20. Mai 2012
von ref. jur. Laura Oprée

I. Vorgehensweise des Internetportals

Internetplattformen wie „2te-zahnarztmeinung.de“ gibt Patienten die Möglichkeit gegen Entrichtung eines geringen Entgelts den Heil- und Kostenplan ihres Zahnarztes auf der Seite einzustellen. Teilnehmende Zahnärzte habe sodann die Möglichkeit die eingestellten Unterlagen zu bewerten und eine eigene Kostenaufstellung abzugeben. Nach Beendigung der Laufzeit werden dem Patienten die fünf preisgünstigsten Angebote präsentiert. Entscheidet er sich für eines der Angebote, so werden Patient und Arzt die jeweiligen Kontaktdaten übermittelt und der Patient hat die Möglichkeit ein verbindliches Angebot einzuholen. Kommt es zum Abschluss eines Behandlungsvertrages mit dem vermittelten Arzt, so muss dieser dem Portal ein Entgelt von 20% des vereinbarten Honorars zahlen.

II. Urteil des BGH vom 01.12.2010 (Az.: I ZR 55/08)

Gegen die Betreiber dieser Internetplattform hatten zwei in Bayern ansässige Zahnärzte auf Unterlassung geklagt und einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und die Berufsordnung der bayerischen Zahnärzte moniert. Der BGH kassierte mit seiner Entscheidung die vorinstanzlich stattgebenden Urteile und wies die Klage ab.

Es handle sich nicht um eine Form des unlauteren Verdrängungswettbewerbs im Sinne des § 8 Abs. 2 der Berufsordnung. Vielmehr sei die Verdrängung des zahnärztlichen Kollegen durch ein günstigeres Angebot lediglich Ausdruck eines grundsätzlich erwünschten Wettbewerbs. Die Erstellung eines Gegenangebots stelle eine zulässige Information über die eigene Berufstätigkeit und keine Form von vergleichender Werbung dar.

Auch verstießen die Zahnärzte mit der Zahlung eines Anteils ihres Honorars an die Internetplattform nicht gegen § 8 Abs.5 der Berufsordnung, der es verbietet für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt zu versprechen. Der Betreiber der Seite erhalte das Entgelt nämlich nicht nur als Provision für die Vermittlung von Patienten, sondern insbesondere für die Ermöglichung der Nutzung der Plattform.

III. Urteil des BGH vom 24.03.2011 (Az.: III ZR 69/10)

Die wettbewerbs- und berufsrechtliche Zulässigkeit des Geschäftsmodells wurde durch den BGH in einem jüngeren Urteil bestätigt.

Insbesondere könne nicht regelhaft davon ausgegangen werden, die konkurrierenden Ärzte würden unter Verletzung ihrer allgemeinen Berufspflichten unseriöse oder unsorgfältige Angebote abgeben. Auch fehle es an Anhaltspunkten dafür, dass die Behandlungen ohne volle Kostendeckung und dadurch qualitativ minderwertig durchgeführt würden.

Weiterhin sei die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien nicht als sittenwidrig anzusehen. Das Interesse der Patienten daran, sich einen Überblick über Möglichkeiten zu verschaffen, bei kostenintensiven zahnärztlichen Behandlungen Geld zu sparen, sei vielmehr als berechtigt anzuerkennen.

IV. Urheberrechtliche Aspekte

Bislang unbeachtet geblieben ist die Frage der Vereinbarkeit solcher Konzepte mit urheberrechtlichen Vorgaben.

Der Patient stellt nämlich im Rahmen der Suche nach Alternativangeboten den Heil- und Kostenplan seines behandelnden Zahnarztes als Diskussions- und Verhandlungsgrundlage in das Forum ein. Dabei wird in der Regel das Original des Textes eingescannt und zugänglich gemacht.

Dieser Vorgang könnte als unzulässige Veröffentlichung bzw. Vervielfältigung gegen Normen des Urheberrechts verstoßen. Diese urheberrechtliche Relevanz des Vorgehens war nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.

