17. Dezember 2018
Im Rahmen des TSVG-Gesetzgebungsverfahrens nimmt die Schärfe in der Auseinandersetzung über die krankenhausgetragenen (Z-)MVZ zu. Dies gilt insbesondere nach der Stellungnahme des Bundesrates, Krankenhaus-MVZ an den Planungsbereich des Krankenhauses zu binden sowie nach dem Gemeinsamen Papier von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV), Bundesärztekammer (BÄK) und Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Gründungsmöglichkeiten von MVZ einzuschränken. In der politischen Diskussion freilich nimmt die MVZ-Diskussion bisher eher eine Fußnote ein. Viel verbissener wird beispielswese über die verpflichtende Erhöhung der Sprechstundenzahl für Vertragsärzte und die Zugangsmöglichkeiten zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung gestritten. Vielleicht wird die Argumentation auf Seiten der Standesvertreter deshalb immer schriller. Dabei tun sich insbesondere KZBV und der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FDVZ) hervor. Ihre Sichtweise pflegen sie insbesondere über die „Zahnärztlichen Mitteilungen“ (ZM) der Öffentlichkeit darzulegen. Die KZBV ist Mitherausgeber der ZM. Vorliegend in meinem Beitrag soll es gar nicht um den Meinungsstreit an sich gehen, sondern um die gepflegte inhaltliche und formale Argumentationsweise.
Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen
In dieser Woche bezweifelte die KZBV die MVZ-Statistiken der Kanzlei Lyck+Pätzold, die Rechtsanwalt Jens Pätzold in einem Interview mit der Zahnarztwoche (DZW) genannt hatte und fügte stattdessen ihre eigene Statistik an, nach der fast keine Z-MVZ auf dem Land gegründet worden seien (Zahneins: Nur 4 Z-MVZ sind auf dem Land!). Die KZBV nutzt dabei die Übersicht über die siedlungsstukturellen Kreistypen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BSSR), die von diesem selbst als „generalisiert“ bezeichnet wird. Wenn man diese generalisierende Darstellung heranzieht, gibt es insbesondere in Deutschland, insbesondere in den alten Bundesländern, kaum noch ländliche Gebiete: In ganz Nordrhein-Westfalen sind danach nur der Hochsauerlandkreis und der Kreis Höxter als „Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen“ ausgewiesen. Das bedeutet im Klartext: Nach Ansicht der KZBV sind z. B. der Kreis Olpe im Sauerland oder von Autobahnen und Bahnlinien weit entfernte Städte wie Rüthen und Warstein im Kreis Soest städtischer Bereich. Ebenso gilt dies in Hessen z. B. auch für die Region Odenwald. Diese groteske Vorgehensweise wird beim Blick auf die ärztliche Struktur in diesen Orten schnell deutlich. Man lebt dort „auf dem Land“, wie der Verfasser als langjähriger Kommunalpolitiker in Stadt und Kreis Soest und im Landschaftsverband Westfalen-Lippe gut weiß. Dass dort ein angeblich überversorgter städtischer Bereich liegen soll, muss den Bürgermeistern und Landräten vor Ort wie Hohn vorkommen. Und das sehen ja selbst die ZM ein, wenn sie in ihrem Artikel den Blick auf die (sehr flächengroße) Großstadt Bielefeld richten. Selbst in dieser Großstadt gibt es, wie sie selbst schreiben, schlecht versorgte ländliche Gebiete. Sollte aber ein Krankenhaus zum Beispiel im von den ZM genannten ländlichen Stadtteil „Hoberge-Uerentrup“ ein MVZ eröffnen, bliebe der Vorwurf des „städtischen Bereiches“ seitens der KZBV gegenüber dem Krankenhausträger immer noch erhalten. Und man mag sich weiterhin die Frage stellen, ob MVZ auf die Zahnarztdichte in den ländlichen Regionen nach BSSR (z. B. Mecklenburg-Vorpommern, Uckermarck, Bayerischer Wald, Vulkaneifel) überhaupt irgendeinen Einfluss nehmen.
Trend zur Anstellung
Mit einer etwas eigenartigen Argumentation wartete auch der FDVZ-Bundesvorsitzende Dr. Harald Schrader auf (Z-MVZ: FVDZ fordert Beschränkungen für Kaptialinvestoren). Er lässt sich von den ZM indirekt so zitieren: „Es sei bekannt, dass junge Zahnärzte mehrheitlich selbstständig und freiberuflich arbeiten möchten und in ihre Heimatregion zurückkehren wollen. Deswegen seien Z-MVZ auch aus Sicht junger Zahnärzte nicht notwendig.“ Diese Aussage befremdet aus zwei Gründen. Zum einen wird der Trend zur Anstellung (und zu Teilzeit) bei jungen (Zahn)mediziner(inne)n von vielen Marktakteuren beobachtet (Ärztestatistik: Mehr Ärzte, Trend zur Anstellung; Umfrage: Trend zur Anstellung verschärft Ärztemangel; Zeitenwende in der Zahnmedizin?). Außerdem lässt die Aussage eine gewisse Sorgsamkeit in der Begründung vermissen: Wenn nämlich nach Ansicht des FDVZ die jungen Zahnärzte wünschen, selbstständig tätig zu sein und zudem in ihre Heimatregion zurückkehren wollen, bleibt fraglich, warum KZBV und FVDZ mit derartigem Verve gegen Z-MVZ kämpfen. Dann bedrohen die Z-MVZ doch gar nicht die Versorgung, da die jungen Leute nach Ansicht des FDVZ gar nicht in einem Z-MVZ arbeiten möchten – selbst wenn es in ihrer Heimatregion sogar ein Z-MVZ geben sollte.
Gesundheitssystem für alle Patienten
Natürlich ist eine politische Diskussion auf dem wichtigen Feld der Gesundheitspolitik nötig und erwünscht. Dies zeichnet eine demokratischen und pluralistische Gesellschaft aus. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wie die KZBV und ein einflussreicher Verband wie der FDVZ sollten unsorgfältigen Schnellschüssen den Rücken kehren und im politischen Meinungsstreit zu einer wohlbegründeteten Argumentation zurückfinden, die in sich schlüssig ist und sich nicht selbst widerspricht. Ziel aller Akteure sollte es sein, ein leistungsfähiges und gut erreichbares Gesundheitssystem für alle Patienten bereit zu stellen und den Berufsausübungswünschen der (Zahn)ärzte – im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs – so weit wie möglich entgegenzukommen. Für Zahnärztinnen und Zahnärzte in Einzelpraxen, Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren und Krankenhäusern zählt nämlich vor allem eins: Die Sorge um die Gesundheit ihrer Patienten. Und es ist gut, dass der Gesetzgeber hierfür verschiedene Formen der Berufsausübung eröffnet.