25. Mai 2009

Der in eine Einzelpraxis oder eine bestehende Gemeinschaftspraxis eintretende Vertrags(zahn)arzt ist oft wirtschaftlich nicht in der Lage, einen angemessenen Kaufpreis für den Erwerb der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen aufzubringen. Nicht selten möchte aber auch der bisherige Praxisinhaber, sein Lebenswerk nicht von Anfang an zu gleichen Bedingungen mit dem neuen (Zahn-)Arzt teilen, schließlich hat er die Praxis alleine mühsam aufgebaut und etabliert.

Eine in der Praxis beliebte Vorgehensweise ist dann die so genannte

„Nullbeteiligungsgesellschaft“ bzw. „Nullbeteiligung“.

Hierunter versteht man eine Gesellschaft, in die der aufzunehmende (Zahn-)Arzt zunächst nichts außer seiner Arbeitsleistung einbringt und sich in der Regel mit einem geringeren Gewinnanteil zufrieden gibt, als die übrigen Gesellschafter. Der bisherige Praxisinhaber bzw. die Gesellschafter sind an einer solchen Ausgestaltung der Zusammenarbeit gleichermaßen interessiert, da ihnen so die eingehende fachliche wie persönliche Prüfung des neuen Kollegen ermöglicht wird, bevor er wirtschaftlich an der Praxis beteiligt wird.

So verlockend diese Art der Praxisbeteiligung scheint, so tückisch ist sie auch.

Die in der Praxis abgeschlossenen Verträge über Nullbeteiligungsgesellschaften sind leider regelmäßig nichtig. Die Vertragsparteien lassen nämlich gerne außer Acht, dass der Grad zwischen „Nullbeteiligung“ und „angestelltem Arzt“ ein sehr schmaler ist.

Die nachfolgenden Punkte zeigen auf, welche Formen der Nullbeteiligung denkbar sind und wie sie ausgestaltet sein müssen bzw. dürfen, damit sie nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unwirksam sind.

Nullbeteiligung an Gewinn und Verlust der Praxis

Meistens soll der neue Kollege nicht von Anfang an in der gleichen Höhe am Gewinn der Praxis beteiligt werden. Deshalb werden häufig feste (Pauschal-)Honorare vereinbart, die den neuen Gesellschafter vom Gewinn (und Verlust) der Praxis faktisch ausschließen. Dieses Unternehmerrisiko ist aber ein wesentliches Merkmal einer Gesellschafterstellung, weil der Angestellte eben gerade kein wirtschaftliches Risiko tragen soll.

Vereinbarung eines Gewinnfestanteils

Möchte sich der Vertrags(zahn)arzt hier auf der sicheren Seite wissen, sollte er mit dem aufzunehmenden Partner einen so genannten Gewinnfestanteil vereinbaren.

Hierbei handelt es sich um eine elegante Lösung, den Partner indirekt am wirtschaftlichen Risiko zu beteiligen. Er bekommt zwar ein (in Prozent) vereinbartes Festgehalt, dieses erhält er aber nur, wenn die Praxis auch Gewinn erzielt. Dies unterscheidet ihn dann vom Angestellten, der sein Gehalt auch erhält, wenn die Praxis keinen Gewinn macht.
Wichtig ist diese Form der Beteiligung insbesondere im Hinblick auf die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen, die für den Fall eines gewinnunabhängigen Festgehaltes oftmals davon ausgehen, dass keine Gesellschafterstellung gewollt ist und es sich bei der Nullbeteiligung um eine so genannte Scheingesellschaft handelt. Bei Berufsausübungsgemeinschaften hat dies zur Folge, dass der Status der Gemeinschaftspraxis in abrechnungstechnischer Hinsicht nicht anerkannt wird und eine Deckelung erfolgt.

Nullbeteiligung am Gesellschaftsvermögen

In der Praxis ebenfalls eine beliebte Konstellation ist der Ausschluss des neuen Gesellschafters vom Gesellschaftsvermögen. Schließlich hat der bisherige Praxisinhaber alleine erwirtschaftet, was nun an Vermögen vorhanden ist.

