Auf dem Ärztetag Anfang Juni in Kiel wurden maßgebliche Änderungen der Muster-Berufsordnung beschlossen.
In der Ärztezeitung wurde Dr. Udo Wolter, Vorsitzender des Ausschusses „Berufsordnung“ der Bundesärztekammer (BÄK) und Präsident der Ärztekammer Brandenburg dazu wie folgt zitiert: „Wir haben die Berufsordnung unter anderem an eine geänderte Rechtsprechung angepasst und die Vorgaben zu den ärztlichen Berufspflichten durch eine Neustrukturierung justiziabel gemacht“.
Die Wahrheit ist wohl eher, dass man auch weiterhin der Rechtsprechung hinterherläuft. Immer wieder werden Regelungen der Berufsordnungen durch den Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, da die jeweils geltenden Berufsordnungen nur allzu oft das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit in unzulässiger Weise einschränken.
Und auch dieses Mal ist es absehbar, dass die neuen Regelungen zumindest teilweise vom Verfassungsgericht als nichtig beurteilt werden.
So ist beispielsweise im Zusammenhang mit der Thematik “Wartezimnmer-TV” festgelegt worden, dass ein TV-Gerät im Wartezimmer erlaubt ist, wenn das Gerät von den Patienten ausgeschaltet werden kann.
Selbst wenn man alle verfassungsrechtlichen Bedenken bei Seite schiebt, stellt sich einem die Frage, wer eigentlich auf solche Regelungen kommt? Gibt es etwa Ärzte, die das Wartezimmer-TV auch gegen den Willen ihrer Patienten angeschaltet lassen? Warum muss so etwas in einer Berufsordnung geregelt werden? Hilft das den Patienten oder der Ärzteschaft? Zweifel sind erlaubt und wohl auch angebracht. Und gibt es in Zukunft dann anonyme Kontrollbesuche in der Praxis um herauszufinden, dass der Arzt sich an die Regelung hält und der Patient das Wartezimmer-TV ausschalten darf?
Das ganze wird dann im Deutschen Ärzteblatt mit der Überschrift „Ärztliche Unabhängigkeit gestärkt“ verkauft (Deutsches Ärzteblatt, 2011, 1285).
In der Ärztezeitung lässt sich Wolter auch mit dem Satz zitieren, dass die jetzige Anpassung der Muster-Berufsordnung das Ergebnis von mehreren Jahren Arbeit sei. Bei dieser jahrelangen Arbeit ist dann zum Beispiel der neue § 29 Abs. 5 Muster-Berufsordnung herausgekommen:
„Ärztinnen und Ärzte dürfen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht diskriminieren und haben insbesondere die Bestimmungen des Arbeits- und Berufsbildungsrechts zu beachten.“
Wer hätte das gedacht? Gut, dass das noch mal in der Muster-Berufsordnung geregelt wurde…
Neben diesen zum Teil wundersamen Regelungen gibt es aber auch sinnvolle Änderungen und Ergänzungen in der Musterberufsordnung:
So sind Ärztinnen und Ärzte nun gem. § 30 Muster-Berufsordnung verpflichtet, in allen vertraglichen und sonstigen beruflichen Beziehungen zu Dritten ihre ärztliche Unabhängigkeit für die Behandlung der Patientinnen und Patienten zu wahren.
Anwendungsbeobachtungen, die „zur Verdeckung unzulässiger Zuwendungen“ durchgeführt werden, sind nun ausdrücklich verboten, § 33 Muster-Berufsordnung.
Und im neu hinzugefügten § 12 Abs 4 Muster-Berufsordnung ist geregelt, dass vor dem Erbringen von Leistungen, deren Kosten erkennbar nicht von einer Krankenversicherung oder von einem anderen Kostenträger erstattet werden, Ärztinnen und Ärzte die Patientinnen und Patienten schriftlich über die Höhe des nach der GOÄ zu berechnenden voraussichtlichen Honorars sowie darüber informieren müssen, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch eine Krankenversicherung oder einen anderen Kostenträger nicht gegeben oder nicht sicher ist.
Klargestellt wurde zudem, das die Aufklärung umso ausführlicher und eindrücklicher über erreichbare Ergebnisse und Risiken zu erfolgen hat, je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten oder je größer ihre Tragweite ist.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die neue Berufsordnung sich lediglich dem von der Rechtsprechung vorgegebenen Status Quo anpasst. Gleichzeitig wurden neue Regelungen geschaffen, die den Gerichten wieder ausreichend Gelegenheit geben werden, die Berufsordnung zu beanstanden.