16. Juni 2025

Der Alltag in Zahnarztpraxen hält für das Team nicht selten arbeitsrechtliche Fallstricke bereit. Das Arbeitsrecht setzt dabei viele Rahmenbedingungen – dennoch tauchen immer wieder Unsicherheiten auf. Rechtsanwältin Nadine Ettling beantwortet die häufigsten Praxisfragen rund um das Arbeitsverhältnis im zahnmedizinischen Bereich:

1. Wann muss ich bei Krankheit meine Praxis informieren?

Sie sind verpflichtet, Ihren Arbeitgeber sofort über Ihre Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten. Gelingt dies nicht per Telefon, können auch andere Kommunikationswege genutzt werden, die in der Praxis üblich sind – zum Beispiel E-Mail, SMS, Messenger-Dienste oder entsprechende interne Praxis-Apps. Entscheidend ist, dass Ihre Abwesenheit so früh wie möglich und auf einem vereinbarten oder gebräuchlichen Weg mitgeteilt wird, damit in der Praxis rechtzeitig umgeplant werden kann.

Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung müssen Sie spätestens am dritten Krankheitstag vorlegen. Es gibt jedoch Praxen, die im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass das Attest bereits am ersten Tag erforderlich ist. Prüfen Sie hierzu die Regelungen im Arbeitsvertrag oder im Praxishandbuch.

2. Kann der Arbeitgeber Dienstpläne kurzfristig ändern?

Arbeitgeber sind grundsätzlich dazu berechtigt, Dienstpläne zu erstellen und – soweit es die betrieblichen Erfordernisse verlangen – auch anzupassen. Dabei müssen sie allerdings stets die berechtigten Interessen ihrer Mitarbeiter berücksichtigen. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Grenze dort, wo kurzfristige Änderungen für die Beschäftigten unzumutbar werden oder persönliche Belange, wie etwa familiäre Verpflichtungen, bereits geplante Termine oder erforderliche Kinderbetreuung, beeinträchtigt werden.

Eine kurzfristige Änderung des Dienstplans ist nur in Ausnahmesituationen zulässig, etwa bei unvorhersehbaren Ausfällen durch plötzliche Erkrankungen oder dringende betriebliche Notwendigkeiten. Liegt kein zwingender Anlass vor und erfolgt die Mitteilung der Änderung sehr kurzfristig – etwa erst am Vorabend oder gar außerhalb der regulären Arbeitszeit, wenn der Mitarbeiter diese Information möglicherweise gar nicht mehr rechtzeitig zur Kenntnis nehmen kann –, besteht ein erhöhtes Risiko, dass eine solche Änderung arbeitsrechtlich unzulässig ist.

Der Grundsatz lautet: Je kürzer der zeitliche Vorlauf, desto gewichtiger und nachvollziehbarer muss der betriebliche Grund für die Änderung sein – reine Bequemlichkeit oder Organisationserleichterung für den Arbeitgeber reichen hierfür in aller Regel nicht aus. In der Praxis sollten kurzfristige Veränderungen von Dienstplänen deshalb möglichst vermieden werden und stets transparent sowie unter Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter kommuniziert werden.

Zu empfehlen ist, die Regeln zur Dienstplananpassung klar im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder zumindest in internen Leitlinien festzuschreiben. So wird Klarheit für alle Beteiligten geschaffen und Unsicherheiten oder Konflikte im Alltag können minimiert werden. Grundsätzlich sollte gelten: Kurzfristige Umstellungen sind und bleiben die Ausnahme und nicht die Regel.

3. Wer trägt die Kosten für Fort- und Weiterbildungen?

Einen generellen gesetzlichen Anspruch auf Fortbildungskostenübernahme gibt es nicht. Trotzdem fördern viele Praxen aus Eigeninteresse und zur Qualitätssicherung die Weiterbildung ihres Personals und übernehmen dafür die Kosten oder stellen bezahlte Freistellung zur Verfügung. Klare Regelungen finden sich oftmals im Arbeitsvertrag oder entstehen durch individuelle Vereinbarungen. Es lohnt sich, das Thema aktiv im Mitarbeitergespräch aufzugreifen und schriftlich zu fixieren.

4. Dürfen Vorschriften zur Fingernagelpflege gemacht werden?

Aus arbeitsrechtlicher und medizinischer Sicht gehört das Erscheinungsbild der Hände – insbesondere gepflegte und hygienisch unbedenkliche Fingernägel – zu den zentralen Aspekten in Arzt- und Zahnarztpraxen. Die Einhaltung strenger Hygienestandards ist eine unabdingbare Voraussetzung für Patientensicherheit und Infektionsprävention. Insbesondere unterliegen Beschäftigte in medizinischen Berufen besonderen Verpflichtungen, um Ansteckungsrisiken für Patienten wirksam zu minimieren.

