12. Juni 2019

Jeder weiß es, niemand möchte darüber reden, doch eins ist klar: Nichts ist gewisser als der Tod, wie schon Anselm von Canterbury richtig feststellte. Im Falle von plötzlichen Schicksalsschlägen stellen sich viele Fragen, die beantwortet werden müssen. Wer kümmert sich um den Fortgang der Praxis? Wer zahlt die Personalgehälter? Wer entscheidet über welche medizinischen Maßnahmen? Wer trifft denn nun all diese wichtigen Entscheidungen, wenn dies dem Praxisinhaber nicht mehr – oder nur eingeschränkt – möglich ist? Mit den richtigen, frühzeitigen Vorkehrungen kann jeder Zahnarzt für sich und seine Familie die notwendige Sicherheit schaffen.

Wie das Leben so spielt!

Zur Veranschaulichung soll eine erfolgreiche Zahnarztpraxis im Rhein-Main-Gebiet, bestehend aus dem Praxisinhaber Dr. Clever und zwei angestellten Zahnärzten dienen. Marie, die Ehefrau von Dr. Clever, betreibt eine eigene Zahnarztpraxis. Die beiden Söhne Max und Moritz studieren Zahnmedizin und spielen mit dem Gedanken in die elterlichen Fußstapfen zu treten. Nun verunglückt Dr. Clever bei einem gemeinsamen Wanderurlaub in der Steiermark und liegt vorrübergehend im künstlichen Koma. Erst nach einigen Monaten und intensiven Rehabilitationsmaßnahmen ist Dr. Clever wieder voll arbeitsfähig. Da er eine sehr umsichtige Person ist und sich deshalb über viele Eventualitäten im Vorfeld Gedanken gemacht hat, hat er auf Anraten seines Vertrauensanwalts seine Familie vor einiger Zeit mit entsprechenden Vollmachten ausgestattet. Seiner Frau Marie hatte er eine Vorsorgevollmacht (Generalvollmacht) erteilt; gleichzeitig ernannte er sie und hilfsweise seinen beiden Söhnen mit Hilfe einer sog. Betreuungsverfügung zu Betreuern.

Die Vorsorgevollmacht

Eine Vorsorgevollmacht ermöglicht es, sich in allen (oder bestimmten) Belangen vertreten zu lassen, wenn man selbst – z.B. aus gesundheitlichen Gründen wie in unserem Beispiel – dazu nicht mehr in der Lage ist. Da weder Ehepartner noch Kinder gesetzliche Vertreter sind, müssen diese erst bevollmächtigt werden. Liegt eine wirksame Vorsorgevollmacht im Original vor, muss das Betreuungsgericht keinen Betreuer bestellen.

Marie konnte sich mit der Vorsorgevollmacht nun ab dem Unfallzeitpunkt um jedwede Belange der Praxis ihres Ehemanns kümmern; sie konnte Gehälter überweisen, einen zahnärztlichen Kollegen als Vertreter beschäftigen, den zufällig zeitnah auslaufenden Mietvertrag verlängern, die veraltete Behandlungseinheit durch eine neue bzw. aufbereitete ersetzen etc. Hätte Dr. Clever seiner Frau Marie keine Vollmacht erteilt, hätte sie sich mit dem Betreuungsgericht auseinandersetzen und viele Entscheidungen mit diesem abstimmen müssen, was Zeit, Geld und vor allem Nerven gekostet und die ohnehin schon angespannte Situation unnötig verkompliziert hätte. Die Handlungsfähigkeit wäre deutlich eingeschränkt gewesen.

Hintergrund: Betreuungsverfügung & Patientenverfügung

Von der Vorsorgevollmacht zu unterscheiden, ist die Betreuungsverfügung. Mit dieser kann lediglich geregelt werden, nach welchen Grundsätzen das Gericht den Betreuer auswählen soll. Der Betreuer unterliegt damit der gerichtlichen Kontrolle und bedarf für einige Geschäfte sogar die Zustimmung des Gerichts.

Da eine Vorsorgevollmacht die Einschaltung des Gerichts verhindert, ist die Betreuungsverfügung aus unserem Beispiel nicht relevant. Sie ist allerdings dann nützlich, wenn Marie zusätzlich verunglückt oder die Vorsorgevollmacht aus irgendeinem Grund unwirksam wäre. Denn das Gericht hätte dann die beiden Söhne grundsätzlich als Betreuer einsetzen müssen. Ohne eine Betreuungsverfügung hätte das Gericht einen (unbekannten) Dritten als Betreuer einsetzen können.

Daneben steht die Patientenverfügung, mit der festgelegt werden kann, welche medizinischen Maßnahmen im konkreten Fall getroffen werden dürfen und welche nicht. Es geht hier insbesondere um lebensherhaltende Maßnahmen etc., die angesichts der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH (vgl. z.B. die Beschlüsse vom 06.07.2016, XII ZB 61/16; vom 08.02.2017, XII ZB 604/15 sowie vom 14.11.2018, XII ZB 107/18) detailgenau in der Patientenverfügung schriftlich festzuhalten sind.

Vorsorge im Gesellschaftsvertrag, Mietvertrag und Praxiskaufvertrag

Daneben gilt es weitere Vorkehrungen für plötzliche Unglücksfälle zu treffen: So ist z.B. in Gesellschaftsverträgen von Gemeinschaftspraxen zu regeln, dass die Praxis durch den verbleibenden Gesellschafter fortgesetzt werden kann. Dies ist notwendig, denn das Gesetz sieht nach § 727 Abs. 1 BGB die Auflösung der Gesellschaft vor, wenn ein Gesellschafter stirbt. Dies ist aber oftmals nicht gewollt.

In Mietverträgen sollten ebenfalls Vorsorgeregelungen enthalten sein. So kann z.B. ein außerordentliches Kündigungsrecht bei Berufsunfähigkeit ausgehandelt werden. Darüber hinaus sollte der Vermieter auf § 580 BGB verzichten, da bei Tod des Mieters dem Vermieter sonst ein einmonatiges Kündigungsrecht zusteht, was einen Praxisverkauf deutlich erschweren kann.

Gleiches gilt für Praxiskaufverträge; auch hier sind Klauseln aufzunehmen, die im Falle des Todes, der Berufsunfähigkeit etc. Wirkung entfalten und den Zahnarzt bzw. seine Erben vor finanziellen Risiken schützen.

Bei der Vertragsgestaltung ist insgesamt zu raten, diese rechtlich professionell erstellen respektive prüfen zu lassen. Denn für Verträge, die nicht anwaltlich geprüft sind, übernimmt nur einer die Verantwortung – und zwar der Zahnarzt ganz alleine.

Praxistipp

Die Vorsorgeplanung sollte nicht ständig andiskutiert und aufgeschoben, sondern konsequent angegangen werden. Oftmals sind nur ein paar Handgriffe notwendig, um sich für den Ernstfall hinreichend abzusichern. Insofern kann dieses Thema rechtssicher binnen kurzer Zeit geregelt werden. Der Nutzen für den Fall der Fälle ist – wie obiges Beispiel zeigt – enorm. Neben einer rechtlich fundierten Begleitung und Betreuung sollte darüber hinaus auch eine vermögens- und versicherungsrechtliche Absicherungsplanung erfolgen, um für plötzliche Unglücksfälle gewappnet zu sein.

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