21. August 2024

In der stark regulierten Welt der Medizinprodukte stehen Medizinproduktehersteller vor der Herausforderung, gesetzliche Anforderungen effizient und rechtskonform in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren. Die richtige Balance zwischen pragmatischer Umsetzung und rechtlicher Sicherheit zu finden, ist hierbei entscheidend – sowohl bei der Einführung neuer Produkte als auch bei der Anpassung bestehender Prozesse an sich wandelnde Regularien.

In einem spannenden Austausch beleuchten Julia Lorenz, Geschäftsführerin der regular services rs GmbH und Expertin für regulatorische Anforderungen und Qualitätsmanagementsysteme, und Christian Erbacher, Partner der Kanzlei Lyck + Pätzold. healthcare.recht, Fachanwalt für Medizinrecht und spezialisierter Rechtsanwalt, die Schnittstellen zwischen rechtlicher Beratung und praktischer Umsetzung im Bereich des Medizinprodukterechts. Anhand konkreter Beispiele aus der Praxis diskutieren sie typische Fragestellungen, wie etwa die Verantwortlichkeiten der „Person Responsible for Regulatory Compliance“ (PRRC), die Herausforderungen bei der Implementierung von Übergangsfristen und die rechtliche Absicherung von Haftungsrisiken.

Der Dialog verdeutlicht, wie wichtig es ist, nicht nur rechtlich fundierte Lösungen anzubieten, sondern diese auch in die technische und operative Realität eines Unternehmens zu integrieren. Beide Experten zeigen auf, wie eine enge Zusammenarbeit zwischen juristischer und technischer Expertise Unternehmen dabei unterstützt, regulatorische Anforderungen erfolgreich zu erfüllen und gleichzeitig wirtschaftliche Ziele zu erreichen.

Worauf konzentrieren sich die Beratungsprojekte, die Sie für Medizinproduktehersteller durchführen, und welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei regelmäßig?

Julia Lorenz: In unseren Beratungsprojekten mit Medizinproduktehersteller geht es um die praktische Umsetzung von regulatorischen Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem von Medizinprodukteherstellern. Wir unterstützen unsere Kunden, so pragmatisch wie möglich konforme Medizinprodukte zuzulassen und erfolgreich durch Audits von Benannten Stellen oder Inspektionen der zuständigen Behörde zu kommen. Im Rahmen unserer Beratung geht es natürlich viel um die Auslegung von Gesetzen und Regularien. Hierbei werden wir immer wieder mit spezifischen, rechtlichen Fragestellungen konfrontiert, welche mit entsprechender juristischer Expertise analysiert und beantwortet werden müssen.

Welche typischen rechtlichen Fragestellungen begegnen Ihnen in Ihrer Beratungspraxis, und wie lassen sich diese mit unserer anwaltlichen Arbeit vergleichen?

Christian Erbacher: Wenn ich das aus rechtlicher Sicht mit unserer anwaltlichen Tätigkeit vergleiche, fällt mir spontan die ‚Person Responsible for Regulatory Compliance‘ (PRRC) ein und die Frage, welche Rechte und Pflichten diese hat. Außerdem spielen für unsere Mandanten auch immer wieder Haftungsfragen und die entsprechende rechtliche Absicherung eine bedeutende Rolle.

Welche rechtlichen Aspekte und Herausforderungen sehen Sie für Medizinproduktehersteller bei der Einführung der PRRC (Person Responsible for Regulatory Compliance) im Rahmen der EU-Verordnung 2017/745, insbesondere im Hinblick auf deren Verantwortlichkeiten und Haftung?

Julia Lorenz: Mit der Implementierung der EU-Verordnung 2017/745 ist, angelehnt an das Medizinproduktegesetz, der Sicherheitsbeauftragte für Medizinprodukte in Form einer PRRC (person responsible for regulatory compliance) eingeführt worden. Die Verantwortlichkeiten dieser PRRC müssen im Qualitätsmanagementsystem der Medizinproduktehersteller zugeordnet und entsprechende Aufgaben umgesetzt werden. Letztlich wird diese Rolle aber von angestellten Mitarbeitern im Unternehmen übernommen und da tauchen natürlich Fragestellungen auf, wie die rechtliche Konsequenz und Haftungssituation für diese Verantwortliche Person ausgelegt werden.

Christian Erbacher: Vielen Dank, liebe Julia, für die Erläuterung. Im Weiteren rechtlichen Kontext ist es dann so, dass die von Dir angesprochene Haftungssituation vertraglich vereinbart werden muss. Da sind wir dann schnell – wenn es um Angestellte im Unternehmen geht – im Arbeitsrecht und dessen medizinrechtlichen Besonderheiten. Hier holen wir dann unsere Arbeitsrechtsspezialisten ins Boot. Nun aber wieder zurück zum Medizinprodukterecht. Ein Großteil unserer Mandatsbearbeitung bezieht sich neben den Haftungsfragen – und das gilt eigentlich seit Anbeginn des Medizinprodukterechts – mit Fragen des Inverkehrbringens und den Verkaufsmöglichkeiten. Hier geht es dann um die kommerziellen Interessen unserer Mandanten. Und gerade diese Themenkreise sind in der MDR / IVDR teilweise etwas unglücklich – oder eher gesagt ungenau – definiert. Und unser Anspruch ist es hier, den Mandanten dennoch einen rechtlichen Fahrplan an die Hand zu geben. Habt ihr hier ähnliche Erfahrungen gemacht?