Juristisch wird die Frage, ob ein neuer Gesellschafter von der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen ausgeschlossen werden kann leider nicht einheitlich gesehen und kann nicht abschließend mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden. Wie so häufig kommt es darauf an, wie der Einzelfall ausgestaltet ist.

Generell wird zwischen der Beteiligung am materiellen Vermögen der Gesellschaft, wie etwa die Einrichtung, eventuell noch die Praxis- oder andere Immobilie(n) und am immateriellen Vermögen unterschieden. Unter immateriellen Vermögen versteht man den so genannten good will, der sich aus der Patientenkartei, dem „guten Namen“ der Praxis, der Lage, etc. zusammensetzt.

Einigkeit besteht weitestgehend, dass der neue Gesellschafter nicht zwingend am materiellen Vermögen der Gesellschaft zu beteiligen ist. Das bedeutet, dass dem Gesellschaftsvertrag sowie der Anerkennung als Gemeinschaftspraxis seitens der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Nichtbeteiligung am materiellen Vermögen der Gesellschaft nicht entgegensteht.

Anderes gilt für die Beteiligung am immateriellen Vermögen einer Gesellschaft. Hier setzt u.a. die Bundes(zahn)ärztekammer die Beteiligung nach einer „Übergangsphase“ von zwei bis drei Jahren als notwendig voraus. Rechtlich lässt sich dieses Erfordernis weder gesellschaftsrechtlichen noch berufs- oder vertragsarztrechtlichen Bestimmungen zwingend entnehmen. Allerdings trägt es dem Gedanken Rechnung, dass ein für die Gesellschaft nach außen hin tätiger (Zahn-)Arzt den so genannten good will selbiger mitgeprägt, ggf. (mit-) geschaffen, zumindest jedoch erhalten hat. Die endgültige Klärung dieser Frage durch eine höchstrichterliche Entscheidung, bleibt abzuwarten.

Für jeden Gesellschaftsvertrag in der Praxis gilt: mit einer Beteiligung am immateriellen Wert nach einer „Übergangsphase“ von maximal drei Jahren, sind Sie (rein rechtlich) wohl auf der sicheren Seite. Sieht der Vertrag nach dieser Übergangsphase zudem die Beteiligung am materiellen Wert vor, dürfte er nicht zu beanstanden sein.

Nullbeteiligung an der Geschäftsführung

Schlussendlich begegnen einem Anwalt in der Praxis immer wieder Gesellschaftsverträge, in denen dem neuen Gesellschafter mit Nullbeteiligung keinerlei Befugnisse hinsichtlich der Führung der Geschäfte der Gemeinschaft eingeräumt werden.

In dieser Radikalität dürfte das im Ergebnis zur Nichtigkeit des Vertrages und zur Beurteilung der Gesellschaft als so genannte „Scheingesellschaft“ führen. Hier begegnet den Vertragsparteien wieder das (abrechnungsrelevante) Problem, dass der Grad zwischen „Nullbeteiligung“ und „angestelltem Arzt“ ein sehr schmaler ist.

So ist die Beschränkung der Befugnisse zur Führung der Geschäfte der Gemeinschaft generell zulässig, sollte aber besser nicht ausgereizt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn bereits Beschränkungen der Beteiligung am Unternehmerrisiko und dem Praxisvermögen vereinbart wurden. Dagegen für die Gesellschafterstellung ausreichend ist, wenn dem neuen Gesellschafter Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte eingeräumt werden und er insbesondere im Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit – speziell beim Abschluss von Behandlungsverträgen – weisungsfrei tätig werden kann.

Praxistipps

Stellen wir uns einmal folgenden Fall vor: Herr Dr. Müller möchte in die Praxis von Herrn Dr. Maier eintreten. Dieser hat seine Praxis die letzten 10 Jahre alleine geführt und möchte jetzt einen Kollegen hinzunehmen.

