Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 13.11.2025 (Az.: B 12 BA 4/23 R) entschieden, dass ein Arzt als Gesellschafter einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), welche ärztliche Leistungen für ein Krankenhaus erbringt, sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Das BSG bejahte ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v § 7 Abs. 1 SGB IV zwischen dem Arzt als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und dem Krankenhausträger, obwohl der streitgegenständliche Kooperationsvertrag mit der BAG und nicht mit dem Arzt geschlossen war.
Welcher Fall lag dem Urteil zugrunde?
Im vorliegenden Fall klagte ein Arzt als Gesellschafter einer nephrologischen BAG gegen einen Bescheid der Rentenversicherung, die auf seinen Statusfeststellungsantrag nach § 7a SGB IV hin festgestellt hatte, dass er seine ärztliche Tätigkeit im kooperierenden Krankenhaus als abhängige Beschäftigung ausübe und deshalb der Versicherungspflicht in allen Versicherungszweigen unterliege. Das Krankenhaus war die Kooperation Jahre zuvor eingegangen, weil es selbst nicht über angestellte NephrologInnen verfügte und die ÄrztInnen der BAG zur Sicherstellung seiner Leistungsfähigkeit benötigte.
Wie argumentierten die Beteiligten?
Die beklagte Rentenversicherung vertrat die Ansicht, der Kläger sei in die Strukturen des Krankenhauses eingegliedert und trage keinerlei unternehmerisches Risiko.
Der Kläger hingegen argumentierte, er sei als Arzt in der Erbringung seiner Tätigkeit weisungsfrei. Eine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung folge auch nicht aus seiner Gesellschafterstellung. Er stehe überdies in keiner vertraglichen Beziehung zu dem mit der BAG kooperierenden Krankenhaus und trage als Gesellschafter der GbR außerdem ein unternehmerisches Risiko.
Wie entschieden die jeweiligen Instanzen?
Die erste Instanz (SG Wiesbaden) gab der Klage des Arztes statt und vertrat die Ansicht, der Kläger habe seine Tätigkeit nicht für das Krankenhaus, sondern für die BAG erbracht. Es sei dem Krankenhaus mangels eigener Vertragsbeziehungen zum Kläger unmöglich, über dessen Arbeitskraft zu verfügen.
Die zweite Instanz (LSG Hessen) sowie letztinstanzlich das BSG kamen jedoch zum gegenteiligen Ergebnis: Sie hielten die Bescheide der Rentenversicherung für rechtmäßig und bejahten das Bestehen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses, weil sie den Kläger als in das Krankenhaussystem eingegliedert ansahen.
Wie begründete das BSG seine Entscheidung?
Maßgeblich für die Entscheidungsbegründung des Senats war die Auslegung des Kooperationsvertrages. Hiernach war der Kläger nicht nur zu ärztlichen Leistungen, sondern u. a. auch zur Beteiligung an Abrechnungsprüfungen und zur Einhaltung besonderer regulatorischer Rahmenbedingungen im Krankenhausbetrieb (z. B. im Bereich Hygiene) verpflichtet. Die sachliche und personelle Ausstattung wurde vom Krankenhaus gestellt. Bei der Festlegung von Behandlungszeiten, bei der Mittelverwendung sowie bei Meinungsverschiedenheiten hatte dieses das Letztentscheidungsrecht.
Der Senat sah es auch als unbeachtlich an, dass der Kooperationsvertrag mit der BAG und nicht mit dem Kläger selbst geschlossen war. Dieser sei auch nicht als Erfüllungsgehilfe der GbR für von dieser zu erbringende selbständige Dienst- oder Werkleistungen anzusehen. Das zwischen der BAG und dem Krankenhaus vereinbarte Entgelt sei zudem, als Vergütung des Klägers heranzuziehen, auch wenn dieser nur einen Anspruch im Innenverhältnis darauf habe.
Wie ist die Entscheidung zu bewerten?
Seit der berühmten Honorararztentscheidung aus dem Jahr 2019 (Az.: B 12 R 11/18 R) gab es in den letzten Jahren zahlreiche Urteile zur sog. „Scheinselbständigkeit“ von im Krankenhaus tätigen Ärztinnen und Ärzten, die als natürliche Personen Verträge mit Krankenhausträgern geschlossen hatten. Sie wurden regelmäßig als in den Krankenhausbetrieb eingegliedert und damit als abhängig beschäftigt angesehen.
Die Frage hingegen, wie Kooperationsverträge zwischen einer BAG als juristischer Person und einem Krankenhausträger sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen sind, wurde bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Die Entscheidung stellt in dieser Form ein Novum dar.
Praxistipp
Die vorliegende Entscheidung setzt die strenge Honorararztrechtsprechung des BSG fort und schränkt den rechtlichen Spielraum für ärztliche Kooperationen mit medizinischen Einrichtungen – zumindest in der Rechtsform der GbR – weiter ein. Sie macht deutlich, dass der Kooperationsvertrag für die Frage, ob eine statusrechtliche Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt, im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles die entscheidende Rolle spielt. Ärztinnen und Ärzte sowie Einrichtungen des Gesundheitswesens, insbesondere Krankenhäuser, sollten deshalb noch wachsamer bei der Vertragsgestaltung sein und diese Entscheidung zum Anlass nehmen, bestehende Kooperationsverträge zu überprüfen.
