19. September 2024

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat am 23. April 2024 (Az. 9 U 1097/23) die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, wonach das Werben für ästhetische Eingriffe (operative plastisch-chirurgische Eingriffe gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG) mittels vergleichender Vorher-Nachher Darstellungen einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) darstellt und daher unzulässig ist. Dies gilt neuerdings unabhängig davon, ob es sich dabei um fotorealistische Abbildungen handelt oder schematische Darstellungen durch Avatare. Des Weiteren wurde klargestellt, bei welchen Eingriffen es sich um operative plastisch-chirurgische Eingriffe gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG handelt. Diese Entscheidung setzt neue Maßstäbe für den Umgang mit Werbung für ästhetische Eingriffe.

Vorher-Nachher-Bilder mit Avataren

Bei der Beklagten handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Spezialklinik für plastische-ästhetische Chirurgie, welche auf ihrer Website mit schematischen Vorher-Nachher Darstellungen von Avataren für Lippenunterspritzungen mit Hyaluron wirbt. Der Kläger ist ein Wirtschaftsverband, welcher die Unterlassung der Werbung anhand der Darstellungen fordert, mit der Begründung, dass auch die schematischen Vorher-Nachher-Darstellungen mit Avataren gegen § 11 Abs. 1 S.3 Nr. 1 HWG verstoßen.

Vorher-nachher
Vorher-Nachher

Quelle: https://www.landesrecht.rlp.de/bsrp/document/NJRE001582390

Suggestive Wirkung von schematischen Darstellungen

Nach § 11 Abs. 1 S.3 Nr. 1 HWG darf für operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit, nicht durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor- und nach dem Eingriff geworben werden. Die bisherige Rechtsprechung konzentrierte sich dabei weitestgehend auf fotorealistische Vorher-Nachher Abbildungen und lehnt diese als unzulässig ab. Das OLG Koblenz schreibt nun auch schematischen Darstellungen von Avataren eine suggestive Wirkung auf potenzielle Patienten zu.

Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 S.3 Nr. 1 HWG umfasst sämtliche Abbildungen, die visuell wahrgenommen werden können und den menschlichen Körper erkennen lassen. Entscheidend ist die vergleichende Wirkung der Darstellung und die daraus resultierende mögliche Beeinflussung des Patienten, sich dem ästhetischen Eingriff zu unterziehen.

Lippenunterspritzung als operativer plastisch-chirurgische Eingriff

Das Gericht stellte sich außerdem der Frage, ob es sich bei der Lippenunterspritzung durch Hyaluron mittels einer Kanüle, überhaupt um einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff gem. § 1 Abs.1, Nr. 2c HWG handelt. Eine einheitliche Definition, was unter einem „operativen plastisch-chirurgischen Eingriff“ zu verstehen ist, gibt es nicht. Nach § 1 Abs.1, Nr. 2c HWG wird ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff zur Veränderung des Körpers ohne medizinische Indikation vorausgesetzt, wie diese Veränderung vorzunehmen ist, wird im Gesetz nicht näher ausgeführt. Bisher war umstritten, ob auch Unterspritzungen mit Hyaluronsäure von diesem Werbeverbot umfasst sind. Das OLG Koblenz stellt nunmehr klar, dass eine Formveränderung durch Unterspritzung genügt. Bei einem operativen plastisch-chirurgischen Eingriff ist nicht der Einsatz eines Skalpells zur Form- und Gestaltveränderung des Körpers erforderlich. Demnach fallen neben der Unterspritzung der Lippen mit Hyaluron beispielsweise auch andere Hautunterspritzungen mit Hyaluron, Augenlidkorrekturen und Fettabsaugungen unter das Werbeverbot.

Neue Möglichkeiten und Konsequenzen für die Praxis

Das OLG Koblenz hat im Hinblick auf den Verbraucher- und Gesundheitsschutz die Werbemöglichkeiten weiter eingeschränkt und neue rechtliche Anforderungen an das Werben für ästhetische Eingriffe gestellt. Dies legt den Fokus in der Praxis vor allem auf die individuelle und persönliche Beratung der Patienten. Durch den Verzicht auf Werbung mit Vorher-Nachher-Darstellungen, können unrealistische Vorstellungen von Patienten vorgebeugt werden, welche häufig aus einer Fehleinschätzung der eigenen Voraussetzungen beruhen. Vorher-Nachher-Darstellungen bilden oft nur einen bestimmten Typ ab, welcher es erschwert, das Ergebnis auf die eigenen Gegebenheiten zu übertragen. Der behandelnde Arzt hat weiterhin die Möglichkeit, die Vorher-Nachher-Darstellungen innerhalb des persönlichen Aufklärungsgesprächs zu nutzen und diese für den Patienten in den richtigen Kontext einzuordnen.

Welche Werbemaßnahmen zulässig sind und welche Möglichkeiten es gibt, Testimonials, Erfahrungsberichte von Patienten oder Nachher-Abbildungen einzusetzen, ist im Einzelfall juristisch zu prüfen. Auch eine regelmäßige Überprüfung auf die Gesetzeskonformität Ihrer Werbemaßnahmen ist essenziell, da Verstöße gegen das HWG zu Abmahnungen durch Wettbewerbsverbände und hohen Bußgeldern wie auch berufsrechtlichen Verfahren vor der Ärztekammer führen können.

Gerne prüfen wir für Sie die Konformität Ihrer Werbemaßnahmen mit der aktuellen Rechtslage und unterstützen Sie bei der Auswahl von zulässigen und geeigneten Werbemöglichkeiten.

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