29. April 2020

Nach einer internen Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 24.4.2020 sollen Vertragsärztliche Praxen kein Kurzarbeitergeld erhalten. Als Begründung sollen die durch den Bundestag beschlossenen Ausgleichszahlungen für Vertragsärzte und Psychotherapeuten dienen. Diese würden wie eine Art Betriebsausfallversicherung wirken, so dass angeblich kein Anspruch mehr auf die Erstattung von Kurzarbeitergeld bestünde.

Der Schutzschirm sieht vor, dass Vertragsärzte bei einem auf der Pandemie beruhenden Honorarausfall von mehr als 10% Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach § 87a Abs. 3b SGB V haben. Honorarausfälle aus der privaten Krankenversicherung werden allerdings nicht durch den Schutzschirm aufgegangen. Daraus folgt, dass für Praxen, die aufgrund von ausbleibenden privat versicherten Patienten existenzbedrohende Umsatzeinbußen erleiden, weiterhin Raum für KUG besteht. Die Entscheidung liegt aber bei der Behörde.

Sinn und Zweck von Kurzarbeitergeld

Gemäß § 95 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn die aufgelisteten Voraussetzungen vorliegen, mithin insbesondere ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt. Damit sollen betriebsbedingte Kündigungen verhindert werden, weil davon auszugehen ist, dass der Arbeitsausfall nur vorübergehend ist und der Betrieb nach der Krise wie gewohnt weiterarbeiten kann. Dies ist auch richtig, weil gute Mitarbeiter schwer zu bekommen sind und unbedingt an den Betrieb gebunden werden sollten, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. So sieht es auch das Gesetz, denn § 95 ist im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches normiert, welches unter dem Titel „Arbeitsförderung“ steht. Wie genau die Bundesagentur begründen möchte, dass Betriebsausfallversicherung und sozialgesetzliche Maßnahmen zur Arbeitsförderung alternativ zueinanderstehen und nicht kumulativ bleibt diffus.

Soforthilfe und KUG bestehen auch parallel

Bund und Länder haben Soforthilfe Programme aufgelegt, bei denen es sich um nicht rückzahlbare Zuschüsse handelt. Damit sollen Unternehmen sowie Selbstständige und Angehörige der freien Berufe, die sich unmittelbar infolge der Corona-Pandemie in einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Lage befinden und massive Liquiditätsengpässe erleiden, aufgefangen werden. Die Auszahlung der Soforthilfe führt nicht zum Ausschluss des KUG, so dass beide Instrumente nebeneinander beantragt werden können. Daraus folgt sachlogisch, dass beide Instrumente anscheinend etwas Anderes bezwecken sollen: einmal den oben dargelegten Verlust von wertvollen Arbeitnehmern, einmal die Betriebssicherung, welche die Existenz der Arbeitsplätze darstellt.

Unverständlich ist daher die interne Weisung der Bundesagentur, dass für Vertragsärzte etwas Anderes gelten soll und ausschließlich auf Betriebssicherung abgestellt wird.

Für die Vertragsärzte bleiben viele Fragen offen

Unklar bleibt mit welchen juristischen Argumenten die Bundesagagentur für Arbeit diese Maßnahme begründen wird und wie mit bereits genehmigten Anzeigen umgegangen wird. Muss die Bundesagentur nun den eigentlich zu zahlenden Vollzeitlohn den Praxen ersetzen, für die bereits Kurzarbeit genehmigt wurde? Oder wird die Bundesagentur für Arbeit bereits genehmigte Anzeigen von Kurzarbeit widerrufen oder nur für die Zukunft keinen Vertragsarztpraxen mehr die Durchführung von Kurzarbeit genehmigen? Dies alles bleibt ungeklärt und verstärkt den Eindruck, dass nur der Betrieb in der Corona Krise unterstützt wird, der bis dato schlecht gewirtschaftet hat und daher bereits nach 3 Wochen Krise existenzbedrohende Liquiditätsengpasse erleidet. Hiermit sendet der Staat ein Signal, was all diejenigen bestraft, die wirtschaftlich denken und ihre Praxis die letzten Jahre unternehmerisch geführt haben.

Überkompensation ist nicht angestrebt

Wer jetzt vorbringt, dass mit der Genehmigung der Durchführung von Kurzarbeit UND den beschlossenen Ausgleichszahlungen eine Überkompensation erhält verkennt gleich mehrere Punkte:

Die Vertragsarztwelt hat in Deutschland viele Gesichter. So mag für eine Vertragsarztpraxis, die auf hochmoderne Geräte angewiesen ist, eine Art Betriebsausfallversicherung sinnig sein. Denn so können bestehende Leasingverträge für die Gerätschaften weiterbezahlt werden und die Vertragsarztpraxis rutscht nicht in die Insolvenz. Gleichwohl kennt unser Vertragsarztnetz auch Landarztpraxen, die ohne (teure) Gerätschaften arbeiten, aber dafür mit einer hohen Anzahl an erforderlichem (Fach-)Personal arbeiten. Dieses Personal kann auf Grund von im März und April rückläufigen Patientenzahlen nicht beschäftigt werden. Weshalb hier die Auszahlung von Kurzarbeitergeld verwehrt werden soll ist unverständlich, da der eingetretene Schaden – Arbeitslohn ohne Verrichtung von Arbeit – eben gerade von § 95 SGB III abgedeckt werden soll. Selbstverständlich ist, dass eine Überkompensation nicht sein darf. Aber Vertragsärzten per se Anspruch auf Kurzarbeitergeld zu verwehren, ohne sich die facettenreiche Praxislandschaft in Deutschland anzuschauen greift schlichtweg zu kurz. So sind von insgesamt 177.826 Vertragsärzten und –psychotherapeuten allein 39.477 als Angestellte in Praxen oder im MVZ tätig. Das sind mehr als dreimal so viele angestellte Vertragsärzte in Praxen als noch im Jahr 2009. Hier handelt es sich mithin um „normale“ Arbeitnehmer, denen der Anspruch aus § 95 SGB III unbillig verwehrt wird.

Fazit: Fokus auf die eigene Arbeit

Letztlich kann aus juristischer Sicht bei solchen Entscheidungen, Vertragsärzte vom KUG auszuschließen, nur mit dem Kopf geschüttelt werden, weil bestehende gesetzliche Ansprüche, auf die sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber verlassen haben und berechtigt verlassen durften, versagt werden. Fest steht: verlassen kann man sich aktuell nur auf seine eigenen Handlungen, so dass empfohlen wird den Praxisbetrieb zügig hochzufahren. Keine Berufsgruppe kennt die Hygienevorschriften so gut wie ärztliches und zahnärztliches (Pflege-)Personal, so dass weder eine grundlegende Umstellung des Praxisbetriebs noch eine Neugewöhnung an geltende Vorschriften notwendig ist. Dieser Vorteil sollte jetzt genutzt werden, schließlich müssen reguläre (Industrie-)Betriebe aktuell umfassende Hygienepläne schreiben, vom Betriebsrat genehmigen lassen und ihre Mitarbeiter darin schulen. Von Normalbetrieb kann nicht die Rede sein.

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