Es besteht für den betroffenen Zahnarzt auch ein nachvollziehbares Interesse an der Verhinderung einer Veröffentlichung, denn die Erstellung des Heil- und Kostenplans, welche für die Arzt einen Arbeitsaufwand darstellt, wird als solche nicht vergütet, sondern soll durch das Honorar für die nachfolgende ärztliche Leistung mit abgegolten werden. Im Falle eines Abwerbens würde die Fertigung des Plans letztlich unvergütet bleiben und dem abwerbenden Arzt sogar als Kalkulationsgrundlage dienen.

Demgegenüber steht die aus den Entscheidungen des BGH erkennbare Tendenz zu einer weitgehenden Liberalisierung des Gesundheitsmarktes. Es wird insbesondere auf den grundsätzlich erwünschten Wettbewerb hingewiesen, der durch die Plattformen vereinfacht wird. Denn es wäre den Patienten aufgrund der freien Arztwahl auch grundsätzlich möglich, auf eigene Faust ein Vergleichsangebot bei einem konkurrierenden Zahnarzt unter Hinweis auf einen bestehenden HKP einzuholen.

1. Das urheberrechtliche Werk

Die zentrale Frage für das Bestehen eines urheberrechtlichen Schutzes ist, ob in dem Heil- und Kostenplan als solchem eine durch das UrhG geschützte Leistung gesehen werden kann. Diese Frage wurde – soweit ersichtlich – noch nicht gerichtlich geklärt.

Urheberrechtlichen Schutz im eigentlichen Sinne können nur „Werke“ genießen. In Betracht käme im vorliegenden Fall das sogenannte Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.1 UrhG. Der Werkbegriff ist dabei sehr weit auszulegen und umfasst beispielsweise auch rein technische oder Gebrauchstexte. Voraussetzung ist nach § 2 Abs.2 UrhG jedoch, dass es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handelt.

Dies setzt im Allgemeinen vier Elemente voraus. Das potentielle Werk muss (1) persönlich erschaffen worden sein, (2) eine wahrnehmbare Form gefunden haben, (3) Individualität aufweisen und (4) die notwendige Gestaltungshöhe erreicht haben (Nordemann/Czychowski in: Münchner Anwaltskommentar Gewerblicher Rechtsschutz, §44, Rn.203).

Der Heil- und Kostenplan wird durch den Zahnarzt persönlich geschaffen und durch die Übergabe eines entsprechenden Ausdrucks auch sinnlich wahrnehmbar. Fraglich ist jedoch, ob das Schriftstück eine hinreichende Individualität und „Gestaltungshöhe“ erreicht, um Gegenstand eines urheberrechtlichen Schutzes zu werden. Denn die notwendige Individualität kann sich nur aus dem ergeben, was auch auf der geistigen und schöpferischen Leistung des Urhebers beruht. Wichtig für den urheberrechtlichen Schutz von wissenschaftsbezogenen Sprachwerken ist dabei, dass der Schutz nicht wie etwa bei Romanen an den (ersonnenen) Inhalt sondern vielmehr an die äußere Ausgestaltung anknüpft.

Aufgrund entsprechender europarechtlicher Vorgaben ist die Schutzuntergrenze bei Sprachwerken jedoch sehr niedrig. Urheberrechtsschutz kommt also auch Werken mit geringerem schöpferischen Wert (der sogenannten „kleinen Münze“) zu. Es dürfen daher keine überzogenen qualitativen Kriterien angelegt werden. Auch ein geringes Maß an Individualität wird weitgehend als ausreichend angesehen.

Bezüglich des Vorliegens eines ausreichenden Maßes an Individualität nimmt z.B. das OLG Nürnberg folgende Abgrenzung vor: Der Schutzgegenstand könne auch in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes sowie der Art der Darstellung liegen. Individualität fehle nur dann, wenn dem Urheber der geistige Gehalt seines Werks durch den Gegenstand der Darstellung, durch die verwendete Fachterminologie oder durch sonstige Übung so vorgegeben ist, dass kein Raum für eigene Entscheidungen verbleibe (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2001, 225, 226f.).

Es ist jedoch bereits fraglich, ob der Heil- und Kostenplan eines Zahnarztes diesen Mindestanforderungen gerecht werden kann.

Gerade bezüglich der äußeren Ausgestaltung eines HKP ist der Zahnarzt an konkrete Vorgaben gebunden. So ist etwa bei gesetzlich Versicherten die Nutzung eines speziellen Vordrucks vorgesehen, der die Eintragung von Daten und Informationen in vorgegebenen Feldern erfordert. Lediglich bei privat Versicherten bleiben insoweit geringfügige formale Spielräume.

