10. August 2015

Das Bundeskabinett hat am 29. Juli 2015 den Gesetzesentwurf für die Einführung neuer Straftatbestände der Bestechlichkeit und der Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b StGB) den Weg gebracht sowie die Anwendbarkeit Strafverschärfung für besonders schwere Fälle auf die Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen erstreckt.

Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuches

Hintergrund dieser Gesetzesinitiative ist eine Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012, der festgestellt hatte, dass die bestehenden Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuches (StGB) nicht auf niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Ärzte anwendbar sind. Nach Auffassung des Gesetzgebers sind aber die berufs- und sozialrechtliche Zuwendungsverbote und Sanktionen sowie brancheninterne Initiativen der Medizinprodukte- und Pharmaindustrie zur Prävention und Bekämpfung korruptiven Verhaltens nicht ausreichend und machen eine strafrechtliche Regelung nicht entbehrlich. Um diese Strafbarkeitslücke zu schließen, hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, neue Straftatbestände einzuführen, wodurch Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen auch für niedergelassene Ärzte strafbar werden sollen. Wir hatten hierüber bereits mehrfach berichtet (u.a. Artikel vom 22.07.2013 und 09.02.2015).

Zur Begründung der Notwendig neuer Straftatbestände führt der Gesetzgeber aus, dass einzelne Fälle korruptiver Praktiken im Gesundheitswesen immer wieder Gegenstand von sozialgerichtlicher, wettbewerbs- und berufsgerichtlicher sowie strafgerichtlicher Rechtsprechung gewesen seien. Zu nennen seien beispielsweise Prämienzahlungen von Pharmaunternehmen an Ärzte, mit denen das Verschreibungsverhalten zugunsten eines bestimmten Präparats beeinflusst werden solle. Darüber hinaus seien auch Fälle bekannt geworden, in denen Zuwendungen für die Zuführung von Patienten oder von Untersuchungsmaterial, beispielsweise an eine Klinik, an ein Sanitätshaus oder an ein Labor geleistet worden seien. Auch Fälle, in denen unter Umgehung der geltenden Preisvorgaben auf Bezugs- und Abgabeentscheidungen von Apothekern eingewirkt werde, um unlautere Wettbewerbsvorteile zu erlangen, seien aus der Praxis bekannt. Die Schlüsselstellung von Ärzten und Apothekern im Gesundheitswesen beruhe vor allem auf der Verschreibungs- und Apotheken-pflicht für Arzneimittel sowie auf der Berechtigung zur Verschreibung von Arzneimitteln. Insbesondere die pharmazeutische Industrie sei damit für den Absatz ihrer Produkte wesentlich auf ärztliche und pharmazeutische Verordnungs- und Abgabeentscheidungen angewiesen. Auch nicht-ärztliche Heilberufsgruppen sowie Hersteller von Medizinprodukten seien regelmäßig davon abhängig, dass Ärzte die von ihnen angebotenen Leistungen verordnen und sie an der Behandlung von Patienten beteiligen würden. Dies gelte umso mehr als die Erstattungsfähigkeit nicht-ärztlicher Leistungen regelmäßig eine ärztliche Verordnung voraussetzte. Damit liege insbesondere bei der Ärzteschaft eine Lenkungsfunktion von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung.

Daher hat das Bundeskabinett nunmehr die Vorschriften des § 299a und § 299bStGB auf den Weg gebracht, die den Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen einführen. Diese Straftatbestände sollen gewährleisten, dass heilberufliche Verordnungs-, Abgabe- und Zuführungsentscheidungen frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden.

Die in § 299a StGB geregelte Strafbarkeit der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen soll nicht nur für Ärzte gelten, sondern für sämtliche Angehörige von Heilberufen, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Das bedeutet, dass sowohl Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten und Apotheker als auch die sogenannten Gesundheitsfachberufe wie z. B. Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten unter die neue Vorschrift fallen.