Von seinem Studienkollegen Dr. Schmidt hat Dr. Maier einen Gemeinschaftspraxisvertrag gefaxt bekommen, den er jetzt Herrn Dr. Müller zur Unterschrift vorlegt. Zum Glück kennt Dr. Müller einen Fachanwalt für Medizinrecht, dem er den Vertrag zufaxt. Wenige Tage später bekommt Herr Dr. Müller den Vertrag mit der Bemerkung:

„Der Vertrag enthält einige Passagen, die in der Gesamtschau eher auf ein Angestelltenverhältnis als eine Gesellschafterstellung hinweisen“, zurück. „Ich habe sie Dir rot markiert und mit Randbemerkungen versehen. Im Einzelnen:

§ 4 Kennenlernphase

…während der Kennenlernphase ist Herr Dr. Müller nicht an den Gewinnen – oder Verlusten der Gesellschaft beteiligt. Er erhält für seine eingebrachte Leistung ein monatliches Fixum in Höhe von …

Je nach dem, wie der für Dich zuständige Zulassungsausschuss dieses Merkmal gewichtet, wird er euch die Zulassung verwehren, da Du nicht an Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt bist, sondern ein Festgehalt bekommst.

…die Arbeitszeit von Herrn Dr. Müller beträgt 40 Wochenstunden…

Eine fest vereinbarte Arbeitszeit ist ein starkes Indiz für ein Angestelltenverhältnis. Die Selbständigkeit zeichnet sich gerade durch die freie Disposition aus, auch wenn Du Dich an die Sprechstundenzeiten im Rahmen der Vertragsarzttätigkeit halten musst. Du solltest darauf achten, dass die (angemessenen) Sprechstundenzeiten per Gesellschafterbeschluss bestimmt – und Dir nicht aufgezwungen werden.

…Herr Dr. Müller hat Anrecht auf eine urlaubsbedingte Abwesenheit von bis zu 30 Arbeitstagen pro Kalenderjahr…

Auch diese Bestimmung ist ein Hinweis auf ein verdecktes Anstellungsverhältnis. Wie berechnet sich dieser Anspruch und wie viele Abwesenheitstage hat sich Herr Dr. Maier genehmigt? Du musst hier gerade im Hinblick auf die zahlreichen anderen Einschränkungen darauf achten, dass gleichberechtigt über Abwesenheiten entschieden wird.

…nach einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren kann über die weitere Form der Zusammenarbeit und eine finanzielle Beteiligung neu verhandelt werden…

Hier ist Deine Position denkbar schlecht: es ist nicht klar geregelt, wer über die Aufnahme der Nachverhandlungen und deren Umfang entscheidet. Allenfalls aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung dürfte feststehen, dass die Entscheidungsgewalt bei Herrn Dr. Maier liegt. Das bedeutet für Dich ein hohes Maß an Unsicherheit.

Ungünstig ist auch, dass „neu verhandelt“ werden soll. Nach bis zu zwei Jahren wirst Du Dir bereits einen eigenen (kleinen) Patientenstamm erarbeitet und deshalb ein gesteigertes Interesse daran haben, in der Gesellschaft zu bleiben. Dadurch ist Deine Verhandlungsposition gegenüber der jetzigen leicht geschwächt. Darüber ist sich auch Dr. Maier im Klaren. Außerdem können aufgrund der Neuverhandlungen weitere (vermeidbare) Anwaltskosten anfallen. Deshalb sollten die Modalitäten bezüglich Deiner späteren Beteiligung an der Praxis bereits mit dem Gesellschaftsvertrag ausgehandelt werden.

