Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Sitzung am 17. Februar 2011 beschlossen, die Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts- Richtlinien) zu ändern. Der Beschluss dient dabei der Umsetzung der Vorgaben der am 01.Januar 2010 in Kraft getretenen neuen Fassung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchwKG). Mit dem neuen SchwKG wurden Vorgaben für die Beratung im Vorfeld einer möglichen medizinischen Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch eingeführt.
A. Anforderungen an die Beratung nach Erhebung von auffälligen pränataldiagnostischen Befunden
Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses enthält Anforderungen an die Beratung nach Erhebung von auffälligen pränataldiagnostischen Befunden. Danach liegen für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die folgenden Verpflichtungen vor:
1. Allgemeinverständliche und ergebnisoffene Beratung
Die Ärztinnen und Ärzte sind nunmehr verpflichtet, eine allgemeinverständliche und ergebnisoffene Beratung vorzunehmen, wenn aufgrund pränataldiagnostischer Befunde dringende Gründe dafür sprechen, dass eine körperliche oder geistige Schädigung des Kindes vorliegt.
2. Hinzuziehung weiterer Ärztinnen/ Ärzte, die auf die Gesundheitsschädigung des Kindes spezialisiert sind
Der die Diagnose mitteilende Arzt hat über die medizinischen und psychosozialen Aspekte, die sich aus dem Befund ergeben, unter Hinzuziehung weiterer Ärztinnen und Ärzte, die auf die Gesundheitsschädigung des Kindes spezialisiert sind und über diesbezügliche Erfahrung verfügen, aufzuklären. Dabei soll eine eingehende Erörterung der möglichen medizinischen, psychischen und sozialen Fragen, sowie der Möglichkeiten zur Unterstützung bei physischen und psychischen Belastungen erfolgen.
3. Hinweis auf den Beratungsanspruch durch psychosoziale Beratungsstellen und im Einvernehmen mit der Schwangeren Vermittlung dorthin sowie zu Selbsthilfegruppen und Behindertenverbänden
Im Rahmen dieser Beratung sind der Schwangeren Informationsmaterialien nach § 1 Abs.1a Schwangerschaftskonfliktgesetz auszuhändigen. Es handelt sich dabei um Informationsmaterial zum Leben mit einem geistig oder körperlich behinderten Kind und dem Leben von Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Der behandelnde Arzt hat zudem über den Rechtsanspruch auf weitere und vertiefende psychosoziale Beratung zu informieren und im Einvernehmen mit der Schwangeren Kontakte zu Beratungsstellen und zu Selbsthilfegruppen sowie zu Selbsthilfegruppen oder Behindertenverbänden zu vermitteln.
B. Konsequenz für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte
Aus der Änderung der Mutterschafts-Richtlinien ergeben sich für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte bei Vorliegen auffälliger pränataldiagnostischer Befunde gegenüber der Schwangeren umfangreiche Aufklärungs- und Beratungspflichten. Um die sich bei Verletzung der gesetzlichen Aufklärungs- und Beratungspflicht ergebenden Haftungsrisiken zu minimieren wird empfohlen, diese Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses zukünftig penibel einzuhalten und insbesondere sorgfältig auf eine diesbezügliche Dokumentation zu achten.
Autorin: Ref. jur. C. Jochem