16. April 2021

Mit einer interessanten Frage hatte sich im März diesen Jahres das Landgericht Darmstadt zu beschäftigen.

Worum ging es? 

Ein Wettbewerbsverband hatten einen der führenden Hersteller von Dentalprodukten und -technologien für Zahnärzte und Zahntechniker verklagt.

Der Hersteller vertreibt ein CAD/CAM-gestütztes System, bestehend aus einer Oralkamera, einem PC und einer CNC-Fräsmaschine. Das System des hier verklagten Herstellers der Beklagten soll eine Alternative zu der herkömmlichen Herstellung von Zahnersatz und Einlagefüllungen darstellen, welche in Dentallaboren durchgeführt wird.

Der Hersteller war für das System u.a. mit folgendem Hinweis:

„Neben den zahnärztlichen Leistungen regelt § 9 der GOZ die individuelle Kalkulation der Laborkosten und erlaubt abweichend von dem BEL II oder der BEB eine eigene Kalkulation der tatsächlich entstandenen Laborkosten. Hier entstehen Zahnärzten Freiräume für patientenindividuelle Lösungen“.

Zugleich gab der Hersteller in einer Broschüre ein Beispiel für eine Laborpreiskalkulation. In einer andere Broschüre, heißt es u.a.

„Mit […] wandelt der Zahnarzt Fremdlaborkosten in Eigenlaborgewinn um.“

und

„Die Berechnung der Wirtschaftlichkeit eines CAD/CAM-Systems scheint auf den ersten Blick einfach. Legt man eine Leasingrate für ein solches Gerät in Höhe von 1.543,40 € zugrunde und wird dem Patienten für die Krone 270 € Laborkostenanteil zusätzlich zum Honorar in Rechnung gestellt, so verbleiben nach Abzug des Verbrauchsmaterials von 25,50 € (inkl. Strom) 244,50. Bei dieser ‚Kalkulation‘ rechnet sich die Investitionen schon ab 6 Restaurationen.“

Der Wettbewerbsverband mahnte diese Art der Werbung ab und beanstandete, dass in den Werbebroschüren des Herstellers der unzutreffende Eindruck erweckt würde, der Zahnarzt könne die eigenständig erbrachten zahntechnischen Leistungen willkürlich „kalkulieren“. Es werde gegenüber den angesprochenen Verkehrskreisen der unzutreffende Eindruck erweckt, diese könnten zahntechnische Leistungen zur Gewinnsteigerung nutzen, was eine unwahre Behauptung darstelle.

Schließlich kam es zwischen der Wettbewerbszentrale und dem Hersteller zur gerichtlichen Auseinandersetzung, in der das LG Darmstadt aber klarstellte:

„…im Rahmen der Abrechnung zahntechnischer Leistungen nach § 9 Abs. 1 GOZ, die in einem eigenen Praxislabor erbracht werden, ist Abrechnung eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils durch den Zahnarzt nicht unzulässig (so wohl auch OLG Köln, Urteil vom 30.9.1998 – 5 U 168/96). Aus den Gesetzesmaterialien geht hervor, dass die Abrechnung einer Gewinnmarge für Arbeiten, die im praxiseigenen Labor gefertigt wurden, zulässig sein soll. So heißt es im Regierungsentwurf (BR-Drucks 276/87) zu § 9 GOZ ausdrücklich: „Auch für zahntechnische Leistungen, die im eigenen Praxislabor erbracht werden, darf der Zahnarzt nur die tatsächlich entstandenen Kosten unter Einschluss eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils als Auslagen abrechnen. Soweit teilweise vertreten wird, dass diese Begründung keinen Niederschlag in § 9 GOZ gefunden habe, sie im offenen Widerspruch zum Wortlaut des § 9 GOZ stehe und deswegen nicht zur Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden könne (so etwa Detterbeck, GewArch Beilage WiVerw Nr. 03/2017, 153, 182), vermag die Kammer dem nicht beizutreten. Es besteht kein „offener Widerspruch“ zwischen der in dem Regierungsentwurf enthaltenen Begründung und dem Wortlaut von § 9 Abs. 1 GOZ. Dabei kann dahinstehen, ob die in dem Regierungsentwurf enthaltene Begründung so zu verstehen ist, dass der angemessene kalkulatorische Gewinnanteil als Teil der „tatsächlich entstandenen Kosten“ zu begreifen ist oder neben diesen als Teil der abrechenbaren Auslagen. Denn sowohl die Formulierung „tatsächlich entstandenen Kosten“ als auch der Begriff „Auslagen“ zwingen nicht dazu, einen „angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil“ als von ihnen nicht erfasst anzusehen. Dieses Ergebnis, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 GOZ der Abrechnung eines angemessenen Gewinnanteils nicht entgegensteht, wird auch durch folgende Erwägung gestützt: Wenn eine Fremdlaborrechnung vom Zahnarzt nach § 9 Abs. 1 GOZ abgerechnet wird, findet durchweg eine Abrechnung der vom Fremdlabor in Rechnung gestellten Gewinnmarge statt, wobei diese – in der Regel nicht offen ausgewiesene – Gewinnmarge zunächst Teil der dem Zahnarzt entstandenen „Kosten“ ist, die dieser dann als „Auslage“ abrechnet.“

