Der Personalmangel ist in der Gesundheitswirtschaft bekanntlich seit Jahren das große Thema. Mitarbeiter kann man fast nur noch dadurch gewinnen, dass man sie von einem Arbeitsplatzwechsel überzeugt. Dies hat vermutlich jeder auf Arbeitgeber und auf Arbeitnehmerseite bereits erlebt. Gerade bei größeren Einheiten ist es beliebt, sich die Arbeit von Personalberatern („Headhuntern“) abnehmen zu lassen. Diese kontaktieren dann die möglichen Kandidaten regelmäßig am Arbeitsplatz – doch ist dies während der Arbeitszeit eigentlich gestattet?
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 09.08.2018, Az.: 6 U 51/18) sieht das sehr kritisch. Zu Grunde lag ein Fall, in dem eine Mitarbeiterin über fünf Tage insgesamt sieben Mal auf dem privaten Handy angerufen wurde. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte zunächst klar, dass grundsätzlich Mitarbeiter abgeworben werden dürfen. Seine Grenze findet dieses Recht allerdings, wenn beim bisherigen Arbeitgeber die Abwerbeversuche dazu führen, dass die ungestörten Betriebsabläufe beeinträchtigt werden.
Erlaubt ist ein kurzes Gespräch mit folgendem Inhalt:
– Bekanntmachen,
– Zweck des Anrufs mitteilen,
– Anfrage, ob Interesse an der Kontaktaufnahme allgemein und zu diesem Zeitpunkt besteht,
– bei Interesse knappe Umschreibung der offenen Stelle,
– bei weiterem Interesse Vereinbarung einer Kontaktmöglichkeit außerhalb des Arbeitsplatzes.
Folgekontakte am Arbeitsplatz von Personalberatern werden vom OLG Frankfurt ausdrücklich als unzulässig bewertet. Es muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass sich sonst der Abwerbende der Betriebsorganisation des abgeworbenen Betriebes (z. B. Telefonzentrale) bedient und dies trotz entgegenstehender Interessen. Zudem kann im Betrieb Unruhe entstehen. Dies sieht das OLG Frankfurt auch bei einem Anruf auf dem privaten Handy, da das Verschwimmen von privater und dienstlicher Nutzung eines Mobiltelefons heutzutage häufig ist. Bei einem Mobilfunkanruf muss der Abwerbende daher zunächst fragen, ob sich der umworbene Arbeitnehmer zur Zeit am Arbeitsplatz befindet.
Fazit
Abwerbeversuche am Arbeitsplatz dürfen sich nur auf kurze Telefonate mit den nötigsten Informationen beschränken. Bei Anrufen auf Mobilfunknummern muss zunächst gefragt werden, ob sich der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz befindet. In anderen Fällen könnte der bisherige Arbeitnehmer den Abwerbenden auf Unterlassung in Anspruch nehmen.
Zu beachten ist bei diesem Urteil, dass es sich um einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch handelt, bei dem die arbeitsrechtliche Komponente nicht bewertet wurde.