Ästhetik fängt nicht erst beim Patienten an. Vielmehr gilt auch hier das alte Sprichwort „Kleider machen Leute“. Doch Geschmäcker sind verschieden. Das was für den Mitarbeiter Ausdruck seiner Individualität ist, mag dem Interesse des Arbeitgebers an einer bestimmten Außendarstellung und –wirkung widersprechen. Darf der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern insoweit Vorschriften machen?
Arbeitgeber haben ihren Mitarbeitern gegenüber grundsätzlich ein Weisungsrecht, das auch Vorschiften zu Arbeitskleidung und Erscheinungsbild umfasst. Das Weisungsrecht gilt allerdings nicht unbeschränkt, insbesondere müssen die Weisungen verhältnismäßig sein. Bei Fragen über Kleidung und Erscheinungsbild steht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters gegenüber, dessen Einschränkung nicht ohne weiteres möglich ist. Daher ist im Einzelfall genau abzuwägen.
Vorschriften mit Schutzfunktion
Relativ eindeutig ist die Frage der Zulässigkeit zu beantworten, soweit es sich um Vorschriften handelt, die dem Schutz des Arbeitnehmers oder von Dritten handelt. Das betrifft nicht nur Schutzkleidung wie beispielsweise die OP-Kleidung bei operativen Eingriffen aus Gründen der Hygiene. Auch zu lange Fingernägel dürfen untersagt werden, da hiervon beim Patientenkontakt ein Verletzungsrisiko ausgehen kann. Das Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln bestätigte die Weisung eines Arbeitgebers, dass die Fingernägel von Beschäftigten der Sicherheitskontrolle eines Flughafens nicht länger als 0,5 cm über der Fingerkuppe sein dürfen, mit der Begründung, dass dadurch Verletzungen Dritter vermindert würden. Hier muss das individuelle Interesse hinter dem Sicherheitsaspekt zurücktreten. Anders entschied das LAG Köln jedoch hinsichtlich der Farbe der Fingernägel. Für das äußere Erscheinungsbild der Arbeitnehmer sei die Farbe der Fingernägel unerheblich und das Interesse des Arbeitgebers geringer einzuschätzen, als das Recht der Arbeitnehmer auf Individualität.
Einführung einer einheitlichen Arbeitskleidung
Entspricht das äußere Erscheinungsbild von Mitarbeitern nicht den Vorstellungen des Arbeitgebers, können immer wieder Konflikte entstehen. Die Einführung einer Arbeitskleidung ist eine gute Möglichkeit für einen einheitlichen und gepflegten Außenauftritt zu sorgen. Die Pflicht eine bestimmte Arbeitskleidung zu tragen kann bereits im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Ist dort nichts zur Arbeitskleidung geregelt können Arbeitgeber durch Ausübung ihres Weisungsrechts eine bestimmte Arbeitskleidung festlegen. Sofern ein Betriebsrat besteht, ist dieser jedoch mit einzubeziehen. Auch wenn die Pflicht zum Tragen einer Arbeitskleidung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter eingreift, ist es bei Mitarbeitern mit Kundenkontakt bzw. Patientenkontakt von der Rechtsprechung anerkannt, dass dies vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst ist. Das Bundesarbeitsgericht hat es als Begründung für ausreichend erachtet, dass das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens durch das Tragen einheitlicher Arbeitskleidung verbessert werden sollte. Allerdings darf die Arbeitskleidung nicht ungeeignet sein oder die Würde der Arbeitnehmer in irgendeiner Weise beeinträchtigen. Mitarbeiter mit Patientenkontakt zum Tragen einer einheitlichen, vom Arbeitsgeber zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung (z. B. Poloshirts mit Praxislogo) ist also in der Regel zulässig.
Auch was darunter zu tragen ist, darf der Arbeitgeber in gewissem Umfang festlegen. Das LAG Köln bestätigte sowohl die Pflicht zum Tragen von Unterwäsche und als auch die Beschränkung auf weiße oder hautfarbene Unterwäsche sowie das Verbot von Mustern im Hinblick auf ein ordentliches Erscheinungsbild und auf die Langlebigkeit der im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Dienstkleidung. Die Vorschrift lediglich weiße oder hautfarbene Unterwäsche zu tragen dürfte aber dann zu weit gehen, wenn diese nicht durchschimmert.
Vorschriften zur Außenwirkung
Geht es dagegen um die Frisur, Haarfarbe, Tattoos, Toupets oder den Bart überwiegt häufig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. Arbeitgeber können zwar verlangen, dass die Haare gewaschen und der Bart gepflegt sind. Die Pflicht zu einer natürlichen Haarfarbe, das Verbot von Toupets und die Vorschrift einer Komplettrasur greifen hingegen in der Regel unverhältnismäßig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter ein.
Auffällige Piercings und sichtbare Tattoos kann der Arbeitgeber im Einzelfall untersagen oder verlangen, dass diese während der Arbeitszeit herausgenommen bzw. verdeckt werden. Verdeckte Tattoos sind hingegen Sache des Arbeitnehmers.
Besteht keine einheitliche vom Arbeitgeber gestellte Arbeitskleidung, kann der Arbeitgeber nur in gewissem Umfang die Kleidung vorschreiben. Verschmutzte oder zerrissene Kleidung, bauchfreie und zu tief ausgeschnittene Oberteile oder zu kurze Röcke darf der Arbeitgeber untersagen. Auch kann er verlangen, dass eher gedeckte statt knallbunte Kleidung zu tragen ist, sofern Mitarbeiter Patientenkontakt haben.
Folgen eines Verstoßes
Verstößt ein Mitarbeiter gegen zulässige Kleidungsvorschriften des Arbeitgebers, kann nicht gleich eine Kündigung ausgesprochen werden. Zunächst ist – wie bei anderen arbeitsrechtlichen Pflichtverletzungen in der Regel auch – eine Abmahnung auszusprechen. Kommt es jedoch zu wiederholten Verstößen ist auch eine Kündigung möglich.
Fazit
Weisungen des Arbeitgebers zur Kleidung und zum äußeren Erscheinungsbild können sowohl aus Sicherheitsgründen als auch aufgrund von Unternehmensinteressen gerechtfertigt sein. Die Zulässigkeit derartiger Weisungen ist – solange es nicht um die Sicherheit oder Hygiene geht – aber immer eine Frage des Einzelfalls. Hier muss genau zwischen den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers abgewogen werden. Jede Weisung des Arbeitgebers zur Kleidung und zum äußeren Erscheinungsbild muss verhältnismäßig sein.