7. November 2014

Wie erwartet haben die US Midterm Elections, die Wahl der Abgeordneten für den Kongress diese Woche, der Politik von Präsident Obama ein desaströses Zeugnis ausgestellt. Obamas Demokraten verloren sieben Senatssitze und die Mehrheit im Repräsentantenhaus an Republikaner und sind somit nicht mehr mehrheitsfähig.

Nicht nur die immer noch schleppend in Gang kommende amerikanische Wirtschaft ist für die Wahlniederlage der US amerikanischen Demokraten verantwortlich zu machen, zum Großteil ist dieses Ergebnis auch der misslungenen Gesundheitsreform geschuldet.
Obwohl von vielen Amerikanern lang erseht, stößt die Ausgestaltung der Reform nun auf großen Unmut, bringt sie doch unerwartete Veränderung auch für bereits Versicherte sowie deutlich höhere Kosten mit sich. Nun wird sie zum Sargnagel für Obamas Politik.

Angetreten war er mit der Idee, Zugang, Qualität und Erschwinglichkeit von Krankenversicherung zu erhöhen. Obwohl bereits 2010 verabschiedet, traten die wesentlichen Änderungen erst zum Januar 2014 in Kraft und haben viele Amerikaner zutiefst verärgert. Krankenversicherungen unterliegen nun einen Kontrahierungszwang beim Abschluss von Krankenversicherungen und dürfen Patienten mit sog. „pre-existing conditions“ nicht mehr ablehnen. Zudem dürfen Krankenversicherung nicht mehr die jährlichen Ausgaben für einen Patienten deckeln. Dafür wurden jedoch nun hohe co-payments, also Zuzahlungen und sog. co-insurances, eingeführt, was nichts anderes bedeutet, als dass man auf einem gewissen Prozentsatz des vom Arzt in Rechnung gestellten Betrags sitzen bleibt. Bei chronisch Kranken kann dies schnell in die Tausende gehen und führt die eigentliche Intention, eine erschwingliche Krankenversicherung für Jedermann zu schaffen, ad absurdum.

Mit fast 18 % des Bruttossozialprodukts geben die USA so viel für ihre Gesundheitsversorgung aus, wie kein anderes Land der Erde, dies jedoch bei denkbar schlechtem Outcome was die Gesundheitsversorgung in der Fläche, Kindersterblichkeit und Lebenserwartung angeht. Bislang wurde nach dem Prinzip „fee for service“ verfahren, was es Ärzten und Krankenhäusern ermöglichte, die erbrachte Leistung vollständig in Rechnung zu stellen. Änderungen erfährt dieses System derzeit dadurch, dass Versicherte nun in Versicherungs-Netzwerken, sog. Preferred Provider Organizations versichert werden, was nichts anderes bedeutet, als dass für das Aufsuchen von Ärzten außerhalb des von der Versicherungen angebotenen Netzwerks hohe Zuzahlungen fällig werden. Gerade in medizinischen Spezialgebieten kann die freie Arztwahl mangels verfügbarer Ärzte in ländlicheren Gegenden dann erheblich eingeschränkt sein.

Ärgerlich sind diese Änderungen vor allem deshalb, da die Versicherung zumindest bei der arbeitenden Bevölkerung durch den Arbeitgeber angeboten wird und nur eine eingeschränkte oder gar keine Wahlmöglichkeit des Versicherungsunternehmens besteht. Während kleinere Arbeitgeber noch Verträge mit mehreren Versicherungen und damit eine Wahlmöglichkeit in Aussicht stellen, agieren bereits mittelgroße Firmen als eigene Versicherungen, d.h. bedienen sich lediglich einer der großen Versicherungskonzerne wie Aetna oder Blue Cross als organisatorischen Abwickler, übernehmen die Finanzierung jedoch komplett selbst. Das kann für eine Firma mit jungen und gesunden Mitarbeitern durchaus lukrativ sein, für einen Mitarbeiter aber, der beispielsweise ein „teures“ chronisch krankes Kind bekommt, zum Kündigungsrisiko werden.

US Gesundheitsreform vor Neugestaltung?

„Obamacare“, formal Affordable Care Act (ACA) ist als lernendes System implementiert worden. Angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse und der zwischen Demokraten und Republikanern verhärteten Situation ist für die kommenden zwei Jahre eher nicht mit einer ansteigenden Lernkurve des Systems zu rechnen und möglicherweise nach der nächsten Wahl erneut mit einer kompletten Neugestaltung.

(Die Autorin, Christine Stenner, Fachanwältin für Medizinrecht und Sozialrecht lebt als Off Counsel der Kanzlei Lyck & Pätzold Medizinanwälte in Pennsylvania/USA)

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