SG Düsseldorf verschärft per Beschluss vom 16.05.2017 (Az. S 2 KA 76/17 ER) die Praxis der KZV Nordrhein im Hinblick auf die Anstellung von Vorbereitungsassistenten in einem MVZ. Zahnarztpraxen, die sich im besonderen Maße der Wissenschaft und Ausbildung gewidmet haben, beschäftigen regelmäßig Vorbereitungsassistenten. Eine solche Philosophie zu verfolgen, bietet sich gerade in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) an, da ein solches die dafür erforderliche Infrastruktur hat.
Die Beschäftigung von Vorbereitungsassistenten in einem zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentrum wird bundesweit uneinheitlich geregelt. Die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV) treffen hierzu in entsprechenden Richtlinien Regelungen, die nur für den jeweiligen KZV-Bereich gelten und sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Teilweise wird die Beschäftigung eines Vorbereitungsassistenten pro MVZ/pro Zahnärztlichem Leiter genehmigt, teilweise ist die Genehmigung eines Assistenten davon abhängig, dass ein Vertragszahnarzt im MVZ tätig ist (Näheres zu den verschiedenen Regelungen finden Sie hier: https://medizinrecht-blog.de/allgemein/vorbereitungsassistenten-mvz/).
Der praxisverschärfende Beschluss des SG Düsseldorf
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat nun in einem Eilverfahren per Beschluss vom 16.05.2017 (Az. S 2 KA 76/17 ER) die bisher geltende Regelung im Bereich der KZV Nordrhein sogar noch verschärft! Die KZV selbst wollte einen Vorbereitungsassistenten pro MVZ bzw. pro Zahnärztlichen Leiter in einem MVZ (entsprechend dessen Beschäftigungsumfang) genehmigen. Das Gericht verwarf diese Praxis nun aber, indem es entschied, dass nur ein im MVZ tätiger Vertragszahnarzt die Fähigkeit besitze, Vorbereitungsassistenten auszubilden. Beschäftigt das MVZ also „unter“ dem tätigen Vertragszahnarzt bereits einen Assistenten – so war der Fall hier – oder ist in dem MVZ kein Vertragszahnarzt tätig, weil der/die Gründer zu Gunsten einer Anstellung im MVZ auf seine/ihre Zulassung verzichtete/n, kann das Medizinische Versorgungszentrum keinen (weiteren) Assistenten (mehr) beschäftigen.
Die Gründe für den gerichtlichen Beschluss
Das Gericht begründete den Beschluss im Wesentlichen damit, dass die Ausbildung von Zahnärzten während dieser zweijährigen Vorbereitungszeit gewisse Ziele verfolge, die nicht erreicht werden könnten, wenn die Ausbildung im MVZ durch einen angestellten Zahnarzt erfolge. Die Vorbereitungszeit solle eine praxisbezogene Ausbildung gewährleisten, durch die sichergestellt werden solle, dass der Zahnarzt die Bedingungen und Erfordernisse der Erbringung vertragszahnärztlicher Leistungen in eigener Tätigkeit in der Praxis eines niedergelassenen Vertragszahnarztes kennen gelernt habe, ehe er selbst als Vertragszahnarzt in eigener Praxis zugelassen werden könne. Er solle so auf die Tätigkeit als frei praktizierender Kassenzahnarzt und auf die damit verbundenen Rechte und Pflichten vorbereitet werden, wozu auch Abrechnungs- und Vertragskenntnisse gehörten, die ein frei praktizierender Kassenzahnarzt für seine Tätigkeit benötige. Nur der Praxisinhaber bzw. der im MVZ tätige Vertragszahnarzt böten die Gewähr, die spezifisch vertragszahnärztlichen Belange in die Ausbildung im Rahmen der Vorbereitungszeit einzubringen. Angestellte Zahnärzte erfüllten diese Eignung nicht.
Das SG Düsseldorf argumentierte in seinen Gründen weiter, dass der Status des angestellten Zahnarztes dem des Vertragszahnarztes zwar angenähert sei (vgl. BSG, Urteil vom 20.09.1995 – Az. 6 RKa 37/94). Dies gelte allerdings nur insoweit, als angestellte Zahnärzte in fachlich-medizinischer Hinsicht dieselbe Funktion erfüllen wie zugelassene Zahnärzte, ihre Eignung derjenigen eines Vertragszahnarztes entsprechen muss und sie sich in gleicher Weise fortbilden müssten. Der wesentliche Unterschied bestünde dennoch darin, dass angestellte Zahnärzte nicht gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung abrechnen, nicht das wirtschaftliche Risiko ihrer zahnärztlichen Tätigkeit tragen und für die Wahrnehmung des Versorgungsauftrages nur arbeits- und ggf. disziplinarrechtlich, nicht aber persönlich verantwortlich sind. Leistungen des angestellten Zahnarztes würden von dem Praxisinhaber wie eigene Leistungen abgerechnet, zudem hafte dieser für die Erfüllung der vertragszahnärztlichen Pflichten des Angestellten wie für eigene Tätigkeiten. Der Vertragszahnarzt habe den angestellten Zahnarzt bei der Leistungserbringung persönlich anzuleiten und zu überwachen, auch wenn dies nicht seine ständige persönliche Anwesenheit erfordere.
