Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 31.07.2025 entschieden, dass die Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern im Rahmen kosmetischer Behandlungen, wie Injektionen von Hyaluronsäure oder Botulinumtoxin, unter das Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG fallen, sofern die Eingriffe nicht medizinisch indiziert sind. Der BGH bestätigte damit die Entscheidung des OLG Hamm (4 UKl 2/24), in dem erstmals klargestellt wurde, dass auch minimalinvasive Verfahren unter das Heilmittelwerbegesetz fallen, wenn sie plastisch-chirurgischen Eingriffen gleichzusetzen sind.
Sachverhalt
Die Beklagte, das auf ästhetische Medizin spezialisierte Unternehmen A. von „Dr. Rick und Dr. Nick“, teilte in den sozialen Medien regelmäßig Vorher-Nachher-Fotos von Patienten, die sich verschiedenen Arten von Unterspritzungen unterzogen hatten. Gezeigt wurden insbesondere volle Lippen, betonte Wangen oder eine konturierte Nase. Die dahinterstehende Botschaft war stets ein „ästhetisch optimiertes Nachher“, wodurch Patienten generiert werden sollten. Problematisch ist, dass solche Darstellungen den potenziellen Kunden suggerieren, bei ihnen sähe das Ergebnis ähnlich aus. Diese Annahme blendet allerdings die individuelle Beschaffenheit des Körpers und die damit einhergehenden Unterschiede der Behandlungsergebnisse aus. Genau aus diesen Gründen schuldet der Arzt keinen konkreten Behandlungserfolg, sondern lediglich die ordnungsgemäße Tätigkeit de lege artis, vgl. §§ 630a ff. BGB.
Selbst wenn Dr. Rick und Dr. Nick im persönlichen Aufklärungsgespräch auf diese Besonderheiten hinweisen würden, bleibt es dabei, dass derartige Fotos irreführend sein können. Insbesondere, da in sozialen Medien ohnehin oftmals bearbeitetes Material gepostet wird. Die Verbraucherzentrale NRW beanstandete das Vorgehen der beiden Ärzte daher als Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz, durch das Verbraucher unter anderem vor einer Verleitung zur Vornahme nicht medizinisch indizierter Eingriffe geschützt werden sollen.
Rechtliche Einordnung
Die zentrale Frage des Verfahrens war, ob es sich bei der Tätigkeit von Dr. Rick und Dr. Nick noch um eine zulässige Aufklärung der Verbraucher oder bereits um eine unzulässige Werbung handelte. Der Fall bewegt sich damit primär im Bereich des § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG, der Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für nicht medizinisch indizierte, operative plastisch-chirurgische Eingriffe untersagt. Dies soll Verbraucher vor einer Verharmlosung ästhetischer Behandlungen schützen, die, wie jeder Eingriff, gewisse Gesundheitsrisiken, wie Infektionen oder Gefäßverschlüsse, mit sich bringen. Hiergegen wandte die Beklagte ein, dass es sich bei Injektionen von unter anderem Hyaluronsäure nur um minimalinvasive Eingriffe handele, die nicht unter die Regelung des HWG fielen. Dies überzeugte allerdings weder das OLG Hamm noch den BGH.
Der BGH stellt klar, dass § 11 HWG nicht auf klassische chirurgische Eingriffe beschränkt, sondern weit auszulegen ist. Umfasst sind damit auch Maßnahmen wie Unterspritzungen mit Fillern oder Botulinumtoxin. Entscheidend ist nicht, dass ein Skalpell verwendet wird, sondern dass mit einem medizinischen Instrument irgendeine, das Erscheinungsbild verändernde, Handlung am Körper durchgeführt wird, die nicht medizinisch indiziert ist. Im Fall einer Unterspritzung wird mit einer Kanüle in die Haut gestochen, die anschließend aufgepolstert und dementsprechend „verändert“ aussieht.
Die Gefahr der Beeinflussung durch Vorher-Nachher-Bilder von Personen mit einem geringen Selbstwertgefühl oder anderen dafür empfänglichen Gruppen, wie z.B. Jugendliche, rechtfertigt eine strikte Anwendung der Norm. Damit gebietet der BGH der Werbung mit vermeintlich allgemein anerkannten Schönheitsidealen Einhalt.
Fazit zu Vorher-Nachher-Bildern für Schönheitseingriffe
Der BGH hat ein deutliches Signal gesetzt: Ob Werbebeschränkungen bei ästhetischen Eingriffen gelten, richtet sich nicht nach dem Werkzeug (Skalpell oder Kanüle), sondern nach Eingriffsintensität, Veränderung und Schutzbedürfnis der Verbraucher. Vorher-Nachher-Bilder sind daher auch bei Hyaluron- oder Botoxbehandlungen jedenfalls unzulässig, wenn keine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Die Entscheidung stärkt den Schutzzweck des HWG und zieht eine deutliche Grenze zwischen medizinischer Aufklärung und suggestiver Schönheitsvermarktung. Hierdurch werden Personen geschützt, die leicht durch vermeintliche Schönheitsideale zu beeinflussen sind, wozu insbesondere jüngere Menschen zählen.
Der Fokus der Auftritte von Ästhetikunternehmen in sozialen Medien muss künftig wieder weg von nichtssagenden Vergleichsbildern und hin zu einer neutralen Aufklärung gelenkt werden. Um Wettbewerbsverstöße und damit Abmahnungen zu vermeiden, sollten Social-Media-Auftritte dringend angepasst werden.
Dies ist weder für Ärzte noch für Patienten von Nachteil: So führt es doch dazu, dass der Patient sich nicht von falschen Vorstellungen zu einer Behandlung verleiten lässt, die bei ihm gegebenenfalls zu einem völlig anderen Ergebnis führen würde. Damit einhergeht, dass Arzt und Patient vor dem Eingriff intensiver darüber sprechen müssen, was im konkreten Fall möglich ist. Es bleibt festzuhalten, dass damit einmal mehr der medizinethische Goldstandard unterstrichen wird: die Anerkennung und Achtung der Individualität jedes einzelnen Patienten. Die Entscheidung des BGH ist daher zu begrüßen.