8. Februar 2011

Sämtliche zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Berufsträger werden in regelmäßigen Abständen zuM entsprechenden Bereitschaftsdienst eingeteilt. Dadurch soll die Versorgung der Patienten auch zu unüblichen Praxisöffnungszeiten sichergestellt werden. Oftmals gelingt dies trotz der bestehenden Verpflichtung nur in ungenügender Weise. Einige Kassenärztliche Vereinigungen versuchen daher in der jüngsten Zeit, durch eine Steigerung des Vergütungssatzes einen gewissen Anreiz zur Ableistung dieser Dienste zu schaffen. Trotz dieser Versuchung sollten stets die hiermit verbundenen Risiken im Hinterkopf bewahrt werden.

So sollte ein zum Bereitschaftsdienst eingeteilter Arzt angesichts der aktuellen Rechtsprechung dabei sicherstellen, dass er nicht nur telefonisch, sondern auch tatsächlich für eventuelle Notfallpatienten erreichbar ist.
In diesem Sinne hat das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Gießen vor kurzem entschieden. Das Gericht nahm einen Verstoß gegen die ärztliche Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung an, verurteilte einen Allgemeinmediziner zu einer Geldbuße in Höhe von 3.000,- € und erteilte ihm einen Verweis. Der Arzt hatte eine Notfallpatientin in seine Praxis bestellt und dann die Klingel nicht gehört. Die Patientin verstarb noch in der Nacht an einem Herzinfarkt (vgl. VG Gießen, Entscheidung vom 20.10.2010, Az.: 21 K 3235/09).

Hintergrund

Die Praxisräume des an dem Wochenende vom 01. bis zum 03.12.2006 zum Notfalldienst eingeteilten Allgemeinmediziners befanden sich im Erdgeschoss seines Wohnhauses. Zwischen 21 Uhr und 22 Uhr hatte er einen Anruf erhalten, wonach es einer älteren Dame sehr schlecht gehen sollte. Er bestellte die Dame sodann für 23 Uhr in seine Praxis. Dorthin begab sich die Patientin zum vereinbarten Zeitpunkt unter Begleitung einiger Verwandter. Trotz mehrfachen Betätigung aller sich im Eingangsbereich des Hauses befindlichen Klingelknöpfe wurde die Tür nicht geöffnet. Aufgrund des sich verschlechternden Gesundheitszustands der älteren Dame entschlossen sich die Verwandten dazu diese in das nächstgelegene Krankenhaus zu bringen. Dort musste die Dame längere Zeit in der Notaufnahme warten bis einem Arzt schließlich ihr schlechter Gesundheitszustand auffiel. Bei einer anschließenden Untersuchung wurde ein schwerer Herzinfarkt festgestellt, an dem die Dame noch in der Nacht verstarb.

Ein von Seiten der Staatsanwaltschaft gegen den Arzt eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung wurde eingestellt.

Das sodann durch die Landesärztekammer Hessen eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen Berufspflichten führte zu einer Anschuldigung beim Berufsgericht für Heilberufe. Der Arzt trug vor, dass er zwischen 23 und 23.20 Uhr vergeblich in seinen Praxisräumen auf die angekündigte Patientin gewartet habe. Er bestritt, ein Klingeln an der Praxistür vernommen zu haben. Das Gericht gelangte nach einer umfangreichen Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass die Dame tatsächlich vergeblich an der Eingangstür der Praxis geläutet haben muss.

Entscheidung des Gerichts zum Bereitschaftsdienst

Das VG Gießen verurteilte den Arzt wegen Verstoßes gegen seine Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung gemäß § 22 Hessisches Heilberufsgesetz. Nach Auffassung der Richter hat ein Arzt, der gemäß § 23 Hessisches Heilberufsgesetz zum Notfalldienst eingeteilt sei, alle Personen in Obhut nehmen müsse, die um ärztliche Hilfe nachsuchen. Der Arzt müsse insoweit sicher stellen, dass er tatsächlich und nicht nur telefonisch erreichbar sei, solange es sich nicht um ein erkennbar überflüssiges, unsinniges oder aus sonstigen Gründen für den Arzt nicht zumutbares Ansinnen um ärztlichen Beistand handele. Die Verpflichtung zur Leistung ärztlicher Fürsorge im Notfalldienst beinhalte eine Prüfung des vorgetragenen oder vor Augen geführten Leidens. Eine tatsächliche Heilbehandlung müsse nicht unbedingt durchgeführt werden. Der Arzt sei vielmehr nur verpflichtet, sein ärztliches Können zur Prüfung des ihm vorgetragenen oder vor Augen geführten Leidens dergestalt einzusetzen, um entscheiden zu können, ob Behandlungsbedürftigkeit vorliege und gegebenenfalls wie und vom wem eine Behandlung durchzuführen sei.

Stellungnahme

Die Entscheidung des VG Gießen ist aus Patientensicht sicher begrüßenswert. Für die ärztliche Praxis bleibt festzuhalten, dass einen zum Bereitschaftsdienst eingeteilten Arzt auch erhöhte Sorgfaltspflichten treffen. Beispielsweise muss er nicht nur seine telefonische, sondern auch seine tatsächliche Erreichbarkeit für die Patienten sicherstellen. Insbesondere hat er die Funktionsfähigkeit seiner Klingel vor Antritt des Notfalldienstes zu überprüfen. Im Übrigen hat er auch alle sonstigen Vorkehrungen zur Gewährleistung eines reibungslosen Verlaufs zu treffen.

 

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