3. Dezember 2018

In der aktuellen öffentlichen Diskussion werden einige Begrifflichkeiten nicht mehr klar voneinander abgegrenzt, teilweise miteinander vermengt oder sogar verwechselt. Über die richtige Unterscheidung von „Selbständigkeit“ und „Freiberuflichkeit“ haben wir auf unserem Blog bereits berichtet. Nun soll der Begriff des MVZ näher erläutert werden. Der Artikel richtet sich vor allem auch an jüngere (Zahn-)Ärztinnen/Ärzte, die während des Studiums keine Berührungspunkte mit MVZ hatten.

Gesetzliche Verankerung

Medizinische Versorgungszentren, kurz MVZ, werden in § 95 SGB V definiert.

„An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister (…) eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der ärztliche Leiter muss in dem medizinischen Versorgungszentrum selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein; er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei. (…)“

§ 95 Abs. 1 SGB V

Vorgänger = Polikliniken der DDR

Angelehnt an die Organisationsform der ehemaligen DDR-Polikliniken wurden MVZ im Jahre 2004 neu im deutschen Gesundheitssystem etabliert.

MVZ nehmen also, genau wie selbständig niedergelassene Vertrags(zahn)ärzte, regelhaft an der ambulanten vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung der gesetzlichen Krankenkassen teil. Mit wenigen Abweichungen gelten damit auch für MVZ die Regeln der Leistungserbringung. Auf Grund dessen werden MVZ auch weder bei der Abrechnung noch in sonst irgendeiner Art und Weise bevorzugt.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages weisen auf folgende öffentliche Kritikpunkte an MVZs hin: „MVZ stehen immer wieder in der öffentlichen Kritik, insbesondere aus der Ärzteschaft, was angesichts der zunehmenden Konkurrenz im ambulanten Sektor kaum verwundern kann. Dabei wird hauptsächlich kritisiert, dass das ‚Eindringen‘ von Managementgesellschaften, privaten Klinik-Trägern und Krankenhäusern in den ambulanten Versorgungsmarkt die freie Arztwahl der Patienten einschränke, die Freiberuflichkeit der ärztlichen Tätigkeit gefährde und niedergelassene Facharztpraxen verdränge. Tatsächlich führen die MVZ in absoluten Zahlen nach wie vor ein Nischendasein.“ Auch in der aktuellen Diskussion werden bislang keine Erfahrungsberichte oder Praxisbeispiele bezüglich der Kritikpunkte angeführt. Es werden ausschließlich pauschal Behauptungen zu den MVZ aufgestellt, die das tatsächliche Bild verzerren.

Die KBV fasst zum Stand am 04.09.2017 zusammen, dass MVZ überwiegend mit angestellten Ärzten oder mit Vertragsärzten und angestellten Ärzten arbeitet. Hier stellt sich die Frage, mit wem denn sonst?

Wer kann ein MVZ gründen?

„Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen (…), von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung, Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden.

§ 95 SGB V Abs. 1a

In welcher Rechtsform ist ein MVZ möglich?

Ein MVZ kann nach der aktuellen Rechtslage nur in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform gegründet werden.

Medizinische Leitung = Ärztlicher Leiter

Die medizinische Leitung in einem MVZ übernimmt der ärztliche Leiter. Dieser ist selbst als angestellter (Zahn-)Arzt oder Vertrags(zahn-)arzt im MVZ tätig. Er ist stets weisungsfrei. Dies ist auch im Arbeitsvertrag zu verankern.

MVZ Größe bzw. Anzahl der Angestellten

Die durchschnittliche Arbeitsgröße der MVZ erhöhte sich bisher langsam, aber stetig. 2016 ist erstmals ein leichter Rückgang über alle MVZ hinweg ersichtlich – die MVZ arbeiten durchschnittlich mit 6,4 Ärzten. So die Zahlen der KBV. Von großen übermächtigen Einheiten kann da keine Rede sein.

Warum ein MVZ gründen?

Die Gründung eines Versorgungszentrums bietet sich z.B. dann an, wenn die maximal zulässige Angestelltenanzahl von aktuell 2 Zahnärzten (Vollzeit) pro Vertragszahnarzt erreicht ist. Denn in einem MVZ existiert keine derartige Begrenzung. Da immer mehr junge Ärzte/ Zahnärzte – insbesondere Ärztinnen/Zahnärztinnen – den Weg in die Anstellung suchen, kann mittels Gründung eines MVZ auf die aktuellen und zukünftigen Gegebenheiten reagiert werden.

Unterschiede zur Gemeinschaftspraxis

MVZ und Gemeinschaftspraxis unterscheiden sich aus Sicht des Patienten kaum voneinander. Während Gemeinschaftspraxen von Ärzten und Zahnärzten der gleichen Fachrichtung gegründet werden, ist bei einem MVZ in der Regel die Interdisziplinarität gewünscht.

