Dass das Gesundheitswesen vor erheblichen Veränderungen steht und neue Gesetze zu neuen Marktbedingungen führen klingt mittlerweile nach einer abgedroschenen Phrase. Und doch ist es im Jahr 2015 genau so. Für Zahnärzte wird es aller Voraussicht nach ganz wesentlichen Gesetzesänderungen geben, die aus unserer Sicht erfreuliche Chancen für niedergelassene Zahnärzte bieten. Allerdings muss man diese Chancen auch erkennen und zu nutzen wissen.
Neue Chancen
Grundlage dieser neuen Chancen ist das sog. GKV-Versorgungsstärkungsgesetz. Nachdem das Bundeskabinett dieses Gesetz am 17.12.2014 beschlossen hat, ist mit dessen Inkrafttreten im Sommer 2015 zu rechnen.
Mit diesem Gesetz wird den Zahnärzten eine Versorgungsform eröffnet, die ihnen bislang weitgehend verschlossen war: Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ). Während bislang Gründungsvoraussetzung für ein MVZ war, dass es fachübegreifend, also durch Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen betrieben wurde, kann ein MVZ nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz auch fachgruppengleich gegründet werden. Und damit eben auch durch zwei Zahnärzte.
Das MVZ würde insbesondere wachstumsorientierten Zahnärzten neue Möglichkeiten geben. Denn das Wachstum ist für klassische Einzelpraxis und auch für die bislang übliche Berufsausübungsgemeinschaft aufgrund der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung begrenzt. Zudem darf der Vertragszahnarzt auch nur zwei weitere Vollzeitzahnärzte anstellen. Im MVZ gibt es diese Beschränkung der anzustellenden Ärzte nicht.
Mit dem MVZ steht den Zahnärzten für Ihre Praxis auch die Rechtsform der GmbH offen. Denn gem. § 95 Abs. 1a SGB V kann das MVZ in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet werden.
Abgesehen von der Haftungsbefreiung bietet dies zahlreiche weitere Vorteile. Beispielsweise das Ausscheiden eines Zahnarztes, in vielen größeren Praxen ein erhebliches rechtliches und wirtschaftliches Problem, kann zukünftig im Wege des GmbH-Anteilsverkaufs gestaltet werden. Hinzu kommen steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, die die MVZ-GmbH ermöglichen wird.
Und trotz dieser auf der Hand liegenden Vorteile, gibt es natürlich bereits Kritik. Bereits im Oktober gaben die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Bundeszahnärztekammer eine gemeinsame Stellungnahme zum geplanten GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ab. Dort heißt es dann u.a.
„Die mit der vorgesehenen Neuregelung weiterhin verbundene Förderung der Tätigkeit von Zahnärzten in Anstellungsverhältnissen widerspricht auch grundlegend dem Selbstverständnis des Berufstandes. Bereits gem. § 2 Abs. 1 MBO/BZÄK ist der zahnärztliche Beruf seiner Natur nach ein freier Beruf, der aufgrund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig in Diagnose- und Therapiefreiheit ausgeübt wird.“
Diese Auffassung sollten KZBV und Bundeszahnärztekammer allerdings noch einmal überdenken. Denn sie ist ebenso falsch wie unzeitgemäß.
Falsch ist die Auffassung deshalb, weil ein Zahnarzt auch in einem Anstellungsverhältnis seine Behandlung persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig in Diagnose- und Therapiefreiheit ausüben wird. Daran sollte kein Zweifel entstehen. Anderenfalls müsste man die Frage stellen, wie denn an einer Klinik Zahnheilkunde erbracht wird.
