20. April 2015

Die nächste Novelle des Gesundheitsrechts steht an. Der Deutsche Bundestag hat am 11. Juni 2015 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-VSG) verabschiedet. Jetzt muss das Gesetz nur noch den Bundesrat passieren, so dass voraussichtlich noch in diesem Sommer mit dem Inkrafttreten gerechnet werden kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll zukünftig unter anderem die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in überversorgten Gebieten erschwert werden. Zwar hat der Gesetzgeber den Aufkauf von Arztsitzen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch etwas entschärft. Dennoch enthält das Gesetz Änderungen die eine Nachbesetzung in stark überversorgten Gebieten nur noch als Ausnahme zulassen. Zudem soll eine bislang mögliche Nachbesetzungsgestaltung durch eine kurzfristige gemeinsame Zusammenarbeit verhindert werden.

Praxisabgabe/Praxisverkauf: Ablehnung der Nachbesetzung soll in überversorgten Gebieten der Regelfall werden

Bereits mit der vergangenen Gesundheitsreform, dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz, wurde zum Zweck des Abbaus der Überversorgung eingeführt, dass der zuständige Zulassungsausschuss den Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens in überversorgten Gebieten ablehnen kann, wenn die Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Durch die Formulierung dieser Regelung als sog. „Kann-Vorschrift“ hatten die Zulassungsausschüsse bei der Entscheidung über die Nachbesetzung bislang ein großes Ermessen. Dies hat dazu geführt, dass nach Auffassung des Gesetzgebers von der Möglichkeit der Ablehnung der Nachbesetzung seitens der Zulassungsausschüsse bislang zu wenig Gebrauch gemacht wurde. Daher plant der Gesetzgeber nunmehr, diese „Kann-Vorschrift“ in eine „Soll-Vorschrift“ umzuwandeln. Damit schränkt der Gesetzgeber in Zukunft das Ermessen der Zulassungsausschüsse stark ein, so dass die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens in überversorgten Gebieten nur noch die Ausnahme und nicht mehr die Regel darstellen soll. Entgegen dem ursprünglichen Gesetzesentwurf gilt dies zwar „nur“ ab einem Grad der Überversorgung von mehr als 140 Prozent, und nicht mehr bereits ab einem Grad der Überversorgung von mehr als 110 Prozent. Trotzdem ist die Grenze von mehr als 140 Prozent in Ballungsgebieten schnell erreicht.

In Überversorgten Gebieten soll die Nachbesetzung nur noch erfolgen, wenn sie aus Versorgungsgründen erforderlich ist

Aufgrund der Soll-Regelung haben die Zulassungsausschüsse zwar nach wie vor die Möglichkeit, einem Antrag auf Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes auch in bedarfsplanungsrechtlich überversorgten Planungsbereichen zu entsprechen, allerdings nur dann, wenn sie dies aus Versorgungsgründen für erforderlich halten. Versorgungsgründe für eine Nachbesetzung können nach Auffassung des Gesetzgebers beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn ein besonderer lokaler oder qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf besteht oder ein Arztsitz einer speziellen Fachrichtung weiterhin benötigt wird. Weitere Versorgungsgründe seien denkbar. Dabei könnten auch Mitversorgungsaspekte, Versorgungsbedürfnisse von Menschen mit Behinderung oder der Erhalt des besonderen Versorgungsangebots eines Medizinischen Versorgungszentrums oder einer Berufsausübungsgemeinschaft eine Rolle.

Im Falle der Ablehnung muss die Kassenärztliche Vereinigung eine Entschädigung zahlen

Sofern der Zulassungsausschuss die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens ablehnt, muss die Kassenärztliche Vereinigung dem Praxisinhaber eine Entschädigung „in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis“ zahlen. Mit der Erstattung des Verkehrswertes der Praxis kann jedoch eine erhebliche Vermögenseinbuße einhergehen. Weder der Gesetzesentwurf noch die Gesetzesbegründung regelt, wie sich dieser errechnen soll. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Praxis den Verkehrswert solcher Praxen bestimmen werden.

Gesetzesentwurf lässt weiterhin Ausnahmen zu

Wie schon jetzt sieht das Gesetz Ausnahmen vor, bei deren Vorliegen der Zulassungsausschuss die Nachbesetzung nicht verweigern darf. Dies betrifft in erster Linie die Fälle, in denen Ehepartner, Lebenspartner und Kinder ein Interesse am Praxissitz haben. Auch wenn die Praxis durch Ärzte fortgeführt werden soll, die zuvor mindestens fünf Jahre in einem unterversorgten Gebiet tätig waren, dürfen die Zulassungsausschüsse dem Nachbesetzungsverfahren in einem an sich gesperrten Planungsbereich zustimmen.

Bisherige Nachbesetzungsgestaltung soll künftig verhindert werden

Eine weitere Ausnahme besteht für Ärzte, die zuvor mit dem abgebenden Praxisinhaber gemeinsam tätig waren. Allerdings muss diese gemeinsame Tätigkeit zukünftig mindestens drei Jahre bestanden haben. Damit versucht der Gesetzgeber eine bislang mögliche Gestaltung der Nachbesetzung zu unterbinden. Die vorgeschriebene Mindestdauer der gemeinsamen Tätigkeit von drei Jahren soll nach dem Willen des Gesetzgebers verhindern, dass Vertragsärzte die Regelungen zum Abbau von Überversorgung durch ein nur kurzzeitiges Anstellungs- oder Jobsharing-Verhältnis umgehen.

Zukünftig muss die Nachfolge langfristig geplant werden

Daher müssen Praxisinhaber ihre Nachfolge in überversorgten Gebieten in Zukunft langfristig planen. Möchten Praxisinhaber sicher gehen, dass für ihren Arztsitz ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird, reicht zukünftig – wie dargestellt – die kurzfristige gemeinsame Tätigkeit mit dem potentiellen Nachfolger nicht mehr aus. Gleiches soll für den Zulassungsverzicht zugunsten einer Anstellung gelten. Deswegen muss langfristig ein Nachfolger gesucht werden oder über Alternativen nachgedacht werden. In überversorgten Gebieten kann auch ein frühzeitiges Gespräch mit dem Zulassungsausschuss ratsam sein, ob eine Ablehnung des Nachbesetzungsantrags droht. Sofern die Nachbesetzung durch den Zulassungsausschuss abgelehnt wird, sollten Ärzte das Gespräch mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung suchen, um eine angemessene Entschädigungszahlung für die Praxis zu erzielen. Hier empfiehlt es sich, im Vorfeld Rechtsrat einzuholen und gegebenenfalls durch ein eigenes Gutachten den Praxiswert vorab berechnen zu lassen.

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