Für auf Terminvereinbarung spezialisierte Zahnarztpraxen ist eine zuverlässige Zeitplanung elementar. Bleiben Patienten ohne Absage dem Termin fern, entstehen der Praxis nicht nur organisatorische Lücken, sondern regelmäßig auch wirtschaftliche Einbußen. Die Frage, ob und wann hierfür ein Ausfallhonorar verlangt werden darf, beschäftigt Patienten, Praxen und Gerichte nach wie vor und erfährt durch aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs erneut an Praxisrelevanz.
Rechtliche Grundlagen – Wann steht der Praxis ein Ausfallhonorar zu?
Im Zentrum steht das sogenannte Bestellsystem: Die Praxis reserviert eine bestimmte Zeitspanne exklusiv für einen Patienten – insbesondere bei aufwendigen oder längeren Behandlungen ist eine anderweitige kurzfristige Vergabe meist unmöglich. Bereits im Jahr 2022 hat der Bundesgerichtshof (Az. III ZR 78/21) bestätigt, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Ausfallhonorar rechtlich durchsetzbar ist. Entscheidend sind hierbei insbesondere:
- Exklusivität des Termins: Der Termin ist ausschließlich für die betreffende Person geblockt – es handelt sich um eine echte Bestellpraxis.
- Transparenz und Aufklärung: Patienten müssen vorab klar, nachprüfbar und schriftlich über die Möglichkeit eines Ausfallhonorars und die damit verbundenen Voraussetzungen informiert worden sein, beispielsweise über AGB, einen eigens formulierten Hinweis oder entsprechende Angaben im Terminzettel.
- Wahrung des Kündigungsrechts (§ 627 BGB): Jeder Patient hat grundsätzlich das Recht, den Behandlungsvertrag kurzfristig auch ohne Angabe von Gründen zu kündigen. Das darf durch vertragliche Regelungen nicht unangemessen eingeschränkt werden. Nur wer so spät absagt, dass die Praxis den Termin nicht mehr anders belegen kann, riskiert eine Ausfallzahlung.
Praxistipp: Die kurze, stets mögliche Kündbarkeit durch den Patienten muss in der Praxisregelung explizit berücksichtigt werden! Starre Pflichtausfallhonorare ohne Möglichkeit zur rechtzeitigen Absage sind nicht zulässig.
Kriterien für die rechtssichere Gestaltung
Damit ein Ausfallhonorar im Streitfall Bestand hat, spielen sachgerecht definierte Fristen und Beträge eine zentrale Rolle:
- Angemessene Absagefristen: Je nach Aufwand und Umfang des Termins ist eine dem Leistungsspektrum angepasste Vorlaufzeit notwendig. Während routinemäßige Kontrolltermine eine kurzfristige Absage ermöglichen, sind komplexe chirurgische Eingriffe mit längeren Fristen zu versehen.
- Höhe des Ausfallhonorars: Dieses darf nie höher sein als die Vergütung der tatsächlich ausgefallenen Behandlung. Das Ausfallhonorar soll eine wirtschaftlich angemessene Kompensation darstellen, nicht jedoch eine Strafzahlung.
- Anrechnung erlittener oder umgewandelter Einnahmen: Die Praxis hat sich anrechnen zu lassen, wenn sie den Termin trotz Absage noch anderweitig vergeben und Einnahmen erzielen konnte.
Empfehlungen für die Praxis – rechtssicher und patientenorientiert
Der Schlüssel liegt in einer klaren, nachvollziehbaren Kommunikation und konsequenten Dokumentation:
- Offenheit bereits bei der Terminvereinbarung: Teilen Sie Patienten direkt – mündlich, schriftlich oder digital – mit, dass die Termine exklusiv vergeben werden und bei kurzfristigem Nichterscheinen ein Ausfallhonorar anfallen kann.
- Transparente und differenzierte Regelung zur Absagefrist: Passen Sie diese individuell je nach Terminart an. Kurze Fristen bei einfachen Behandlungen, längere Fristen bei aufwendigeren Eingriffen sorgen für Fairness auf beiden Seiten.
- Schriftliche Bestätigung: Lassen Sie sich im Zweifel den Hinweis auf das Ausfallhonorar und die geltenden Fristen per E-Mail, Formular oder auf dem Terminzettel vom Patienten bestätigen. So stellen Sie Ihr Vorgehen auch im Streitfall auf ein solides Fundament.
Balance zwischen Recht und Patientenbindung
Auch wenn Ausfallhonorare rechtlich zulässig sind, bleibt der respektvolle Umgang mit Patienten essenziell. Eine sachliche, verständliche Information über die Hintergründe – etwa die wirtschaftliche Notwendigkeit und die Besonderheit der individuellen Terminvergabe – stärkt das Vertrauen und fördert das Verständnis der Patienten für etwaige Gebühren bei kurzfristigen Absagen.
Fazit
Durch klare Kommunikation, angemessene Fristen und dokumentierte Einverständniserklärungen schützen Zahnarztpraxen nicht nur ihre wirtschaftlichen Interessen, sondern stärken zugleich die Transparenz und Fairness im Verhältnis zu ihren Patienten. Seriöse, individualisierte Ausfallhonorare lassen sich rechtssicher vereinbaren – vorausgesetzt, sie werden umsichtig und mit Augenmaß umgesetzt. So bleiben sowohl Effizienz als auch Vertrauensverhältnis gewahrt. Sollten Sie mit dem Gedanken spielen, Ausfallhonorare in Ihrer Praxis rechtssicher umzusetzen, beraten wir Sie gerne.
Mehr zum Thema Ausfallhonorar.