§ 8 Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft

…Die Gesellschafter bestellen einen Mitgesellschafter für die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft. Während der Kennenlernphase obliegt dieses Recht ausschließlich Herrn Dr. Maier…

…Die Gesellschaft führt zunächst die vorhandenen Bankkonten von Herrn Dr. Maier weiter. Sämtliche Zahlungen haben ausschließlich über diese Konten zu erfolgen. Herr Dr. Maier hat alleinige Kontenvollmacht…

…solange sich Herr Dr. Müller nicht an den materiellen und immateriellen Werten der Gesellschaft beteiligt ist, besitzt Herr Dr. Maier die qualifizierte Mehrheit…

In der Gesamtschau ist festzustellen, dass Du wohl nicht Gesellschafter der Praxis, sondern Angestellter selbiger werden sollst. Du hast faktisch keinerlei Rechte. Eine Beteiligung am Praxisvermögen ist nicht vorgesehen, Gewinn und Verlust trägt ebenfalls Herr Dr. Maier während Du ein Pauschalhonorar bekommst, und von der Geschäftsführung im Zweifel dauerhaft ausgeschlossen sein sollst. Der Vertrag ist dringend überarbeitungsbedürftig und sollte nicht unterschrieben werden.

Hellhörig solltest Du im Übrigen auch bei folgenden Formulierungen werden:

…das Praxiseigentum verbleibt im alleinigen Eigentum des bisherigen Praxisinhabers.
Über die Angelegenheiten der Gesellschaft entscheiden die Gesellschafter grundsätzlich mit der Mehrheit des Praxisvermögens.

…Gewinn und Verlust richten sich nach dem Umfang der Beteiligung der Gesellschafter am Praxisvermögen…

…In allen Fällen der Kündigung oder des Ausscheidens steht das Recht zur Fortführung der Praxis während der ersten drei Jahre alleine dem bisherigen Praxisinhaber zu. Danach hat grundsätzlich der Gesellschafter das Fortführungsrecht, der die Mehrheit am Praxisvermögen hält.

Hier würdest Du wieder durch die Hintertür von allen wesentlichen Rechten und Pflichten eines Gesellschafters ausgeschlossen, da Du ja überhaupt keine Anteile am Praxisvermögen hältst und ein Erwerb nur erfolgen kann, nicht muss. Wie Du Dir vorstellen kannst, gibt es eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, so dass ich Dir nur empfehlen kann, mir Deinen Vertrag noch mal zuzuschicken, bevor Du ihn unterschreibst. Beste Grüße R.“

Wohl dem, der einen Rechtsanwalt kennt, der sich mit den speziellen Anforderungen eines Gesellschaftsvertrags im medizinischen Bereich auskennt. Den anderen konnten wir an dieser Stelle nur einen ersten Eindruck von möglichen Formulierungen nicht unproblematischer Vertragsklauseln verschaffen.

Fazit

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Nullbeteiligung immer das Risiko der Nichtigkeit nach § 138 BGB bzw. wegen Verstoß gegen vertrags(zahn)arztrechtliche Vorschriften innewohnt. Insoweit sollte dringend davon abgesehen werden, eine längere Übergangsphase als drei Jahre zu vereinbaren. Dieser Zeitraum wird in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zur Hinauskündigungsklausel während der Kennenlern-Phase derzeit überwiegend für zulässig und zumutbar erachtet.

Ein weiteres Risiko stellt die (abrechnungsrelevante) Beurteilung seitens der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung dar, ob überhaupt noch eine Gesellschaftereigenschaft vorliegt, oder ob es sich bei der Nullbeteiligung vielmehr um ein so genanntes „verdecktes Anstellungsverhältnis“ oder um eine „Scheingesellschaft“ handelt. Maßgeblich zur Abgrenzung zur „Scheingesellschaft“ bzw. dem „verdeckten Anstellungsverhältnis“ und mithin zur Frage nach der Selbständigkeit des Arztes ist auch nach dem LSG Niedersachsen-Bremen (Urt. v. 17.12.2008 – L 3 KA 316/04) im Wesentlichen die Gesamtschau der genannten Umstände. Folglich die Beteiligung an Gewinn und Verlust, die Beteiligung am materiellen Vermögen und am immateriellen Wert der Praxis, das Tragen eines Unternehmerrisikos bzw. die Art der Vergütung, die gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten und die Ausübungsbefugnis des Direktionsrechts gegenüber den sonstigen Beschäftigten.

Entsprechend sollte das Vertragsmodell der „Nullbeteiligung“ mit Vorsicht genossen und die Ausgestaltung besser mit einem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht abgestimmt werden.

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