23. März 2009

Bei der Entscheidung zwischen einer Augmentation mit Bio-Oss oder einer möglichen Gewinnung des Knochenmaterials aus dem Beckenkamm des Patienten handelt es sich um echte Behandlungsalternativen, über die vor der Behandlung aufzuklären ist. Dies hat das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung von 29.07.2008 (AZ: 1 U 148/07) zum Aufklärungsumfang klar gestellt.

Bei der Klägerin wurde im Jahre 2005 eine umfangreiche Implantatversorgung mit fünf Schraubenimplantationen inklusive einer Sinusbodenelevation vorgenommen. Die Klägerin machte im Anschluss an die vorgenommene Behandlung eine Reihe von Behandlungsfehlern geltend, die aufgrund massiver Schmerzen und einer Materialunverträglichkeit zur Entfernung der Implantate geführt hätten. Mit ihrer Klage forderte die Klägerin daher eine Schmerzensgeld in Höhe von €5 .000,– und beantragte die Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Schäden.

Das Landgericht Stuttgart hatte mit seiner Entscheidung vom 06.11.2007 die Klage in der ersten Instanz vollumfänglich abgewiesen. Dieses Urteil wurde nunmehr vom OLG Stuttgart bestätigt. Insbesondere der geltend gemachte Aufklärungsfehler führte zu keiner Haftung des beklagten Zahnarztes, obwohl er die erforderliche Aufklärung tatsächlich unterlassen hatte.

Das Gericht führte aus, dass der Patient über echte Behandlungsalternative aufzuklären sei. Zwar sei grundsätzlich die Wahl der Behandlungsmethode Sache des Zahnarztes. Bestehen aber mehrere, medizinisch gleichermaßen indizierte Behandlungsmöglichkeiten mit wesentlich unterschiedlichen Risiken oder Erfolgsaussichten, ist der Patient hierüber aufzuklären, damit er in Ausübung seines Selbstbestimmungsrecht die Entscheidung für die eine oder andere Behandlungsmöglichkeit eigenverantwortlich treffen kann.

Darüber hinaus ist der Patient über die typischen Risiken aufzuklären. Das OLG hielt aufgrund der Sachverständigenerläuterungen nicht für ausgeschlossen, dass über das Risiko einer Kollagenallergie bei der Verwendung der Membran Bio-Gide aufzuklären sei. Weder hierüber, noch über die Behandlungsalternative der Gewinnung und Verwendung eigenen Knochenmaterials habe der Beklagte aufgeklärt, so dass ein Aufklärungsfehler grundsätzlich zu bejahen sei.

Im Ergebnis konnte eine Haftung des Beklagten gleichwohl trotz der fehlenden Aufklärung ausgeschlossen werden, da das Gericht eine hypothetische Einwilligung des Patienten angenommen hat. Von einer hypothetischen Einwilligung des Patienten ist dann auszugehen, wenn der Patient sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung für die gleiche Behandlung entschlossen hätte. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Patient plausibel darlegt, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte.

Dies vermochte die Klägerin in diesem Verfahren nicht darzulegen. Vielmehr hat das Gericht angenommen, dass die Klägerin sich auch bei entsprechender Aufklärung für die Behandlung mit Knochenersatzmaterial entscheiden hätte.

Somit konnte ein Schaden der Klägerin und damit die Haftung des Beklagten trotz fehlerhafter Aufklärung ausgeschlossen werden.

Fazit:

Die Frage der hypothetischen Aufklärung ist stets eine Einzelfallbeurteilung, die das Gericht aufgrund einer eigenen Bewertung der Sachlage vornimmt. Keinesfalls sollten sich implantierende Zahnärzte auf das Ergebnis dieses Verfahrens verlassen. Vielmehr sollte der Zahnarzt ausführlich über die Vor- und Nachteile von Knochenersatzmaterialen gegenüber der Verwendung von Eigenknochenmaterialen aufklären und den Inhalt des Gesprächs dokumentieren. Aufgrund der Entscheidung empfiehlt sich bei der Verwendung der Membran Bio-Gide grundsätzlich auch auf das Risiko einer Kollagenallergie hinzuweisen.

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