In jedem Fall ist die Auffassung der KZBV und der BZÄK nicht mehr zeitgemäß. In Zeiten, in denen immer mehr Frauen den Zahnarztberuf prägen erscheint es geradezu anachronistisch, wenn man Anstellungsmöglichkeiten und Möglichkeiten für flexible Arbeitszeiten unter Berufung auf die Freiberuflichkeit zu verhindern sucht. Hinzu kommt, dass der Markt längst nach großen Strukturen verlangt. Und so gibt es mittlerweile zahlreiche Praxiskonzepte, in denen zahlreiche Behandler zum Teil an mehreren Standorten tätig sind. Aufgrund der Beschränkung der Möglichkeit Zahnärzte anzustellen, entstehen solche Strukturen jedoch fast immer unter Nutzung komplizierter rechtlicher Umgehungsmodelle. Oder unter Einbeziehung sog. nullbeteiligter Gesellschafter. Die Konsequenz ist, dass diese Zahnärzte mit erheblichen Regressgefahren leben.
Tatsächlich ist es also erfreulich, dass die neuen gesetzlichen Regelungen die Möglichkeit eröffnen, Zahnarztunternehmen zukünftig rechtssicher und unternehmerisch sinnvoll zu gestalten. Angesichts der Investitionen, die viele Zahnärzte tragen, ist dies längst überfällig.
KZBV und BZÄK kritisieren das neue Gesetz außerdem mit folgenden Worten:
„Demgegenüber erfolgt durch die vorgesehene Neuregelung zugleich eine Förderung der Zentralisierung der Versorgung, was der Zielsetzung einer möglichst flächchendeckenden, wohnortnahen Versorgung gerade entgegensteht.“
Auch dieses Argument ist falsch. Richtig ist, dass 50% aller bisher gegründeten ärztlichen MVZs in Städten und Gemeinden mit bis zu 50.000 Einwohnern tätig sind. Die andere Hälfte ist in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern niedergelassen. Eine Zentralisierung ist also bislang nicht zu belegen. Hinzu kommt, dass diese Gefahr auch gar nicht bestehen dürfte. Vielmehr steigt seit 2011 der Anteil der Existenzgründungen in ländlichen Gebieten wieder, während er in Großstädten im gleichen Maße abnimmt. Jeder verantwortliche Berater wird den Praxisgründer auch darauf hinweisen, dass eine Gründung in einer Großstadt nur allzu oft mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbunden ist und dass die Gründung außerhalb der Ballungszentren meist erfolgreicher verlaufen.
Der Gefahr der Zentralisierung kann also durch Beratung und Aufklärung begegnet werden. Die grundsätzliche Ablehnung des Zahnärzte-MVZs geht hingegen fehl.
Neuer Wettbewerb
Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz kann aber auch neuer Wettbewerb entstehen. Denn § 95 SGB V wird auch insofern ergänzt, als dass zukünftig auch Kommunen Medizinische Versorgungszentren gründen können! Damit soll es
Kommunen ermöglicht werden, aktiv die Versorgung in der Region zu beeinflussen und zu verbessern.
Kommunen wird die Gründung eines MVZ dabei nicht nur in der Rechtsform des privaten Rechts, sondern auch in der öffentlich-rechtlichen Rechtsform des Eigenbetriebs und des Regiebetriebs ermöglicht. Einem Zustimmungserfordernis der KVen und KZVen unterliegen sie dabei nicht. Natürlich ist die Gründung eines MVZ durch eine Kommune nur nach Maßgabe der jeweiligen Bedarfsplanung möglich. Da es diese aber für Zahnärzte nicht gibt, könnte dies ein interessantes Betätigungsfeld für die eine oder andere Kommune werden.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit den Änderung der Gründungsvoraussetzungen für ein MVZ auch den Zahnärzten die gleichen Möglichkeiten wie Haus- und Fachärzten gegeben wird. Hierdurch bieten sich gerade für große Praxen und solche die groß werden wollen, neue interessante Möglichkeiten.
Wir freuen uns jedenfalls auf diese neuen Möglichkeiten, weil wir wissen, dass die Zahnärzte sie gut gebrauchen können. Sind Sie vorbereitet auf diese neue Möglichkeiten? Als Zahnarzt oder als Kommune? Sprechen Sie gerne uns an.