19. Juli 2019

Die steigende Präsenz von Digital-Health-Unternehmen im Gesundheitsmarkt und die Öffnung des Marktes für eHealth-Anwendungen oder digitale Gesundheitsanwendung, kurz „DiGA“, wirft die Frage nach der möglichen Kostenübernahme von eHealth-Anwendungen durch Krankenkassen auf. Gegenwärtig werden Gesundheits-Apps von Krankenkassen vor allem als Marketinginstrument eingesetzt, um sich unternehmenspolitisch von anderen Marktteilnehmern abzugrenzen.

Das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale Versorgung-Gesetz – DVG), dessen Entwurf das Bundeskabinett am 10.07.2019 beschlossen hat und das im Januar 2020 in Kraft treten soll, beschäftigt sich durch die Änderungen des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) mit dieser Fragestellung:

Vergütung der Hersteller für die DiGA!

In Bezug auf die Erstattungsfähigkeit einer App bzw. diGA muss die Unterscheidung zwischen diGA mit medizinischer Zweckbindung (= Medizinprodukt) und ohne medizinische Zweckbindung getroffen werden. So können die Kosten von Apps, die Medizinprodukte sind, auf unterschiedliche Weise durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Zentrale Vorschrift für die diGA stellt § 33a SGB V dar, der unter anderem den Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit digitalen Technologien festlegt. § 33a Abs. 1 SGB V sieht grundsätzlich die Vergütung der Hersteller bei Leistungsinanspruchnahme durch die Krankenkasse vor. Versicherte müssen für solche Leistungen nur in Ausnahmefällen aufkommen.

Gemäß § 139e SGB V sind die diGA in ein Verzeichnis aufzunehmen, das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführt wird. Voraussetzung für die Aufnahme ist unter anderem die Erfüllung der Grundanforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität der digitalen Gesundheitsanwendung sowie deren positive Versorgungseffekte. Im ersten Jahr nach der Aufnahme in dieses Verzeichnis vergütet die Krankenkasse die Hersteller nach dem Abgabepreis, den die Hersteller selbst festlegen, § 134 Abs. 2 SGB V. § 134 Abs. 2 SGB V ermächtigt das Bundesministerium für Gesundheit jedoch, für dieses erste Jahr durch Rechtsverordnung limitierende Erstattungsgrenzen zu regeln. Dadurch können beispielsweise Höchstbeträge für Gruppen vergleichbarer digitaler Gesundheitsanwendungen, auch in Abhängigkeit vom Umfang der Leistungsinanspruchnahme in der gesetzlichen Krankenversicherung, festgelegt werden. Für die Zeit nach dem ersten Jahr werden gemäß § 134 SGB V zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den Herstellern obligatorisch Vergütungsbeträge festgelegt. Der Vergütungsbetrag orientiert sich an den Erkenntnissen über positive Versorgungseffekte, die innerhalb des ersten Anwendungsjahres gewonnen wurden. Der Betrag soll auch erfolgsabhängige Preisbestandteile enthalten. Scheitert die Einigung über einen Vergütungsbetrag, wird ein solcher von einer bundesweit agierenden Schiedsstelle innerhalb von drei Monaten festgelegt. Diese Schiedsstelle setzt sich aus dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Hersteller zusammen.

Das DVG sieht außerdem die Einführung des § 140a Abs. 4a SGV V vor. § 140a SGB V regelt die besondere Versorgung, an welcher die Versicherten freiwillig teilnehmen können. Nach § 140a Abs. 4a SGB können seitens der Krankenkassen auch Verträge mit den Herstellern von Medizinprodukten hinsichtlich der besonderen Versorgung mit digitalen Versorgungsangeboten geschlossen werden. Entsprechend der Begründung des Gesetzesentwurfs dient diese Regelung dazu, „Anreiz zur Entwicklung innovativer Angebote und der Nutzung telemedizinischer Dienstleistungen“ zu setzen. Kommt ein Vertrag mit einem Hersteller digitaler Anwendungen zustande, so ist eine ärztliche Einbindung sicherzustellen, sofern durch die digitale Anwendung diagnostische Feststellungen getroffen werden. So kann es beispielsweise zum Abschluss eines Versorgungsvertrags im Sinne des § 140a SGB V kommen, an welchem ein technischer Leistungserbringer (der Hersteller des digitalen Medizinprodukts) und ein ärztlicher Berufsverband beteiligt sind. Der Versorgungsvertrag enthält gemäß § 140c Abs. 1 Satz 1 SGB V Regelungen zur Vergütung der Vertragsparteien.

Unabhängig von den Gesetzesnovellierungen durch das DVG besteht die Möglichkeit, dass die digitalen Gesundheitsanwendungen als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation gemäß § 43 SGV V angeboten und von der Krankenkasse vergütet werden.

Vergütung ärztlicher Leistungserbringer

Im Rahmen der Entscheidung des BfArM, ob die digitale Gesundheitsanwendung gemäß § 139e SGB V in das Verzeichnis aufzunehmen ist, wird auch die erforderliche ärztliche Leistung für die Nutzung der digitalen Gesundheitsanwendung bestimmt. Ist eine ärztliche Leistung erforderlich, kann dies eine Anpassung der Vergütung ärztlicher Leistungen seitens der KBV nach sich ziehen. Vertragsärzte könnten die erforderliche Leistung dann nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab bei der jeweiligen KV abrechnen.

Die neuen Zugangswege, wir verschaffen Ihnen den Durchblick

Durch das DVG wird der Weg für die Hersteller von diGA in den ersten Gesundheitsmarkt geebnet und eine gesetzliche Grundlage für die Vergütung der Hersteller durch die gesetzlichen Krankenversicherungen geschaffen. DiGA-Hersteller, die sich rechtzeitig mit dem DVG und den Möglichkeiten befassen, werden zu den „First Movern“ gehören und sich so einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Dazu müssen die Hersteller der Gesundheitsanwendungen in den Risikoklassen I und II die Regelungen der gemeinsamen Festlegung des Vergütungsbetrags durch Krankenkassen und Hersteller, als auch rechtlich Rahmenbedingungen und besondere Versorgungsaufträge kennen und umsetzen können. Für diGA der Risikoklassen IIb und III bleibt derzeit alles beim alten und der Gesetzgeber hat noch Handlungsbedarf.

Nach unserer Auffassung wird die Bedeutung rechtlicher und regulatorischer Aspekte von Hersteller-Seite bisher nicht angemessen anerkannt. Häufig wird in Diskussionen angeführt, dass die Einhaltung der Vorschriften als unbezahlbar gelte und aufgrund ihrer Komplexität nicht gut verstanden werde. Davor warnen wir, denn es birgt bei Nichteinhaltung ein hohes Risiko für den Markteintritt. Empfehlenswert ist ein Netzwerk aus Experten für rechtliche und regulatorische Anforderungen aufzubauen. Wir kennen die Partner und begleiten Sie gerne.

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