Im Hinblick auf die Unterschiede zwischen angestelltem Zahnarzt und Vertragszahnarzt, insbesondere den reduzierten Kreis von Rechten und Pflichten des angestellten Zahnarztes hielt das Gericht es nicht für vereinbar, angestellten Zahnärzten die Ausbildung von Assistenten zu gestatten. Schließlich verwies das Gericht auf den Wortlaut des § 32 Abs. 4 Zahnärzte-ZV, der es ausdrücklich vorsehe, dass „Vertragszahnärzte“ Assistenten zur Erfüllung der vertragszahnärztlichen Pflichten anzuhalten habe. Auf das seitens der KVZ Nordrhein vorgetragene Argument, die Beschäftigung eines Assistenten dürfe gem. § 32 Abs. 3 Zahnärzte-ZV nicht der Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen, ging das Gericht gar nicht mehr ein.
Daher wurde der Antrag des MVZ und der entsprechenden Assistentin abgewiesen. In der Hauptsache erhoben diese am 13.04.2017 Klage vor dem SG Düsseldorf (Az. S 2 KA 77/17), der Ausgang dieses sowie ggf. höher instanzlicher Verfahren bleibt abzuwarten.
Kritik aus Sicht der zahnärztlichen Praxis
Die Argumente des SG Düsseldorf für seinen Beschluss überzeugen nicht. Darüber hinaus geht diese Entscheidung nicht mit der Zeit und den gesetzlich eröffneten Möglichkeiten, die mit der Gründung eines rein zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentrums und der unbeschränkten Anstellung von Zahnärzten in diesem einhergehen.
Sinn und Zweck der zahnärztlichen Vorbereitungszeit ist es – so führt es auch das SG Düsseldorf aus -, dem Zahnarzt die Bedingungen und Erfordernisse der Erbringung vertragszahnärztlicher Leistungen in eigener Tätigkeit näher zu bringen, um ihn so auf die (mögliche) Tätigkeit als Vertragszahnarzt vorzubereiten. Unmittelbar nach Ableistung dieser Vorbereitungszeit ist der Zahnarzt berechtigt, eine eigene Praxis zu gründen. Fraglich bleibt aber, ob er in diesen zwei Jahren tatsächlich Kenntnisse erlangt hat, die er nur von einem Vertragszahnarzt und nicht auch von einem angestellten Zahnarzt erlangen kann. Auch ein angestellter Zahnarzt weiß, wie im System der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet wird. Es ist nicht nachvollziehbar, wie ein Vertragszahnarzt einem Assistenten das mit der Führung einer Praxis verbundene wirtschaftliche Risiko vermitteln soll, wird ein solches doch typischerweise erst dann spürbar, wenn man es selbst trägt. Darüber hinaus ist jeder Zahnarzt – auch der angestellte – für seine zahnärztliche Tätigkeit in haftungsrechtlicher Hinsicht persönlich verantwortlich, was in der Regel von der Berufshaftpflichtversicherung gedeckt wird.
Weiterhin ist nicht nachvollziehbar, wie ein Vertragszahnarzt, der erst seit kurzer Zeit eine eigene Praxis betreibt, einen Assistenten dahingehend besser ausbilden können soll wie ein angestellter Zahnarzt, der möglicherweise schon deutlich mehr Erfahrung mit der zahnärztlichen Tätigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung hat. Dieser Vergleich zeigt, dass es doch hinsichtlich der Qualität der Ausbildung nicht unbedingt auf den vertragszahnärztlichen Status des ausbildenden Zahnarztes ankommen kann. Vielmehr könnte auf dessen Erfahrung im System der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV) abgestellt werden. Beispielsweise könnte Voraussetzung der Ausbildereigenschaft sein, dass der ausbildende Zahnarzt bereits acht Quartale im gKV-System tätig war – sei dies nun als Vertragszahnarzt oder als angestellter Zahnarzt gewesen.
Für die Einhaltung der vertragszahnärztlichen Vorschriften in einem MVZ ist darüber hinaus der Zahnärztliche Leiter verantwortlich. Damit wird klar, dass der Gesetzgeber offenbar die Möglichkeit vorsehen oder gar „fördern“ wollte, ein Medizinisches Versorgungszentrum nur mit angestellten (Zahn-)Ärzten zu betreiben. Ein Vertragszahnarzt muss nach den gesetzlichen Vorschriften ja auch nicht zwingend in jedem MVZ tätig sein – lediglich die Option bleibt gegeben.
Daneben spricht ein weiteres Argument dafür, dass der Regelungsgedanke des Gesetzgebers nicht mit dem Beschluss des SG Düsseldorf in Einklang zu bringen ist: der Gesetzgeber sieht in § 95 Abs. 6 Satz 4 SGB V vor, dass der Gründer eines Medizinischen Versorgungszentrums dann nicht seine Gründereigenschaft (z.B. „zugelassener Vertragszahnarzt“) verliert, wenn er zu Gunsten einer Anstellung auf seine Zulassung als Vertragszahnarzt verzichtet. Der Beschluss des SG Düsseldorf bedeutet hierauf bezogen in der Konsequenz also, dass ein Vertragszahnarzt einen Vorbereitungsassistenten ausbilden kann, er aber seine Fähigkeit zur Ausbildung verliert, wenn er zu Gunsten einer Anstellung in einem MVZ auf seine Zulassung verzichtet. Das macht nun wirklich keinen Sinn und war so sicher nicht vom Gesetzgeber gemeint!
