19. August 2019

Der demografische Wandel geht auch an den Arzt- und Zahnarztpraxen nicht vorüber. Die deutsche Bevölkerung und ihre Ärzte werden älter. Während das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung im Jahr 2018 bei 44,4 Jahren lag, waren die Vertragsärzte nach Angaben der KBV durchschnittlich bereits 54,1 Jahre alt, die Hausärzte allein betrachtet sogar 55,3 Jahre. Für die Vertragszahnärzte liegt die entsprechende Statistik nicht vor, allerdings liegt hier die gesamte Ärzteschaft nach Angaben der BZAEK im Jahr 2017 mit einem Durchschnittsalter von 48,6 Jahren ebenfalls bereits deutlich über dem der Gesamtbevölkerung. Das bedeutet den Ruhestand für einen Großzahl der derzeit tätigen Ärzte und Zahnärzte.

Mit 30,2 % war bereits 2018 fast jeder dritte Vertragsarzt über 60 Jahre alt – höchste Zeit sich über eine Exitstrategie Gedanken zu machen und eine Praxisabgabe zu planen und vorzubereiten. Mit zu erwartenden Praxisabgaben bis 2024 von 27,96 % der bestehenden Arztpraxen und 22,37 % der Zahnarztpraxen (Dr. Bernd Rebmann, Jahrbuch für Ärzte und Zahnärzte 2018, S.729 ff.) ist eine frühzeitige Optimierung der Praxisabläufe unabdingbar, um konkurrenzfähig zu werden und wirtschaftlich tragbare Ergebnisse zu erzielen, die nicht nur einem Lebenswerk Rechnung tragen, sondern auch eine solide Säule der Altersvorsorge darstellen.

Die Wege in den Ruhestand sind vielfältig und umfassen neben der klassischen Praxisabgabe zahlreiche Modelle wie die Gründung von Berufsausübungsgemeinschaften, die Aufnahme eines Jobsharing-Partners, dem sukzessiven Verkauf einzelner Praxisanteile oder auch Eintritt und Anstellung in einem MVZ. Um hier die wirtschaftlich und emotional passende Lösung finden zu können, ist ein genauer Blick auf die Praxisabläufe erforderlich. Welche Entwicklungen sind zu erwarten? Wo kann optimiert werden? Welche rechtlichen Hürden müssen genommen werden?

Der erste Schritt hierbei ist die Ermittlung des status quo und eine erste Bewertung der bestehenden Praxis. Hierfür stehen verschiedene Bewertungsmodelle zur Verfügung. Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung haben hierzu nicht unumstrittene Hinweise veröffentlicht (Deutsches Ärzteblatt 2008, Jg.105, S. A2778 f.), orientieren sich aber wie die meisten diskutierten Wertermittlungsmethoden für die Beurteilung im Wesentlichen am Substanzwert der Praxis einerseits und am ideellen Wert andererseits. Dies sollte daher auch für die erste Einschätzung zugrunde gelegt werden.

Zur Bestimmung des Substanzwertes der Praxis sollte eine umfassende Inventarliste mit Wertangaben erstellt werden. Bei der Bewertung der Vermögensgegenstände kommen beispielsweise Verkehrswert, Anschaffungs- oder Wiederbeschaffungskosten in Betracht. Forderungen und Verbindlichkeiten gehören dann mit berücksichtigt, wenn sie gegebenenfalls von einem Erwerber mit zu übernehmen sind.

Da bei der Ermittlung des immateriellen Praxiswertes die größten Abweichungen denkbar sind und damit darin auch die größten Optimierungschancen liegen, sollte hier genau hingesehen werden. Regelmäßig werden zunächst die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der letzten 3 Jahre herangezogen, die dann unter Berücksichtigung verschiedener wertbeeinflussender Faktoren zu betrachten sind. Beachtung finden hier rein personengebundene Werte, die sich zum Beispiel aus besonderen Qualifikationen, Tätigkeiten oder aber auch dem Gesundheitszustand des Praxisinhabers ergeben können. Weitere Faktoren können beispielsweise Lage der Praxis, Arztdichte, besondere Patientenbindung, Qualitätsmanagement und Organisationsform sein.

Hat sich die Praxisinhaber so einen Überblick verschafft wird meist schnell offenbar, wo die Chancen liegen und wo Optimierungsbedarf besteht. Soll das Erscheinungsbild der Praxis insgesamt noch verbessert werden? Muss die Abrechnungspraxis überarbeitet werden? Sollen Dauerschuldverhältnisse gekündigt oder angepasst werden? Müssen Außenstände ausgeglichen oder neue Investitionen getätigt werden?

Welche Veränderungen auch anstehen, die meisten werden sich nicht sofort in den Zahlen niederschlagen, sodass gerade im Hinblick auf die Heranziehung der betriebswirtschaftlichen Auswertungen der letzten drei Jahre frühzeitig gehandelt werden muss.

Unser Medizinanwälte-Rat für den Ruhestand

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