Die Möglichkeit als Arzt ein MVZ zu gründen, besteht seit dem Jahr 2004. Für Zahnärzte wurde die Gründung eines MVZ seit dem Wegfall des Merkmals „fachübergreifend“ im Jahr 2015 – möglich. Dies hat das BMG zum Anlass genommen, die aktuelle Entwicklung zum Thema MVZ einmal näher zu beleuchten und hat ein entsprechendes Gutachten beauftragt, in dem die zeitgeschichtliche Entwicklung der MVZ-Regulierung seit der Einführung untersucht. Die wichtigsten Erkenntnisse des Gutachtens möchten wir Ihnen wie folgt zusammenfassen:
MVZ als wichtige Säule für die ambulante Versorgung
MVZ leisten – so das MVZ-Gutachten – „einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung“. Begründet wird dies vor allem mit den über 3.000 zugelassenen ärztlichen MVZ und den über 18.000 Ärzten, die dort tätig sind. Blickt man auf die vertragszahnärztlichen Versorgung stellen nach Aussage der KZBV 1.000 MVZ die ambulante Versorgung sicher.
Mindestgröße für MVZ?
Das vom BMG beauftragte MVZ-Gutachten gibt einen Denkanstoß in Richtung der Mindestgröße für ein MVZ. Der Vorschlag lautet, mindestens drei volle Versorgungsaufträge gesetzlich zu verankern, um das kooperative Versorgungsangebot zu untermauern. In unterversorgten Gebieten – wie z.B. im ländlichen hausärztlichen Bereich – sollten nach Ansicht der Gutachter allerdings Ausnahmen vorgesehen werden.
Im Grundsatz halten wir es für richtig, MVZ mit mindestens drei Behandler zu betreiben. Dies allein schon deshalb, um die Zulassung des MVZ nicht zu gefährden, wenn ein Behandler ausscheidet und nicht innerhalb von 6 Monaten ein Nachfolger gefunden wird. Dennoch nimmt eine starre 3-Mann-Grenze dem MVZ die Flexibilität, sodass die von den MVZ-Gutachten angesprochenen Ausnahmen – gerade für den ländlichen Bereich – definitiv sinnvoll sind. Die gesetzlich vorgesehene Übergangsfrist von 6 Monaten erscheint vor diesem Hintergrund recht kurz und könnte im Zuge dessen – zumindest für die Fälle des Unterschreitens der Mindestgröße – ausgeweitet werden.
Begrenzung der BSG-Rechtsprechung
Die Gutachter plädieren für eine gesetzliche Regulierung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf ein Jahr.
Zum Hintergrund: Das BSG hat am 05.04.2016 (Az.: B 6 KA21/15 R) entschieden, dass ein Arzt, der zu Gunsten der Anstellung MVZ auf seine Zulassung verzichtet, mindestens 3 Jahre als Angestellter im MVZ tätig sein muss, damit die Arztstelle nicht verloren geht.
Der Vorschlag der Gutachter kann nur befürwortet werden, wobei eine 1-Jahres-Grenze immer noch recht lang erscheint. Es könnte auch gänzlich auf sie verzichtet werden. Einerseits findet die Rechtsprechung des BSG im Gesetz keine Stütze und andererseits sollte ein Gericht in Anbetracht der Gewaltenteilung nicht als Gesetzgeber auftreten.
Keine Versorgungsunterschiede im MVZ
Über MVZ wird viel – vor allem seitens der Standesvertreter – diskutiert. Mit unter ist von Investoren als Heuschrecken und vermeintlich minderer Behandlungsqualität die Rede. Das MVZ-Gutachten widerlegt diese Behauptungen nun, indem es feststellt, dass keine belastbaren – und zwar weder positive noch negative – Zusammenhänge im MVZ und bestimmten MVZ-Trägern existieren. Wörtlich führen die Gutachter aus:
„Insbesondere vor dem Hintergrund der immer noch prozentual geringen Anzahl von nur 5% in zMVZ tätigen Zahnärzte als Anteil der Gesamtzahl aller Zahnärzte, erscheinen derzeit die seitens der Zahnärzteschaft befürchteten Marktverzerrungen übertrieben.(….) Wir kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Bedenken des Gesetzgebers, von gewissen nichtärztlichen MVZ-Trägern gingen Gefahren für die Versorgungsqualität in MVZ aus, derzeit weder bestätigen noch entkräfte lassen.“
Prof. Dr. Andreas Ladurner Prof. Dr. Ute Walter Prof. Dr. Beate Jochimsen, Rechtsgutachten, Stand und Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungenzumedizinischen Versorgungszentren (MVZ)
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Versorgungsquoten für zahnärztliche MVZ verfassungsrechtlich bedenklich
Die Gutachter beziehen eine klare Position zu den in § 95 Abs. 1 b SGB V verankerten quotenmäßigen Beschränkungen für krankenhausgetragene, zahnärztliche MVZ. Ein partielles Tätigkeitsverbot für zahnärztliche MVZ sei – so das Gutachten – „kaum mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in Einklang“ zu bringen.
Der Einschätzung der Gutachter ist zuzustimmen, denn gerade in ländlichen Bereichen, in denen eine Unterversorgung droht oder bereits vorhanden ist, existiert keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für ein solches Berufsverbot.
MVZ-Sonderregister? Nein danke.
Insbesondere seitens der Standesvertretung besteht der Wunsch nach einem MVZ-Verzeichnis, aus dem sich die Beteiligungsverhältnisse und sonstige Informationen über den Träger ergeben sollen. Die Gutachter erachten dieses Sonderverzeichnis als überflüssig und unterbreiten dem BMG den Vorschlag, den ärztlichen Leiter sowie den Träger des MVZ auf dem Praxisschild des MVZ anzugeben. Da es sich – zumindest bei der Information über den Träger – um Angaben handelt, die im Impressum bereits vorhanden sind bzw. sein müssen und sich deshalb auf jeder Internetpräsenz wiederfinden, stellt sich die Frage, ob die von den Gutachtern vorgeschlagene „Schilderpflicht“ tatsächlich in die heutige Zeit passt.
Fazit
Das vom BMG in Auftrag gegebene Gutachten hat viele erfreuliche Ansätze, die hier nur in Kürze dargestellt werden konnten. Eine Kernaussage ist neben den verfassungsrechtlichen Bedenken der TSVG-Regel sicherlich die Tatsache, dass die Praxisstruktur keinerlei Einfluss auf die Versorgungsqualität der Patienten hat. Für andere Ansichten existiert schlichtweg keine Tatsachengrundlage.
Es soll an dieser Stelle noch die beabsichtigte Stärkung der stets wachsenden Anzahl angestellter Ärzte angesprochen werden. Das Gutachten schlägt nämlich vor, die Zulassungsgremien um angestellte Ärzte zu erweitern, was sicherlich sinnvoll wäre.
Insgesamt bleibt abzuwarten, ob und welche Punkte das BMG konkret umsetzt bzw. vorantreibt. Wir halten Sie auf jeden Fall auf dem Laufenden. Wie dies am besten geht? Mit unserer MedizinanwälteFlat oder abonnieren Sie unseren Newsletter.
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