§ 32 Abs. 3 Zahnärzte-ZV regelt, dass die Beschäftigung von Assistenten nicht der Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen darf. Auf diesen Punkt ging das SG Düsseldorf am Ende gar nicht mehr ein. Dazu an dieser Stelle jedoch Folgendes: in einem Medizinischen Versorgungszentrum wird die Anzahl der möglichen angestellten Zahnärzte nicht beschränkt. Warum aber soll vor diesem Hintergrund nicht auch die Beschäftigung von mehr als einem (wenn überhaupt) Assistenten möglich sein? Damit wäre auch die Vorschrift des § 32 Abs. 3 Zahnärzte-ZV für (zahnärztliche) MVZ nicht (mehr) zeitgemäß. Wer soll denn dann in Zukunft alle Assistenten ausbilden? Definitiv geht der Trend dahin, dass es in Zukunft mehr angestellte Zahnärzte geben wird und die Anzahl der bereits seit der Gesetzesänderung im Juli 2015 gegründeten Medizinischen Versorgungszentren ist bereits exponential gestiegen, die Gründung weiterer MVZ wird voraussichtlich anhalten. Zusammen mit dem Umstand, dass in den nächsten Jahren deutlich mehr Zahnarztpraxen altersbedingt abgegeben als übernommen werden geht der Trend auch eindeutig dahin, dass es in Zukunft weniger Einzelpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften geben soll, in denen definitiv Vertragszahnärzte tätig werden. Wenn sich der Beschluss des SG Düsseldorf durchsetzen würde, hätten die zahnärztlichen Assistenten der Zukunft also eindeutig ein Problem.
Schließlich ist die Parallele zu den ärztlichen Weiterbildungsassistenten an dieser Stelle durchaus nachvollziehbar zu ziehen, auch wenn das SG Düsseldorf in der Sache nur oberflächlich auf diesen Punkt einging, indem es schnell zu dem Ergebnis kam, dass die Vorbereitungs- mit der Weiterbildungszeit ohnehin nicht vergleichbar und daher der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht heranzuziehen sei. Tatsächlich aber begründete das Gericht nur die Tatsache, dass es für Ärzte keine Vorbereitungszeit mehr gibt, und zwar aus dem Grund, da die Inhalte sozusagen in der Weiterbildungszeit inkludiert sind. Das Gericht geht aber nicht auf den Punkt ein, dass angestellte Ärzte (mit einer Weiterbildungsbefähigung) Weiterbildungsassistenten ausbilden können, angestellte Zahnärzte dies aber im Hinblick auf Vorbereitungsassistenten nicht können sollen. Diese Frage stellt sich gerade vor dem Hintergrund, dass die Inhalte einer Vorbereitungszeit Ärzten während der Weiterbildungszeit vermittelt werden sollen! Warum sollen angestellte Ärzte dies vermitteln können, angestellte Zahnärzte aber nicht? Diese Frage lässt das Gericht offen.
Lösungsansatz
Aus all den vorgenannten Gründen empfiehlt es sich, angestellten Zahnärzten, die jedenfalls vier oder auch acht Quartale bereits im vertragszahnärztlichen System (als Vertragszahnärzte oder angestellte Zahnärzte) tätig waren, die Befähigung zur Ausbildung von Vorbereitungsassistenten in einem MVZ zuzusprechen. Insbesondere im Hinblick auf den Regelungsgedanken des Gesetzgebers hinsichtlich Medizinischer Versorgungszentren sowie der stetig steigenden Anzahl an zahnärztlichen MVZ und damit verbunden der stetig steigenden Anzahl an angestellten Zahnärzten im Allgemeinen, bietet sich eine solch zukunftsorientierte Regelung an. Ansonsten müssen frisch approbierte Zahnärzte in Zukunft wohl befürchten, immer schlechter einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Fazit
Der Beschluss des SG Düsseldorf geht eindeutig in die falsche Richtung und berücksichtigt in keiner Weise die Gegenwart und erst recht nicht die Zukunft des Dentalmarkts. Nun handelt es sich bei diesem Beschluss lediglich um eine Entscheidung in einem Eilverfahren, die Hauptsache ist noch nicht entschieden und mag auch – wenn ein Urteil gesprochen wurde – nicht rechtskräftig werden. Daher bleibt zu hoffen, dass sich die Richter in der Hauptsache – spätestens aber in einer höheren Instanz – mehr mit der dentalen Realität beschäftigen. Gerade im Bereich der KZV Nordrhein, die ohnehin bereits als eher restriktiv handelnde bekannt ist, sollte eine solche Entscheidung keinesfalls das letzte Wort bleiben, verschärft sie doch sogar die Praxis der KZV!