Das Thema Ausfallhonorar bei kurzfristig abgesagten Behandlungsterminen sorgt nach wie vor für Unsicherheiten in der Praxis – und beschäftigt regelmäßig die Gerichte. Ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) bietet für Zahnärzte wichtige Hinweise dazu, wann tatsächlich ein Vergütungs- oder Schadensersatzanspruch gegen Patienten besteht, die ihren Termin kurzfristig verlegen.
Der Fall: Zwei Stunden blockiert – vier Stunden vorher abgesagt
Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Patient einen umfangreichen Behandlungstermin von zwei Stunden Dauer vereinbart. Lediglich vier Stunden vor dem geplanten Termin sagte er diesen – mit Verweis auf einen bevorstehenden Gerichtstermin – ab. Der behandelnde Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg argumentierte, er habe die für den Patienten reservierte Zeit nicht mehr anderweitig wirtschaftlich nutzen können und machte Ersatzansprüche geltend. Bereits bei der Terminvereinbarung war der Patient darauf hingewiesen worden, dass Absagen mindestens 24 Stunden vorher erfolgen müssen, andernfalls werde eine Ausfallgebühr fällig.
Entscheidung der Gerichte: Kein Anspruch auf Ausfallhonorar bei einvernehmlicher Verschiebung
In erster Instanz sprach das Landgericht dem Arzt noch Schadensersatz in Höhe von 2.512 Euro sowie vorgerichtliche Anwaltskosten zu. Begründung: Der Patient habe gegen eine vertragliche Nebenpflicht verstoßen, indem er so kurzfristig absagte. Einen Ausfallhonoraranspruch nach § 615 BGB lehnte das Landgericht jedoch bereits ab.
Das OLG als Berufungsinstanz (Urteil vom 17.04.2007, Az.: 1 U 154/06) bestätigte letztlich die Ablehnung des Anspruchs auf ein Ausfallhonorar. Entscheidender Punkt: Noch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absage wurde zwischen Arzt und Patient ein neuer Behandlungstermin vereinbart. Der Termin galt damit nicht als endgültig abgesagt, sondern als verschoben. Das Gericht stellte klar, dass unter diesen Umständen weder ein Anspruch auf Vergütung der ausgefallenen Behandlung (§ 615 BGB) noch ein Schadensersatzanspruch (§ 252 BGB) besteht.
Keine Ersatzansprüche ohne nachvollziehbaren Schaden
Das Gericht betonte, dass für einen Schadensersatzanspruch der konkrete Schaden substantiiert dargelegt werden muss. Der klagende Zahnarzt hätte darlegen müssen, dass und warum es ihm nicht möglich war, die ausgefallene Zeit zumindest teilweise durch Behandlung eines anderen Patienten wirtschaftlich zu nutzen. Nach Angaben des Gerichts fehlte es an einem entsprechenden Vortrag. Es wurde nicht konkret dargelegt, welche Anstrengungen unternommen wurden, um Ersatz zu schaffen, oder ob dies dem gewöhnlichen Praxisablauf entspricht. Zudem habe der Kläger auch keinen hypothetischen Geschehensablauf (etwa: wie wahrscheinlich wäre eine Ersatzbesetzung des Termins gewesen) belegt.
Wichtige Leitsätze für die Praxis
- Eine kurzfristige Absage allein begründet noch keinen Vergütungsanspruch nach § 615 BGB, wenn umgehend ein neuer Termin vereinbart wird.
- Für einen Schadensersatzanspruch muss der Zahnarzt konkret darlegen und nachweisen, dass ihm durch die Absage tatsächlich ein Schaden entstanden ist, etwa weil ein Ersatzpatient nicht kurzfristig einbestellt werden konnte.
- Allgemeine Kalkulationen wie ein steuerlich ermittelter Stundensatz reichen nicht aus; erforderlich ist der Nachweis eines konkreten, nicht kompensierten Ausfalls.
- Die Aufnahme entsprechender Regelungen in die Praxisabläufe (z. B. Hinweise auf Ausfallhonorare) ist sinnvoll, entfaltet aber vor Gericht nur dann Wirkung, wenn der wirtschaftliche Schaden im Einzelfall substantiiert belegt werden kann.
Fazit
Die Entscheidung zeigt deutlich: Für den Erfolg einer Honorarklage wegen kurzfristiger Terminabsagen ist die saubere Dokumentation von Praxisabläufen ebenso unverzichtbar wie die Begründung des tatsächlichen Ausfalls. Nur wenn nachvollziehbar dargelegt werden kann, dass die für den ursprünglichen Patienten reservierte Zeit tatsächlich gar nicht anderweitig nutzbar war, bestehen realistische Aussichten auf Schadensersatz. Praxen sind daher gut beraten, sowohl die Aufklärung der Patienten als auch ihre internen Abläufe – einschließlich Bemühungen um Terminbesetzung – konsequent zu dokumentieren. Damit sind sie im Streitfall optimal gewappnet und bleiben zugleich gegenüber ihren Patienten transparent und fair.