten Kitagruppen, Schulklassen- oder Jahrgänge in Quarantäne, weil ein oder mehrere Covid-Fälle aufgetreten sind. Es gibt auch Fälle, wo z.B. nur das eigene Kind in Quarantäne muss, z.B. weil es in der Klasse oder im Sportverein Kontakt zu einem auf Covid-19 positiv getesteten anderen Kind hatte. Gerade bei jüngeren Kindern ist davon dann unweigerlich auch die ganze Familie jedenfalls mittelbar betroffen. Für berufstätige Eltern sowie deren Arbeitgeber stellt sich daher zu Recht die Frage, ob und wenn ja, welche Ansprüche wem gegenüber bestehen, wenn das eigene Kind aufgrund eines Kontaktvorfalls in Schule & Co. in Quarantäne muss.
Entschädigungsanspruch – § 56 Abs. 1a InfSG
Tatsächlich ist im Infektionsschutzgesetz eine Regelung vorgesehen, um Eltern und Arbeitgeber im Falle von Verdienstausfällen zu entlasten. Allerdings müssen einige Voraussetzungen beachtet werden (§ 56 Abs. 1a InfSG), die mit JA zu beantworten sind:
Erwerbstätige Person?
Kita, Schule, Einrichtung für Behinderte ist zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten nach dem InfSG vorübergehend geschlossen?
oder
das Betreten dieser Einrichtungen ist vorübergehend untersagt?
Kind unter 12 Jahren oder behindert und auf Hilfe angewiesen?
und
muss in diesem Zeitraum selbst beaufsichtigt, betreut oder gepflegt werden
keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt?
dadurch Verdienstausfall?
Lassen sich alle Punkte bejahen, besteht ein Entschädigungsanspruch.
Gleichzeitig wird schnell klar, für welche Fälle der Entschädigungsanspruch in umgekehrter Weise nicht vorgesehen ist. Nämlich dann, wenn die Kinder schon über 12 Jahre alt sind, wenn andere zumutbare Betreuungsmöglichkeiten bestehen (z.B. Ehepartner) und natürlich wenn kein Vergütungsausfall vorliegt. Auch besteht kein Anspruch, wenn ohnehin in dem Zeitraum die jeweilige Einrichtung wegen Schul- oder Betriebsferien geschlossen sind.
Vorübergehende Verhinderung nach § 616 BGB?
Gerade die Frage des Vergütungsausfalls wird man im Einzelfall genauer klären müssen. Denn gemäß § 616 BGB haben Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern auch dann noch einen Vergütungsanspruch, wenn sie lediglich für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne eigenes Verschulden an der Arbeitstätigkeit gehindert sind. Dies gilt jedenfalls in Fällen, in denen § 616 BGB nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag ausgeschlossen ist, was grundsätzlich möglich wäre. Wie lange eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ ist, ist allerdings nicht fest definiert. Im Allgemeinen wird derzeit ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen, max. bis 14 Tagen diskutiert. Sofern die Regelung des § 616 BGB nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag ausgeschlossen ist, dürfte somit womöglich in vielen Fällen jedenfalls die einmalige Quarantänezeit schon hierunter fallen, so dass ein Rückgriff auf § 56 Abs. 1a InfSG sich erübrigt.
Zumutbarkeit von Home-Office?
Auch in Fällen, in denen Eltern zwar aus Betreuungsgründen nicht ihre Arbeitsstätte aufsuchen können, gleichwohl die Tätigkeit zumutbar von zu Hause erledigen können (Home-Office), fehlt es an einem Verdienstausfall. Was hier konkret zumutbar ist und was nicht, ist stets eine Einzelfallfrage und lässt sich nicht pauschal vorhersagen. Hier sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer idealerweise offen miteinander sprechen, was geht und was nicht und zusammen an einer nachhaltigen Lösung arbeiten. Denn viele Eltern werden in den Monaten des Shut-Downs die Erfahrung gemacht haben, dass konzentriertes Arbeiten und Betreuung von Kindern, ggf. sogar mit Homeschooling, nicht in jedem Fall mal eben nebeneinander leistbar ist. Im Übrigen sind von einer Möglichkeit zum Home-Office sowieso in der Regel nur Bürotätigkeiten umfasst, nicht dagegen z.B. (zahn-)ärztliche oder pflegerische Tätigkeiten im Rahmen der ambulanten und stationären Versorgung.
Höhe der Entschädigung
Liegen die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a InfSG vor, so beträgt die Entschädigung in diesen Fällen 67 % des der erwerbstätigen Person entstandenen Verdienstausfalls, wobei der Betrag auf € 2.016,00 gedeckelt ist. Maßgeblich ist das Netto-Arbeitsentgelt. Der Entschädigungsanspruch wird längstens für 10 Wochen gewährt. Für Alleinerziehende, die allein ihr Kind beaufsichtigen und betreuen, wird die Entschädigung längstens für 20 Wochen gewährt.
Antragstellung
Die Entschädigung erfolgt nicht automatisch, sondern lediglich auf Antrag. Arbeitgeber müssen in den ersten 6 Wochen in jedem Fall in Vorleistung treten und können ihrerseits dann die Erstattung bei der Behörde geltend machen. Ab der siebten Woche müssen die Arbeitnehmer sich selbst um die Antragsstellung bemühen. Entsprechende Formulare (auch Online-Formulare) und ausführliche Erläuterungen zum Entschädigungsanspruch finden sich im Übrigen auf den jeweiligen Webseiten der zuständigen Behörden (z.B. für Hessen auf der Homepage des zuständigen Regierungspräsidium Darmstadt).
Unter dem Link kann der 9-seitige Antrag für die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein abgerufen und gestellt werden.
Praxistipp bei Quarantäne -Maßnahmen
Wenn berufstätige Eltern aufgrund von Quarantäne-Maßnahmen ihrer Kinder einen Verdienstausfall erleiden, gibt es Möglichkeiten staatliche Entschädigungsansprüche nach dem InfSG geltend zu machen. Da bei vorübergehender unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers Arbeitgeber grds. nach § 616 BGB noch zu Vergütung verpflichtet sind, sofern die Regelung nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, dürfte die Voraussetzung oftmals gleichwohl nicht erfüllt sein. Dies auch erst Recht nicht, wenn Eltern sich bei der Betreuung abwechseln können und somit nur einzelne Tage als Arbeitsausfall zu verzeichnen sind.
Auch der Verwaltungsaufwand, den neunseitigen Antrag stets für jeden einzelnen Mitarbeiter auszufüllen, wird wahrscheinlich in einigen Fällen schon abschreckend sein. Insofern ist es zwar schön, dass es die Möglichkeit gibt, der Praktikabilität sind allerdings auch Grenzen gesetzt. Insofern wird es auch hier das Beste sein, gemeinsam am Strang zu ziehen und im Team praktikable Lösungen für den Betriebsablauf zu entwickeln, um solche herausfordernde Situationen, die zukünftige wohl immer mal den ein oder anderen Kollegen treffen wird, zu meistern.