Es ist daher davon auszugehen, dass – zumindest bezogen auf gesetzlich versicherte Patienten – aufgrund des spezifischen Gegenstandes des Schriftstückes und der damit einhergehenden klaren gesetzlichen Reglementierungen der gestalterische Spielraum des Zahnarztes nahezu vollständig beschränkt ist. Es bleibt aufgrund der klaren Vorgaben letztlich kaum Raum für eine durch Individualität gekennzeichnete persönliche geistige Schöpfung.

Dies entspricht auch der Intention der GOZ. Der HKP dient nämlich der Information des Patienten darüber, welche Leistungen geplant und wie hoch die zu erwartenden Kosten sind. Sinn und Zweck ist also letztlich die Kostentransparenz und Vergleichbarkeit. Diesem Ziel würde der Vorschlag einer möglichst „individuellen Gestaltung“ des HKP zuwiderlaufen, da eine abweichende Gestaltung zulasten der Übersichtlichkeit gehen würde.

Im Bereich der privat Versicherten bleiben dem Arzt gewisse Entscheidungsspielräume hinsichtlich der äußeren Gestaltung seines Heil- und Kostenplans, die allerdings ebenfalls durch das Gebot der Übersichtlichkeit und Kostentransparenz beschränkt werden.

Es muss daher im jeweiligen Einzelfall entschieden werden, ob das Schriftstück den Anforderungen an einen urheberrechtlichen Schutz gerecht wird.

2. Verstoß gegen das UrhG

Gemäß § 12 UrhG hat allein der Urheber selbst das Recht, zu bestimmen, ob und auf welche Weise sein Werk veröffentlicht, also der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Hierfür ist es ausreichend, wenn die Allgemeinheit oder ein Teil von ihr die Möglichkeit der Wahrnehmung hat. Es genügt auch das Einstellen auf eine Internetseite. (Schmid/Wirth, §6, Rn.2)

Weiterhin hat der Urheber gemäß § 15 UrhG das ausschließliche Recht sein Werk in körperlicher Form zu verwerten. Hierzu gehört auch das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG, von dem auch das Hochladen von Dateien im Internet umfasst ist.

In diese Rechte des Zahnarztes als Urheber würde durch das Einstellen eines urheberrechtlich geschützten Werkes in eine Internetplattform verstoßen.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass dem Patienten durch die Aushändigung des Plans weitergehende Nutzungsrechte im Sinne des § 31 UrhG eingeräumt werden sollen. Sind die Nutzungsarten durch den Arzt nicht eindeutig festgelegt, so orientiert sich der Umfang der Nutzungsrechte gemäß der Auslegungsregel des § 31 Abs.5 UrhG nach dem Vertragszweck. Es dürfte sich demnach um ein einfaches Nutzungsrecht handeln, welches sich auf die Aufnahme in die persönlichen Unterlagen und die Vorlage beim jeweiligen Kostenträger beschränken dürfte. Dies könnte auch durch den Arzt in einer entsprechenden Klausel klargestellt werden.

In einem Fall des Verstoßes würden dem Arzt die in den §§ 97 ff UrhG geregelten Ansprüche, etwa auf Beseitigung, Unterlassen oder Schadensersatz zustehen.

V. Fazit

Das Bestehen eines urheberrechtlichen Schutzes des Heil- und Kostenplans eines Zahnarztes erscheint aufgrund der geringen schöpferischen Spielräume und der klaren formalen Vorgaben äußerst fraglich. Die Anerkennung einer schöpferischen Freiheit würde insbesondere der Intention von Übersichtlichkeit, Vergleichbarkeit und Kostentransparenz zuwiderlaufen.

Aufgrund europarechtlicher Vorgaben, die von einem sehr weiten Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks ausgehen, ist die Annahme eines entsprechenden Schutzes durch die Gerichte im Einzelfall jedoch nicht ausgeschlossen.

Im Ergebnis bleibt abzuwarten, ob die Gerichte die Position der Zahnärzte insoweit stärken und ihnen einen umfassenderen Schutz zubilligen.

 

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