Die Telemedizin in Deutschland hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt, besonders durch die Einführung des Digitalgesetzes (DigiG) im Jahr 2024. Dieses Gesetz gilt als bedeutender Schritt zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens und zielt darauf ab, eine patientenzentrierte und effizientere Versorgung zu ermöglichen.
Widersprüchliche Entwicklungen in der Telemedizin
Aktuelle Diskussionen zur Telemedizin in Deutschland zeichnen ein gemischtes Bild: Während die ursprüngliche politische Absicht auf eine Ausweitung und Festigung der Telemedizin abzielte, lassen jüngste Pläne auf erhebliche Einschränkungen dieser Versorgungsform schließen. Dies könnte die notwendige Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems gefährden.
Gesetzgeberische Ziele
Der Koalitionsvertrag von 2021 stellte klar, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorangetrieben werden soll, um bestehende Versorgungsprobleme zu lösen. Es heißt dort: „Telemedizinische Leistungen sollen regelhaft ermöglicht werden“. Im Entwurf des Digitalgesetzes wurde betont, dass Telemedizin ein fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung werden soll. Videosprechstunden sollten umfassender eingesetzt und leicht zugänglich sein, ohne Mengenbegrenzungen.
Abkehr von den ursprünglichen Zielen?
Bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) am 22. November 2024 äußerte Vorstandsvorsitzender Dr. Frank Bergmann Bedenken gegenüber der praktischen Umsetzung telemedizinischer Ansätze und der Rolle kommerzieller Anbieter. Er betonte, dass Telemedizin die Präsenzversorgung nicht ersetzen dürfe und der direkte Arzt-Patient-Kontakt weiterhin essenziell sei.
Dr. Bergmann erklärte: „Kommerzielle Interessen dürfen die Qualität und Solidarität unserer vertragsärztlichen Versorgung nicht gefährden“. Die KVNo prüft wettbewerbsrechtliche Schritte gegen Anbieter wie Teleclinic. Zudem wurden Maßnahmen zur Sicherung der Versorgungsqualität telemedizinischer Leistungen gefordert.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung
Der Bundesmantelvertragspartner wurde beauftragt, Vorgaben zur Sicherung der Versorgungsqualität telemedizinischer Leistungen zu definieren. Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) soll festgelegt werden, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang Videosprechstunden erbracht werden dürfen. Zu den von Dr. Bergmann betonten Maßnahmen gehören:
- Begrenzung der Fallzahlen im EBM für unbekannte Patienten,
- Verpflichtende Nutzung des Ersteinschätzungsverfahrens SmED,
- Einschränkung der Verschreibung bestimmter Medikamente,
- Verbot von Drittanbietern ohne regionale Terminvermittlung,
- Beschränkung virtueller Warteräume auf die Hotline 116 117.
Balance zwischen Qualitätssicherung und Innovation
Die geplanten Einschränkungen werfen die Frage auf, ob sie tatsächlich der Qualitätssicherung dienen oder die Innovationskraft der Telemedizin behindern. Ohne eine transparente Definition der Versorgungsqualität besteht das Risiko, dass Einschränkungen die Digitalisierung ausbremsen. Zu viele Regularien könnten die Nutzung telemedizinischer Angebote sowohl bei Patienten als auch beim medizinischen Personal verringern.
Fazit und Ausblick
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist essenziell, um die medizinische Versorgung effizienter und zukunftssicher zu gestalten. Die Telemedizin bietet hier eine zentrale Möglichkeit, die durch zahlreiche Einschränkungen bedroht werden könnte. Klare und zukunftsorientierte Rahmenbedingungen sind notwendig, um Innovation zu fördern und gleichzeitig die Qualität der Versorgung zu sichern.
Eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren ist entscheidend, um telemedizinische Angebote nachhaltig zu integrieren. Der Fokus sollte auf den Nutzen für Patienten und die Weiterentwicklung des gesamten Gesundheitssystems gelegt werden. Nur so kann die dringend notwendige Digitalisierung im Gesundheitswesen verwirklicht werden.