Praxisverträge enthalten oftmals unwirksame Regelungen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, da sie nie an die aktuelle Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex angepasst wurde. Je älter Ihr Praxisvertrag ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass auch Ihr Praxisvertrag das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht rechtsprechungskonform regelt. Die Folge: Der ausscheidende Praxispartner kann sich überall, also auch in unmittelbarer Nähe zu seiner bisherigen Praxis niederlassen.
Was ist bei der Regelung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes in Praxisverträgen zu beachten?
Zunächst ist zu beachten, dass die Rechtsprechung die Grenzen für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Praxisvertrag in der vergangenen Jahren immer enger gesteckt hat.
Nur in investitionsintensiven Fachbereichen (z.B. Radiologen, Dialysezentrum, etc.) wurden noch weiträumige Wettbewerbsverbote akzeptiert. Aber auch hier hat beispielsweise das OLG Hamm in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 (OLG Hamm, Beschluss vom 13. 2. 2012 – I – 8 W 16/12) entschieden, dass ein in einem Praxisvertrag zwischen Radiologen vereinbartes Wettbewerbsverbot, das dem ausgeschiedenen Gesellschafter untersagt, sich innerhalb von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft im Stadtgebiet oder im Umkreis von 30 km von der Stadtgrenze aus gesehen als Arzt niederzulassen, wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB insgesamt nichtig ist.
Wenn Sie also in Ihrem Praxisvertrag ein solches Wettbewerbsverbot regeln möchten, ist zu beachten, dass das Wettbewerbsverbot in zeitlicher, gegenständlicher (sachlicher) und räumlicher (örtlicher) Hinsicht das zur Erreichung des Schutzzwecks notwendige Maß nicht überschreiten. Ob dies jeweils der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (grundlegend BGH, Urt. v. 14. 7. 1997 – II ZR 238/96 –, NJW 1997, 3089; BGH, Urt. v. 18. 7. 2005 – II ZR 159/03 –, NJW 2005, 3061), so dass Praxisverträge stets individuell zu beurteilen sind.
Kommt man zu dem Ergebnis, dass ein Wettbewerbsverbot im Praxisvertrag dieses notwendige Maß überschreitet, stellt sich stets die Anschlussfrage, ob die Regelung damit gänzlich unwirksam ist oder ob eine Beschränkung der Nichtigkeitsfolge auf das zulässige Maß nach den Regeln der geltungserhaltenden Reduktion (§§ 139, 242 BGB) in Betracht kommt.
Nach ständiger Rechtsprechung wird eine geltungserhaltenden Reduktion nur angenommen, wenn eine Wettbewerbsklausel im Praxisvertrag ausschließlich die zulässigen zeitlichen Grenzen überschreitet. Bei Verstoß gegen die räumlichen und gegenständlichen Grenzen ist eine geltungserhaltende Reduktion hingegen nicht möglich, so dass das Wettbewerbsverbot im Praxisvertrag in diesem Fall insgesamt nichtig ist.
Ein Praxisvertrag muss die zeitliche Höchstgrenze für nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen von zwei Jahren berücksichtigen.
Das OLG Hamm hatte im Jahr 2012 einen Fall zu entscheiden, in dem Radiologen in ihrem Praxisvertrag folgende Wettbewerbsklausel vereinbart hatten:
„Dem ausgeschiedenen Gesellschafter ist es untersagt, sich innerhalb von 5 Jahren nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft in X. oder im Umkreis von 30 km von X. als Arzt niederzulassen; gelegentliche Praxisvertretungen werden durch das Verbot nicht berührt.”
Das OLG hat diese Klausel für nichtig erachtet und ausgeführt, dass ein Wettbewerbsverbot nach ständiger Rechtsprechung nur wirksam ist, wenn es durch ein schutzwürdiges Interesse des Berechtigten gefordert ist und sich nach seinem örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen Umfang im Rahmen des Angemessenen hält.
Das war hier jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall. Die Schutzfrist darf bereits in der Regel zwei Jahre nicht überschreiten. Hinzu kam, dass nach Auffassung des Gerichts auch der sachliche Geltungsbereich für den Schutz des verbleibenden Praxisbetriebes nicht erforderlich und sachangemessen war. Verboten wurde nämlich uneingeschränkt eine niedergelassene Tätigkeit als Arzt, und zwar nicht nur bezogen auf eine Niederlassung als Facharzt für Diagnostische Radiologie. Diese Weite des Wettbewerbsverbotes war nicht gerechtfertigt.
Da die Klausel damit ohnehin bereits unwirksam war, hat das Gericht nur noch am Rande erwähnt, dass auch die örtlichen Reichweite des vereinbarten Verbots unwirksam sein dürfte. Das Gericht hat ausgeführt, dass für die räumliche Reichweite eines Wettbewerbsverbotes zu beachten ist, ob die Reichweite zum Schutz des unmittelbaren Standorts der vormaligen Gemeinschaftspraxis erforderlich ist.
Hier hat das Gericht, obwohl es um Radiologen und damit um einen investitionsintensiven Fachbereich ging, eine räumliche Reichweite von 30km für zu weit erachtet. In anderen Fachbereichen liegt die räumliche Grenze wesentliche niedriger. Bei Zahnärzten beispielsweise wird man im ländlichen Raum maximal noch von einer zulässigen Grenze von 5km ausgehen können. Im städtischen Bereich wird die zulässige Grenze häufig bereits bei 2km erreicht sein. Tatsächlich wird man dies in jedem Einzelfall beachten und entscheiden müssen.
Die räumliche Grenze exakt zu bemessen und diese innerhalb des von der Rechtsprechung akzeptierten Rahmens zu halten, ist auch deshalb von immenser Bedeutung, weil dieser örtliche Umfang der Verbotsklausel nicht im Nachhinein korrigiert werden kann. Ist die räumliche Grenze zu weit gewählt worden, führt dies zur Gesamtnichtigkeit eines Wettbewerbsverbotes.