Daher ist es für Arbeitgeber in der Praxis nicht nur zulässig, sondern nach einschlägigen Hygienerichtlinien und -verordnungen sogar zwingend erforderlich, konkrete Vorgaben zur Nagelpflege und zum äußeren Erscheinungsbild der Hände zu machen. Arbeitgeber dürfen bestimmen, dass beispielsweise lange Fingernägel, künstliche Gel- oder Acrylnägel sowie das Tragen von Nagellack (auch von Klarlack) untersagt sind. Hintergrund ist, dass sich unter langen oder künstlichen Nägeln und auf lackierten Flächen Keime deutlich leichter ansiedeln und von dort auf Patienten sowie das Praxisteam übertragen werden können. Bereits die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut geben für medizinisches Personal entsprechende Standards vor, die auch in Zahnarztpraxen uneingeschränkt gelten.

Die konsequente Einhaltung dieser Vorgaben ist kein freiwilliges „Kann“, sondern ein arbeitsvertragliches Muss. Wer als Mitarbeiter wiederholt oder trotz ausdrücklichen Hinweises grob gegen derartige Hygienevorschriften verstößt, muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Dazu zählt insbesondere die Erteilung einer Abmahnung durch den Arbeitgeber. Im Falle fortgesetzter Missachtung oder im Wiederholungsfall können auch weitergehende arbeitsrechtliche Maßnahmen – bis hin zur personenbedingten Kündigung – gerechtfertigt sein, da das Patientenwohl sowie die Funktionsfähigkeit des Praxisbetriebs erheblich gefährdet werden können. Mehr im Blog: Arbeitsgericht untersagt das Tragen von Gelnägeln

5. Gilt Umkleidezeit als Arbeitszeit?

Ob das An- und Ausziehen als Teil der Arbeitszeit angerechnet werden muss, hängt von der Art der Arbeitskleidung und den Vorgaben der Praxis ab. Ist spezielle Schutzkleidung notwendig und muss diese zwingend in der Praxis gewechselt werden, zählt das Umkleiden häufig zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Kann die Arbeitskleidung jedoch auch außerhalb getragen werden, fällt die Umkleidezeit meist nicht darunter. Die konkrete Handhabung sollte möglichst eindeutig zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geregelt werden. Mehr dazu in unserem Blog: An- und Ausziehen von Arbeitskleidung: Zählt das zur bezahlten Arbeitszeit?

Fazit: Klare Regelungen schaffen Sicherheit im Praxisalltag

Das Arbeitsrecht bietet für das Arbeitsverhältnis in der Zahnarztpraxis einen verbindlichen Rahmen und setzt wichtige Standards zum Schutz von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dennoch lässt der Gesetzgeber bewusst Raum für individuelle Ausgestaltung – sei es bei Regelungen zur Dienstplanflexibilität, zur Fortbildungsförderung, zum Hygienestandard oder bei arbeitsorganisatorischen Fragen wie der Handhabung von Arbeitsunfähigkeitsmeldungen oder Umkleidezeiten. Gerade bei diesen praxisrelevanten Detailfragen ist es entscheidend, Unsicherheiten und vermeintliche Graubereiche nicht auf sich beruhen zu lassen.

Praktische Erfahrung zeigt: Offenheit und frühzeitige Kommunikation sind der Schlüssel zu einem vertrauensvollen und reibungslosen Miteinander in der Praxis. Sprechen Sie strittige oder unklare Themen aktiv an – ganz gleich, ob als Praxisinhaberin oder Teammitglied. Scheuen Sie sich nicht, Regelungen und Wünsche klar zu formulieren und gegebenenfalls gemeinsam eine tragfähige Lösung zu erarbeiten.

Besonders empfehlenswert ist es, solche Vereinbarungen schriftlich festzuhalten – etwa durch konkrete Absprachen, Ergänzungen zum Arbeitsvertrag oder durch betriebsinterne Leitlinien und Hygienepläne. Schriftliche Fixierung erhöht die Verbindlichkeit, sorgt für Transparenz und hilft, spätere Missverständnisse oder sogar Konflikte zu vermeiden.

Letztlich gilt: Investieren Sie im Interesse eines wertschätzenden, effizienten und rechtssicheren Arbeitsumfeldes in klare Absprachen und überprüfen Sie bestehende Regelungen regelmäßig. So stärken Sie nicht nur Ihr Team und das Vertrauen innerhalb der Praxis, sondern schützen auch sich selbst vor unnötigen Auseinandersetzungen.

Sie haben Fragen zu arbeitsrechtlichen Regelungen in Ihrer Praxis oder benötigen Unterstützung bei individuellen Vertragsgestaltungen? Wenden Sie sich gerne an unser spezialisiertes Team. Wir beraten Sie kompetent, lösungsorientiert und vorausschauend – damit Ihr Praxisalltag dauerhaft rechtssicher und konfliktarm bleibt!

 

Kategorien
Newsletter
Wollen Sie unter den Ersten sein, die über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitsrecht und der Gesundheitspolitik informiert werden?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..