Die Wettbewerbszentral hatte vor Gericht u.a. eingewandt, dass ein über das Eigenlabor erzielbarer (zusätzlicher) Gewinn dem Zahnarzt den vom Berufsrecht nicht gewünschten Anreiz böte, das bestehende Eigenlabor auch auszulasten und nicht allein objektiv den der Zahngesundheit und den Wünschen des Patienten dienenden, sondern denjenigen Zahnersatz auszuwählen, der ihm auch einen finanziellen Vorteil bringt. Dem hat das Landgericht Darmstadt aber ausdrücklich widersprochen:

„, …der Zahnarzt ist immer in der Pflicht, den Patienten ordnungsgemäß – auch über Behandlungsalternativen – aufzuklären und diese Aufklärung entsprechend zu dokumentieren. Im Übrigen erscheint es auch nicht verhältnismäßig, dem ein Eigenlabor betreibenden Zahnarzt das volle Risiko eines wirtschaftlichen Verlusts ohne die Möglichkeit der Erzielung eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils aufzubürden, nur weil einige „schwarze Schafe“ ihren ärztlichen Pflichten zuwider handeln könnten. Bei lebensnaher Betrachtung finden diese „schwarzen Schafe“ auch unter Zugrundelegung des Verständnisses des Klägers von § 9 Abs. 1 GOZ Wege und Möglichkeiten, sich – etwa durch verbotene „Kooperationen“ mit Fremdlaboren (Stichwort „Kick-Back-Zahlungen“) – auf unrechtmäßige Art und Weise zu bereichern. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ auch nur die „angemessenen“ Kosten abgerechnet werden dürfen, was per se begrenzend wirkt.“

Wie hoch darf der kalkulatorische Gewinn aber sein? Dazu hat das Landgericht Darmstadt natürlich keine konkreten Aussagen getroffen. Allerdings hat es die oben zitierten Abrechnungsbeispiele so bewertet, dass diese „den Rahmen von § 9 Abs. 1 GOZ“ nicht verlassen. Das Gericht hat ausgeführt, dass immer zu berücksichtigen sei, „dass es bei den verschiedenen Berechnungen selbstverständlich einen Unterschied macht, wo der Zahnarzt tätig ist (alte Bundesländer/neue Bundesländer), welche Auslastung der Praxis anzunehmen ist, welches Fremdlabor herangezogen wird, und welche Arbeitszeit der Zahnarzt statt für die Erbringung zahnärztlicher Leistungen für die Bedienung des […]-Systems aufzuwenden hat.“

Fazit zum Praxislabor

Damit hat das LG Darmstadt etwas festgestellt, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Zahnärzte, die zahntechnische Leistungen in einem eigenen Praxislabor erbringen, dürfen im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen.

Interessant ist das Urteil vor dem Hintergrund, dass von Interessenvertreten der Zahntechniker das Eigenlabor in jüngster Vergangenheit grundsätzlich in Frage gestellt hatte. Dazu hatte man ein vielbeachtetes und vielkritisiertes Gutachten Von Prof. Steffen Detterbeck vorgelegt, der das Eigenlabor in der Zahnarztpraxis grundsätzlich in Frage gestellt hatte und 2017 dazu ausführte, dass „§ 9 Abs. 1 Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) für seinen Geltungsbereich ausschließt, dass der Zahnarzt für die Produkte, die in seinem Eigenlabor hergestellt worden sind, einen Gewinnanteil aufschlägt.“

Es war absehbar und ist gleichwohl erfreulich, dass die Rechtsprechung dies anders beurteilt.

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