Julia Lorenz: Gerade im Zusammenhang mit Übergangsfristen von Regularien, wie wir es beispielsweise bei der MDR und IVDR erleben, kommen immer wieder Fragestellungen zum Inverkehrbringen auf. „Ab wann gilt ein Medizinprodukt als in Verkehr gebracht?“ Und „Was machen wir mit bereits produzierter Ware? Können wir diese noch abverkaufen?“ Dies sind alles Fragestellungen, die unsere Kunden beschäftigen und bei deren Beantwortung eine rechtssichere Aussage unumgänglich ist.

Christian Erbacher: Ja, genau, das sind exakt die kritischen Fragen. Ich hatte vorhin unseren Anspruch definiert. Also, dem Mandanten einen Fahrplan an die Hand zu geben. Aus rechtlicher Sicht bekommen wir das natürlich in House abgebildet. Nur gerade im Medizinprodukterecht wechselt es sehr schnell von der rechtlichen in die technische Sicht und wieder zurück. Für uns ist es deshalb von überragender Wichtigkeit, unseren rechtlichen Fahrplan mit den technischen, also praktischen, Umsetzungsschritten zu füllen. Kannst Du uns vielleicht kurz Eure best practise vorstellen?

Julia Lorenz: Ja, die Kunst liegt hierbei möglichst schlank und pragmatisch die regulatorischen Anforderungen umzusetzen. Die regulatorische Welt ist sehr komplex geworden. Gerade international agierende Unternehmen straucheln sehr mit der Umsetzung der unterschiedlichen Anforderungen in den verschiedenen Ländern. Hierfür Prozesse zu entwickeln, die lebbar und gleichzeitig „auditsicher“ sind, ist eine Herausforderung, bei welcher wir unsere Kunden täglich unterstützen. Auch die Erstellung und kontinuierliche Aktualisierung der Zulassungsdokumentationen kann durch praktikable Prozesse und Templates vereinfacht und somit auch ein schnellerer Marktzugang erreicht werden.

Christian Erbacher: Herzlichen Dank, liebe Julia, für den Austausch. Eure Herangehensweise bietet Euren Kunden sicherlich einen großen Mehrwert. Die größte Herausforderung, mit der wir, glaube ich, alle zu kämpfen haben, ist die praktikable Umsetzung rechtlich fundierter Lösungen. Letztlich trifft dies auf alle unternehmerischen Entscheidungen zu, da jede unternehmerische Entscheidung auch eine rechtliche Komponente beinhaltet. Gerade in diesen Fällen wird es Euren Kunden und unseren Mandanten helfen, einen Partner mit einer klaren Linie an seiner Seite zu wissen.

Fazit

Im Gespräch zwischen Julia Lorenz und Christian Erbacher wird deutlich, wie wichtig das Zusammenspiel von rechtlicher und technischer Expertise im Bereich des Medizinprodukterechts ist. Während Julia als Beraterin für regulatorische Anforderungen und Qualitätsmanagementprozesse die praktische Umsetzung und Optimierung dieser Anforderungen unterstützt, liegt der Fokus von Christian Erbacher auf der rechtlichen Absicherung und strategischen Beratung seiner Mandanten. Beide Perspektiven sind unverzichtbar, um Unternehmen durch den Dschungel der komplexen Regularien zu führen.

Julia Lorenz zeigt auf, wie pragmatische und schlanke Prozesse dabei helfen, regulatorische Anforderungen effizient zu erfüllen und gleichzeitig einen sicheren und schnellen Marktzugang zu gewährleisten. Dabei geht es nicht nur um die rechtliche Konformität, sondern auch um die leb- und praktikable Implementierung in den Betriebsalltag.

Christian Erbacher ergänzt diesen Ansatz durch die juristische Perspektive, indem er rechtssichere „Fahrpläne“ entwickelt, die den Mandanten eine klare Orientierung geben. In einem Umfeld, in dem rechtliche und technische Fragestellungen oft Hand in Hand gehen, sind sowohl fundierte juristische Lösungen als auch eine technisch umsetzbare Strategie unerlässlich.

Dieser Austausch zeigt, wie durch die Kombination von regulatorischem Fachwissen und rechtlicher Beratung Unternehmen bestmöglich aufgestellt werden können. Ob es um die Implementierung neuer Regularien, Haftungsfragen oder die praktische Umsetzung internationaler Anforderungen geht – eine enge Zusammenarbeit zwischen rechtlicher und technischer Expertise ist der Schlüssel zum Erfolg.

Sie sind Medizinproduktehersteller und haben regulatorische oder rechtliche Fragen, dann senden Sie uns eine kurze Nachricht und wir kontaktieren Sie zum gewünschten Zeitpunkt.

 

 

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