24. Juli 2013

Richtgrößenprüfungen sind für viele niedergelassene Ärzte ein ständig drohendes Unheil, insbesondere da im Falle einer Überschreitung erhebliche Regressforderungen zu befürchten sind. Mit dem durch den GKV Versorgungsstrukturgesetz normierten Grundsatz „Beratung vor Regress“ wurde das Unheil zwar verringert, jedoch nicht beseitigt. Ausweislich des neuen Paragraphen 106 Abs. 5 e SGB V ist bei einer erstmaligen Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % ein Regress ausgeschlossen.

Wie so häufig lassen Gesetzestexte jedoch verschiedene Interpretation zu, so auch in diesem Fall. In der Folge sind noch zahlreiche Fragen hinsichtlich der Auswirkung des Grundsatzes offen. Zumindest die Frage, ob der betroffene Arzt auch gegen einen „Beratungs“-Bescheid klagen kann, wurde nun vom BSG bejaht. Die Richter des BSG stellten klar, dass grundsätzlich bereits eine Klagebefugnis besteht, wenn der Arzt lediglich durch eine „Beratung“ belastet ist.

Gegenstand des Verfahrens war eine Überschreitung mit der Arzneiverordnung für Richtgrößen aus dem Jahr 2006. Der Prüfungsausschuss setzte aufgrund einer Überschreitung von mehr als 25 % einen Regress gegen die Ärztin fest. Im Rahmen des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens wandelte der Beschwerdeausschuss den Regress in eine Beratung um. Hiergegen legte die betroffene Gemeinschaftspraxis Klage zum Sozialgericht ein, welche letztlich bis zum BSG gelangte. Das BSG sah die Klage als unbegründet an, bestätigte jedoch die Zulässigkeit der Klage gegen die beschiedene Beratung.

Beratung vor Regress

Da ausweislich der gesetzlichen Regelung ein Regress erst möglich ist nachdem eine Beratung durchgeführt wurde, dürfte die Entscheidung zukünftig durchaus relevant werden. Ausgehend vom Wortlaut der neuen Norm, als auch der Gesetzesbegründung, würde eine nachträglich als rechtswidrig eingestufte und aufgehobene Beratungsentscheidung des Beschwerdeausschusses dazu führen, dass zeitlich spätere Prüfverfahren nicht durch einen Regress beendet werden können, da es an der vorgeschriebenen Beratung fehlt. Wie die Gerichte diese Konstellation abschließend bewerten, bleibt jedoch abzuwarten.

Abschließende Aussagen zu der Auswirkung der Gesetzesänderung lassen sich ohnehin derzeit nicht treffen. So muss festgestellt werden, dass keine einheitliche Handhabe zu erkennen ist. Gerade bei Altfällen, d.h. Prüfverfahren, die noch nicht durch Widerspruchsbescheid beendet wurden, sind ganz erhebliche Unterschiede feststellbar. Beispielsweise vertreten die ganz überwiegende Anzahl an Prüfstellen eine arztfreundliche Auffassung und wenden die Regelungen auf alle noch nicht durch Widerspruchsbescheid abgeschlossenen laufenden Regressverfahren an und stellen eine erneute Regressierung erst dann in Aussicht, wenn zuvor eine entsprechende Beratung beschlossen wurde. Andere Prüfstellen, wie z.B. in Nordrhein vertreten die Auffassung, dass in der Vergangenheit verhängte Regresse mitzuzählen sind und daher eine Anwendbarkeit der Beratungsregelung bei den betroffenen Ärzten ausgeschlossen sei. Diese Begründung kann jedoch aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Gesetzesbegründung nicht überzeugen. Letztlich erscheint auch hier eine abschließende Entscheidung des BSG erforderlich um eine bundesweit einheitlich Rechtslage zu schaffen. Es bleibt daher abzuwarten, welche Auffassung sich schlussendlich durchsetzen wird.

Unabhängig davon wie die verschiedenen offenen Fragen beantwortet werden, lässt sich bereits jetzt feststellen, dass für eine Vielzahl der betroffenen Ärzte die gesetzliche Einführung des Grundsatzes „Beratung vor Regress“ ein Geschenk war. Hierdurch ließ sich eine Vielzahl noch offener Verfahren beenden und horrende Regresszahlungen vermeiden. Dennoch sollte die Möglichkeit zunächst eine Beratung zu erhalten bevor überhaupt ein Regress festgesetzt wird, nicht leichtfertig vergeben werde. Daher ist im Einzelfall gründlich zu prüfen, ob gegen den Beratungsbescheid sinnvoll vorgegangen werden sollte.

 

Sind Sie von einem Regressverfahren betroffen? Der Autor dieses Artikels, Rechtsanwalt Guido Kraus ist auf die Beratung von Ärzten in solchen Verfahren spezialisiert. Gerne ruft er Sie bei Bedarf zurück: [maxbutton id=“1″]

Kategorien
Newsletter
Wollen Sie unter den Ersten sein, die über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitsrecht und der Gesundheitspolitik informiert werden?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.