Die letzten Wochen haben uns nicht nur zum Stillstand gezwungen, sondern haben auch positive Effekte hervorgebracht. Darunter: Deutschland ist endlich gezwungen das Thema Digitalisierung nicht mehr stiefmütterlich zu behandeln. Für den Gesundheitssektor heißt das unter anderem, dass die Videosprechstunde an Fahrt aufgenommen hat und einen ordentlichen Schub bekommen hat. Vermehrt haben insbesondere Hausarztpraxen auf ihrer Website über die Möglichkeit der Videosprechstunde informiert. Wir gehen besonders für ländliche und unterversorgte Versorgungsbereiche davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird und nicht nur in Zeiten von social distancing zahlreiche Mehrwerte bieten kann.
Wie wird die Videosprechstunde rechtlich eingeordnet?
Für Ärzte ist die Videosprechstunde Teil der Telemedizin und ist im E-Health Gesetz verankert und kann als Kassenleistung abgerechnet werden. Seit einiger Zeit darf auch der Erstkontakt virtuell erfolgen und das Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung wurde innerhalb der MBO gelockert. Im Zuge von Corona gibt es für das 2. Quartal 2020 auch keine Mengenbeschränkung mehr für die Videosprechstunde, so dass nicht mehr bloß 20% der Patienten im Quartal im Rahmen der Videosprechstunde behandelt und abgerechnet werden dürfen.
Anders verhält es sich im zahnärztlichen Bereich: dort gibt es noch keine BEMA-Ziffern oder Zuschläge, so dass Zahnärzte sich persönlich gegenüber ihrer KZV versichern müssen, ob ihnen die Videosprechstunde erstattet wird. Im Vordergrund sollten hier die positiven Impulse gesehen werden, die mit der Durchführung von Videosprechstunden einhergehen. Denn unabhängig von der Abrechnungsmöglichkeit gehört die Videosprechstunde in jede digitalisierte Praxis, als ein Teil der digitalisierten Praxis. Damit wird als positiver Nebeneffekt automatisch der Praxiswert gesteigert, was für den Fall der späteren Veräußerung interessant ist.
Welche Vorteile hat die Videosprechstunde?
Der erste Vorteil der Videosprechstunde ist, dass der Patientenkontakt intensiviert werden kann. Zudem wird die Behandlung im Vergleich zum Telefonat auf Grund der Bildübertragung persönlicher wird. Der (potentielle) Patient kann sich ein viel besseres Bild über den Arzt bzw. Zahnarzt machen und für sich entscheiden, ob er ihm sein Vertrauen schenken möchte. Der Arzt oder Zahnarzt kann dementsprechend die Umgebung, in welcher er die Videosprechstunde abhält, besonders ansprechend gestalten. Weiß der Behandler, dass er mit einem Angstpatienten spricht, ist eine Praxisumgebung zu wählen, die möglichst keinen klinischen Eindruck vermittelt. Auch sollten nicht die Apparate oder Stühle gezeigt werden. Die Patienten haben so die Möglichkeit eines vertrauensvolles Kennenlernen.
Behandlungsdringlichkeit selektieren
Der nächste Vorteil ist, dass schon per Videosprechstunde Patienten nach ihrer Behandlungsdringlichkeit selektiert werden können. Es kann virtuell besprochen werden, ob der Patient akut behandelt werden muss und priorisiert werden sollte, oder ob ein Vorstehen in ein paar Tagen ausreichend ist. Eine solche Einschätzung kann durch die Kombination aus Hören sowie Sehen von Mimik und Körperhaltung besser erfolgen, als allein aus dem Herauslesen in der Stimme des Patienten. Der Patient wird immer behaupten, dass sein Anliegen besonders dringlich ist.
Der nächste große Vorteil ist, dass Patient und Praxisteam wertvolle Zeit und Aufwand einsparen können. HKP-Besprechungen können erfolgreich durch die Videosprechstunde durchgeführt werden, weil der Patient hierfür nicht extra in die Praxis kommen muss.
Wegezeit und Wegekosten
Er spart sich Wegezeit und Wegekosten und kann eine Beratung beispielsweise auch während seiner Arbeitspause einschieben ohne durch den Stadtverkehr fahren zu müssen. Ebenso für ältere oder weniger mobile Patienten ist die Videosprechstunde von Vorteil, weil sie oft für die Fahrten zum Arzt auf fremde Hilfe angewiesen sind. Dies entfällt mit der Videosprechstunde. Zudem können Patienten aus dem weiter entfernten Umkreis akquiriert werden, die für eine aufwändige Behandlung einen Spezialisten suchen. Für ein Erstgespräch mehrere Kilometer zu fahren ist aufwendig und daher ungewöhnlich. Aber wenn der Erstkontakt zum Spezialisten virtuell erfolgt, kann der Arzt oder Zahnarzt den Patienten davon überzeugen, dass die längere Anfahrtszeit in seine Praxis einen Mehrwert hat, weil sie dort eine besonders gute Behandlung bekommen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass viele Patienten sich in ihrer gewohnten Umgebung wohler fühlen. Arztbesuche stellen für manche Patienten Stresssituationen dar, so dass sie komplett gemieden werden, insbesondere, wenn weitere Themen dazu kommen, wie: wann kann ich überhaupt einen Arzttermin einschieben? Wer übernimmt in der Zeit die Kinderbetreuung? Viele Patienten quälen Schuldgefühle, weil sie eigentlich mal wieder zur Vorsorge müssten. In einem vorab Gespräch kann geklärt werden, ob ein Vorsorgetermin erforderlich ist und in welchem Zeitraum dieser zu erfolgen hat. Wir glauben, dass die Bereitschaft und die Lust zum Arzt zu gehen gesteigert wird, wenn Erstkontakt und Erstberatung in einem gewohnten und entspannten Umfeld von zu Hause stattfinden können.
Mit welchen Anbietern darf zusammengearbeitet werden?
Der Datenschutz und die DSGVO müssen eingehalten werden, so dass im Arztbereich auf von der KV zugelassene Anbietersysteme zurückgegriffen werden muss. Ärzte können Leistungen im Rahmen der Telemedizin erst dann abrechnen, wenn sie dies ihrer Kassenärztlichen Vereinigung angezeigt haben, einen zertifizierten Videodienstanbieter nutzen zu wollen.
Bei der KZBV-Seite gibt es noch keine Angaben wie mit der Möglichkeit der Sprechstundenführung umgegangen werden kann, so dass auch noch keine Zulassungen vorliegen. Hier sollten Zahnärzte sichere end-to-end Verschlüsselungen wählen, die das Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient schützen. Im Zweifel kann auf die von der KV zertifizierten Systeme zurückgegriffen werden.
Unser Webinar am Montag vom 18.05.2020
Wir sehen die Videosprechstunde für die nächsten Jahre auf dem Vormarsch. Ärzte und Zahnärzte werden sich ebenso wie andere Dienstleister an den Bedürfnissen ihrer Patienten orientieren und anpassen. Daher haben wir für Montag den 18. Mai 2020 ein Webinar vorbereitet, um die Thematik in ihrer Tiefe aufzubereiten. Das Webinar ist kostenfrei und informiert Sie über Potenziale und Chancen, wie sie die Videosprechstunde gewinnbringend in Ihren Praxisalltag integrieren können.
Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!