15. August 2014

Im deutschen Steuerrecht sind Heilbehandlungen nur umsatzsteuerfrei, sofern sie einem individuellen medizinisch therapeutischen Zweck dienen. Diese deutsche Rechtsauffassung hält auch europäischem Recht stand. Zwar sind ästhetische Behandlungs- und Operationsleistungen dem Grund nach Teil der medizinischen Heilbehandlung und damit nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz grundsätzlich begünstigungsfähig, jedoch bedarf es zur Umsatzsteuerfreiheit zusätzlich eines medizinisch therapeutischen Zwecks. Dieser Zweck ist individuell d. h. nicht nur für jeden einzelnen Patienten, sondern auch für jede einzelne Behandlungsmaßnahme an einem bestimmten Patienten zu beurteilen. Dabei ist nicht die Einschätzung des Patienten zu berücksichtigen sondern es kommt darauf an ob objektiv, also nach der kundigen Einschätzung des medizinischen Fachpersonals, ein medizinisch therapeutischer Zweck gegeben ist.

Der medizinisch therapeutische Zweck

Zu der Frage wer und wie der medizinisch therapeutische Zweck beurteilt werden soll, gibt es bisher keine klare Rechtsprechung. So hat das Finanzgericht Niedersachsen z. B. entschieden, dass die psychologische Schnelleinschätzung durch den behandelnden Schönheitschirurgen selbst, lediglich aufgrund eines ersten Beratungsgesprächs mit dem Patienten ausreichend erscheint. Im Gegensatz hierzu hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz ein vor der Behandlung erfolgtes psychologisches Fachgutachten gefordert und eine nachträgliche Begutachtung als unzureichend abgelehnt. Die Selbsteinschätzung des Patienten ist jedenfalls nicht beachtlich, darüber sind sich die Finanzgerichte einig.

Zu beachten ist hier insbesondere, dass die Beweislast und auch die Nachweispflicht zum medizinischen therapeutischen Zweck beim Schönheitschirurgen selbst liegt. Er kann sich insofern nicht auf die ärztliche Schweigepflicht berufen. Die Besteuerungsgrundsätze, welche dann für die streitgegenständliche Operation gelten, haben auch für flankierende Leistungen wie z. B. die zum Eingriff gehörende Anästhesie Geltung. Der BFH lässt sich in seiner Einschätzung ob eine begünstigte Heilbehandlung oder eine steuerpflichtige Schönheitsbehandlung vorliegt auch nicht durch die ICD-Codes oder die Krankheitseinstufungen der WHO beeinflussen.

Der Bund und die obersten Finanzbehörden der Länder haben insofern ihre eigenen Grundsätze beschlossen.

Diese sind wie folgt:

  1. Eine generelle Steuerbefreiung für ästhetisch plastische Leistungen eines Chirurgen bei Schönheitsoperationen kommt nicht in Betracht.
  2. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob diese Leistungen der medizinischen Betreuung eines Menschen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen und somit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Das wäre zum Beispiel bei Eingriffen wegen physischer Belastung der Fall, nicht jedoch bei rein kosmetischen Eingriffen. Für Leistungen die steuerpflichtig sind, ist eine Umsatzsteuerpflicht vergleichbarer Tätigkeit auch bei Krankenhäusern, Diagnose Kliniken usw. anzunehmen da dort ebenfalls nur Heilbehandlungen begünstigt werden sollen. Der Arzt bzw. Chirurg als Unternehmer trägt die objektive Beweislast dafür, dass das Hauptziel der Leistung der Schutz oder die Widerherstellung der Gesundheit ist. Dadurch kann er eine Steuerbefreiung erreichen. Indiz hierfür kann die regelmäßige Übernahme der Kosten durch die Krankenversicherung sein. Umgekehrt führt es jedoch nicht zwingend zur Steuerpflicht, wenn die Krankenversicherung nicht zur Kostenübernahme verpflichtet ist.

Als Muster für steuerpflichtige Umsätze werden z. B. folgende Leistungen angeführt:

  • Fettabsaugung
  • Faltenbehandlung
  • Brustvergrößerung und Verkleinerung
  • Lifting, Nasenkorrekturen, Hautverjüngung per Lasertherapie, Lippenaufspritzung
  • Botoxbehandlungen zur Verminderung von Falten
  • Permanent Make-up, Anti-Aging Behandlung
  • Bleaching und Dentalkosmetik

Soweit der kosmetische Zweck bei einer Operation einen Nebenzweck darstellt, so ist dies hinsichtlich der Steuerbefreiung unschädlich. Wird also ein medizinischer therapeutischer Zweck durch die Hauptoperation dargestellt, so ist der komplette Eingriff, auch wenn er als Nebenzweck eine Verschönerung des menschlichen Körpers herbeiführt, dennoch eine steuerbefreite Heilbehandlung.

Was tun bei Unsicherheiten hinsichtlich der Steuerbefreiung? Dem Chirurgen als Heilbehandler ist daher anzuraten, mit einer ausführlichen und nachvollziehbaren schriftlichen Dokumentation jeder einzelner Leistung, einschließlich Vorher/Nachher Bildern, zu dokumentieren, dass eine medizinische Indikation vorlag und ein medizinisch therapeutischer Zweck mit der Operation verfolgt wurde. Insbesondere bei psychologischen Gutachten sollte jedoch aus Vorsichtsgründen die Umsatzsteuer in die Kostenkalkulation der Leistung mit einkalkuliert werden.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, beraten wir Sie gerne.

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