Der Unterschied beider Versorgungsstrukturen ist erst auf einer Ebene feststellbar, die ein Patient überhaupt nicht wahrnimmt. Die größten Unterschiede zwischen Praxis-MVZ und Gemeinschaftspraxis bestehen bei den Wachstumsmöglichkeiten und hinsichtlich der Praxisabgabe eines Partners.

Der deutliche Vorteil eines MVZ gegenüber einer „klassischen“ Gemeinschaftspraxis sind sicherlich die Wachstumsmöglichkeiten und –chancen. Das mögliche Wachstum einer Praxis ist aufgrund der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung begrenzt. Die sich aus dem Bundesmantelvertrag ergebende Begrenzung, wonach eine Vertrags(zahn)arzt zwei vollzeitbeschäftigte (Zahn)ärzte, bzw. bis zu vier halbzeitbeschäftigte (Zahn)ärzte anstellen kann, schränkt Vertrags(zahn)ärzte auf Expansionskurs erheblich ein. Im MVZ können hingegen weitere Zulassungen hinzugekauft bzw. beantragt werden. So kann mit der Zeit ein stabiles ambulantes MVZ entstehen, das durch die Bündelung von Arztsitzen und die Anstellung von Ärzten/ Zahnärzten wirtschaftliche Möglichkeiten mit sich bringt.

Ein weiterer Vorteil ist die Exitstrategie für den Abgeber. Für einen ausscheidenden Arzt in einer Gemeinschaftspraxis muss ein Nachfolger gefunden werden, der gegen Zahlung einer entsprechenden Summe Zulassung und Praxisanteil übernimmt. Beim Praxis-MVZ können die verbleibenden Partner Zulassung und Praxisanteil des ausscheidenden Arztes gemeinsam erwerben. Sie können sich die Investition teilen und einen neuen Arzt anstellen. Für den Einzelnen ist damit die Belastung geringer, die Zulassung bleibt bei den bisherigen Partnern und die Praxisabgabe ist gesichert.

Fazit

Die Zusammenarbeit kennt viele Formen. Eine davon ist das MVZ. Mehr verbirgt sich hinter einem Versorungszentrum nach unserer Auffassung nicht. Auch die Statistiken bestätigen, dass Zentren mit durchschnittlich 6 angestellten Ärzten betrieben werden. Das findet sich auch bei den Gemeinschaftspraxen. Das in der Diskussion dargestellte Schreckgespenst lässt sich in der Realtität nicht finden. Tatsächlich ist das MVZ eine medizinrechtlich und gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeit. Ob die Gründung eines MVZ in Ihrem Fall sinnvoll ist oder andere Fragen zum MVZ, wir beantworten sie Ihnen gerne! Sprechen Sie uns einfach an oder kommentieren Sie unseren Beitrag.

Kategorien
Newsletter
Wollen Sie unter den Ersten sein, die über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitsrecht und der Gesundheitspolitik informiert werden?

2 Antworten

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    wie sieht es aber mit Einzelpraxen aus? Ich selbst führe eine Hausarztpraxis im Bergischen Land und frage mich seit Jahren, wie ich da steuerlich mehr hausholen kann. Viel googeln hilft leider nicht viel (https://www.landarztboerse.de/die-arztpraxis-in-rechtsform-der-einzelpraxis/mag-155). Ich kenne mich im Gesellschaftsrecht nicht aus. Kann ich mit der Praxis-Rechtsform wirklich so viele Steuern sparen, wie gelegentlich zu lesen ist (https://monetaris.de/wie-aerzte-mit-ihrer-praxis-bis-zu-30-steuern-sparen-koennen/)? Und welche ist denn nun die beste Rechtsform für meine Einzelpraxis? Ist es die GmbH 8 (https://www.aerzteblatt.de/archiv/57574/Arzthaftung-Rechtsform-der-GmbH-schuetzt-nur-bedingt-vor-Anspruechen)?
    Herzliche Grüße sendet Dr. Küster

  2. Sehr geehrter Herr Dr. Küster,

    ob eine GmbH sinnvoll ist oder nicht, lässt sich nicht pauschal beantworten. Eine pauschale Antwort auf Ihre Frage wäre auch nicht seriös. Um die Frage beantworten zu können, müsste man z.B. die finanziellen Rahmenbedingungen der Praxis kennen und auch wissen, was mit dem MVZ langfristig geplant ist. Wir planen die Gründung eines MVZs daher stets nur, wenn dir den Statuts Quo der Praxis kennen und ausschließlich in enger Abstimmung mit dem Steuerberater der Praxis. Aus unserer Sicht ist es ein großer Fehler, wenn hier der eine Berater meint, ohne den anderen auszukommen.

    Beste Grüße
    Jens Pätzold

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.