Der Tatbestand des § 229a erfasst das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils, wobei unter den Begriff des Vorteils sämtliche Vorteile fallen, unabhängig davon, ob es sich um materielle oder immaterielle Zuwendungen handelt und ob es sich um einen Vorteil für den Täter oder einen Dritten handelt. Daher können ausweislich der Gesetzesbegründung beispielsweise auch Ehrungen und Ehrenämter unter den Vorteilsbegriff fallen. Darüber hinaus könnten auch Einladungen zu Kongressen, die Übernahme der Kosten von Fortbildungsveranstaltungen oder die Einräumung von Vermögens- oder Gewinnbeteiligungen dazu zählen. Ein Vorteil könne zudem grundsätzlich auch im Abschluss eines Vertrages liegen, der Leistungen an den Täter zur Folge hat, und zwar selbst dann, wenn diese nur das angemessene Entgelt für die von ihm selbst aufgrund des Vertrags geschuldeten Leistungen seien. Demnach könne auch in der Verschaffung von Verdienstmöglichkeiten, die beispielsweise in der Teilnahme an einer vergüteten Anwendungsbeobachtung und im Abschluss eines Behandlungsvertrags zu sehen sind, ein Vorteil liegen. Die Beteiligung an einem Unternehmen im Gesundheitswesen könne ebenfalls zu Zuwendungen von Vorteilen im Sinne von § 299a StGB führen. Eine unzulässige und strafbare Verknüpfung zwischen Unternehmensbeteiligung und medizinischen Entscheidungen könne dann vorliegen, wenn ein Arzt einem Unternehmen, an dem er selbst beteiligt ist, einen Patienten zuführe und er für die Zuführung des Patienten wirtschaftliche Vorteile, etwa eine Gewinnbeteiligung, erhalte. Dieselben Gesichtspunkte seien bei der Zuweisung von Untersuchungsmaterial zur Durchführung von Laboruntersuchungen zu beachten.

Das bloße Annehmen eines Vorteils ist zur Tatbestandsverwirklichung allerdings nicht ausreichend. Der Täter muss den Vorteil vielmehr als Gegenleistung für eine zumindest intendierte unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder für einen ebenfalls zumindest intendierten Verstoß gegen seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung seiner heilberuflichen Unabhängigkeit fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Es bedarf daher einer sogenannten Unrechtsvereinbarung durch die Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung.

Der Gesetzgeber hat zwar auf Kritik der Ärzteschaft am Referentenentwurf reagiert und in die Gesetzesbegründung aufgenommen, dass soweit Verdienstmöglichkeiten im Rahmen der beruflichen Zusammenarbeit eingeräumt werden, zu berücksichtigen sei, dass die berufliche Zusammenarbeit gesundheitspolitisch grundsätzlich gewollt sei und auch im Interesse des Patienten liege. In diesem Zusammenhang nennt der Gesetzgeber Kooperationsvereinbarungen über die Durchführung von vor- und nachstationären Behandlungen (§ 115a SGB V), über die Durchführung ambulanter Behandlungen (§ 115b SGB V) und über die Durchführung ambulanter spezialfachärztlicher Versorgung (§ 116b SGB V) sowie die in den §§ 140a SGB V ff. geregelte sektorenübergreifende Versorgungsform (integrierte Versorgung), bei der Leistungserbringer aus verschiedenen Versorgungsbereichen (beispielsweise Arzt und Krankenhaus) bei der Behandlung von Patienten miteinander kooperieren. Die Gewährung angemessener Entgelte für die in diesem Rahmen erbrachten heilberuflichen Leistungen und dementsprechend die Verschaffung entsprechender Verdienstmöglichkeiten seien zulässig.

Dennoch verbleibt viel Unsicherheit. Kritisiert wird vor allem, dass nach wie vor nicht eindeutig sei, wann Korruption beginne. Auch die enthaltene Formulierung im Gesetzestext, zur Bestechung oder Bestechlichkeit könne auch die Verletzung der „berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit“ gehören, sei durch die weite Auslegungsmöglichkeit nicht eindeutig.

Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Dabei sind jedoch nicht nur betroffene Mitbewerber und ggf. auch Patienten antragsberechtigt. Vielmehr kommt den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Ärztekammern sowie den gesetzlichen und privaten Krankenversicherern eine Schlüsselstellung zu. Sie haben nach den neuen Vorschriften ebenfalls das Recht, Strafanträge gegen ihre Mitglieder zu stellen. Im Referentenentwurf waren die Kassenärztlichen Vereinigungen noch nicht erwähnt. Ob dies zur Folge hat, dass Strafanträge gestellt werden um Anrechnungskonflikte zu lösen bleibt abzuwarten.

Der von der Bundesregierung verabschiedete Entwurf geht zunächst in das parlamentarische Verfahren, so dass mit einem Inkrafttreten der Straftatbestände Anfang 2016 gerechnet werden muss. Daher sollte bereits jetzt bestehende Kooperationen sowohl zwischen Ärzten bzw. Zahnärzten als auch von Ärzten bzw. Zahnärzten mit Angehörigen von Gesundheitsfachberufen sowie mit der Medizinprodukte- und Pharmaindustrie auf den Prüfstand gestellt werden. Auch Vertriebs- und Kundenbindungssysteme von Medizinprodukteherstellern und pharmazeutischen Unternehmen müssen vor dem Hintergrund der neuen Straftatbestände erneut bewertet werden. Sobald die Regelungen in Kraft treten, ist – nicht zuletzt aufgrund der Medienpräsenz der Thematik – damit zu rechnen, dass die Staatsanwaltschaften bestehende Modelle unter die Lupe nehmen werden.

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