Urteile sind gemeinhin ein Thema, mit dem sich vorwiegend Juristen, manchmal auch eine betroffene Berufsgruppe auseinandersetzen. Hin und wieder wird einem Urteil in Deutschland tatsächlich die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit zu teil. Gerne liegen zwischen derartigen Entscheidungen Jahre, doch nicht im September 2019. Denn in diesem Monat gab es gleich zwei Urteile über die man spricht. Das erste Urteil stammt vom Landgericht Berlin, wurde am 09. September gefällt und befasste sich mit Beleidigungen auf Facebook gegenüber der grünen Bundestagsabgeordneten Renate Künast. Praktisch alle Medien stürzten sich darauf.
Am 12. September zog nun das OLG Frankfurt a. M. nach, in einem weit weniger schwerwiegenden, allerdings ebenfalls vielfach aufgegriffenen Fall, in dem das eigentliche Urteil in den Hintergrund geraten ist. Bei einem alkoholbedingten „Kater“ bzw. „Hangover“ handelt es sich um eine Krankheit, denn ein solcher „Kater“ führt zu Müdigkeit und Kopfschmerzen. Und dieser Zustand erfülle nun mal alle Voraussetzungen einer Krankheit, gab das Gericht bekannt.
Im Land des Bieres ist eine solche Aussage von einem Oberlandesgericht natürlich hochinteressant, so interessant, dass sogar die Bild-Zeitung, typischerweise nicht unbedingt erste Quelle juristischer Nachrichten, sofort ihre Onlinepräsenz mit einer entsprechenden großen Nachricht versah.
Weniger bekannt ist hingegen, wie es überhaupt zu dieser Aussage gekommen ist. Es ging nämlich nicht, wie der eine oder andere innerlich bereits hoffen mag, um eine arbeitsrechtliche Entscheidung, sondern um gesundheitsbezogene Aussagen bei der Bewerbung von Lebensmitteln.
Werbeaussagen zum Kater vs. Lebensmittelrecht
Ein Verein hatte gegen die Werbeaussagen des Unternehmens eines „Anti Hangover Drinks“ geklagt. Dieses vertreibt zwei Produkte, eines ist ein pulverförmiger Stick, den das Unternehmen „Drink“ nennt, das andere ist eine trinkfähige Mischung, genannt „Shot“. Beide wurden mit gesundheitsbezogenen Aussagen, wie „Natürlich bei Kater“ oder „Mit unserem Anti-Hangover Drink führst Du Deinem Körper natürliche, antioxidative Pflanzenextrakte, Elektrolyte und Vitamine zu“ beworben.
Artikel 7 Absatz 3 LMIV verbietet solche Aussagen allerdings, denn mit wenigen Ausnahmen „dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.“
Und an diesem Punkt musste nun festgestellt werden, ob ein „Hangover“ tatsächlich eine Krankheit ist oder eben nicht. Das Gericht führte dazu aus:
„Unter Krankheit ist jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers zu verstehen“
OLG Frankfurt a. M
Diese weite Auslegung ließ letztlich keinen anderen Schluss zu, als den alkoholbedingten Kater ebenfalls als Krankheit zu verorten. Wir wussten es ja schon immer! Der Spruch „Wer trinken kann, kann auch arbeiten“ dürfte damit wohl aussterben. Und wenn das nächste Mal Ihr letztes Getränk schlecht war und Sie am nächsten Tag mit dem bekannten „Schädel“ aufwachen, schonen Sie sich ruhig! Sie sind schließlich krank.
Autor: Richard Mantel, Rechtsreferendar