Die Gesundheitsbranche steht vor einer neuen Ära der Regulierung. Seit der vollständigen Geltung der Medical Device Regulation (MDR) ab dem 26. Mai 2021 sehen sich Hersteller von Medizinprodukten in der EU mit erheblichen Änderungen konfrontiert. Parallel dazu trat am 1. August 2024 der Artificial Intelligence Act (AI Act) in Kraft, der einen Rahmen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) schafft. Diese beiden Regelwerke stellen erhebliche Anforderungen an die Medizinproduktehersteller, insbesondere an diejenigen, die KI-Technologien in ihren Produkten verwenden.
Was bedeutet dieser Regulierungsdschungel für Medizinproduktehersteller?
Medizinproduktehersteller, die KI in ihren Produkten einsetzen, müssen nun sowohl die Anforderungen der MDR als auch des AI Acts erfüllen. Dieser Regulierungsdschungel stellt die Hersteller vor erhebliche Herausforderungen, da sie sicherstellen müssen, dass ihre Produkte sowohl den hohen Standards der MDR als auch den spezifischen Anforderungen des AI Acts entsprechen. Diese Anforderungen umfassen unter anderem Sicherheits- und Leistungsstandards sowie die Transparenz und Erklärbarkeit der KI-Systeme. Hersteller müssen sicherstellen, dass ihre Produkte den höchsten Sicherheits- und Qualitätsstandards entsprechen und das Vertrauen der Patienten und Gesundheitsdienstleister gewinnen.
Medical Device Regulation
Die MDR ersetzt die bisherige Medizinprodukterichtlinie und stellt sicher, dass Medizinprodukte in der EU hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards entsprechen. Die MDR umfasst eine Vielzahl von Anforderungen an die Konformitätsbewertung, klinische Prüfungen, Marktüberwachung und das Inverkehrbringen von Medizinprodukten.
Zu den wesentlichen Anforderungen der MDR gehören
Artificial Intelligence Act
Der AI Act soll den Einsatz von KI in der Europäischen Union regulieren und gewährleisten, dass KI-Systeme sicher und verlässlich sind. Er basiert auf einer risikoorientierten Einstufung, bei der KI-Anwendungen in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden: unakzeptables Risiko, hohes Risiko, begrenztes Risiko und minimales Risiko. KI-gestützte Medizinprodukte fallen dabei häufig unter die Kategorie der Hochrisiko-KI-Systeme und müssen sich entsprechend strengen Vorgaben unterwerfen.
Hersteller von Hochrisiko-KI-Systemen müssen im Wesentlichen folgende zentralen Anforderungen erfüllen:
1. Risikomanagement
2. Daten und Daten-Governance
3. Technische Dokumentation
4. Transparenz- und Informationspflichten
5. Menschliche Aufsicht
6. Genauigkeit, Robustheit und Cybersicherheit
7. Post-Market Monitoring und Meldepflichten
8. Registrierung, CE-Kennzeichnung und Zusammenarbeit mit Behörden
Vergleich Anforderungen von MDR und AI Act mit Fokus auf Medizinproduktehersteller
Anforderung |
MDR |
AI Act |
Risikomanagement |
Risikobewertung und -minimierung (EN ISO 14971) |
Lebenszyklus-basiertes Risikomanagement |
Datenqualität |
Klinische Daten müssen umfassend und korrekt sein |
Fehlerfreie und repräsentative Datensätze; Fokus auf Diskriminierungsvermeidung |
Technische Dokumentation |
Umfassende Dokumentation inkl. klinischer Bewertungen |
Detaillierte Beschreibung von KI-Aufbau und Funktionsweise |
Transparenz und Erklärbarkeit |
Nachvollziehbare technische Dokumentation |
Aufklärung über KI-Funktionsweise und Einschränkungen |
Marktüberwachung |
System zur kontinuierlichen Überwachung |
Kontinuierliches Monitoring und Reporting |
Menschliche Aufsicht |
Nicht explizit gefordert |
Eingreifen durch menschliche Kontrollinstanzen erforderlich |
Cybersicherheit |
Funktionale Sicherheit integriert |
Schutzmaßnahmen gegen Cyberangriffe erforderlich |
Registrierung und Kennzeichnung |
CE-Kennzeichnung erforderlich |
Registrierung bei Behörden und CE-Kennzeichnung |
Empfehlung für Medizinproduktehersteller
Unsere Erfahrung zeigt, dass viele vermeintlich KI-gestützte Medizinprodukte nicht unter den AI Act fallen und somit auch nicht dessen umfangreichen Regulierungsvorschriften unterliegen. Für viele Hersteller bedeutet das eine spürbare Erleichterung, denn die damit verbundenen organisatorischen, zeitlichen und finanziellen Aufwände entfallen schlichtweg.
Gleichzeitig ist die Abgrenzung, ob ein Medizinprodukt tatsächlich unter die Definition des AI Acts fällt, häufig sehr komplex. Bei Frage, ob ein Medizinprodukt als Hochrisiko-KI einzustufen ist, nimmt der AI Act zwar auf die MDR Bezug, im Detail zeigen sich dann aber erhebliche Unterschiede in der Anforderungen der beiden Regelwerke z.B. hinsichtlich IT-Sicherheit sowie Aufsichts- und Informationspflichten der Hersteller.
Immerhin besteht die Möglichkeit, einheitliche Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, sodass die Benannte Stelle für Medizinprodukte ab Klasse IIa gemäß MDR, die zugleich unter den AI Act fallen, die Anforderungen beide Regelwerke in einem Bewertungsverfahren prüfen kann. Doppelungen in den Anforderungen beider Werke können so konsolidiert werden. Hersteller sollten dies bereits bei der Dokumentation vor der (Re-) Zertifizierung ihrer Produkte berücksichtigen.
Daher empfiehlt es sich, frühzeitig Experten hinzuzuziehen. Dies kann dabei helfen, die eigene Dokumentation zu überprüfen und Prozesse auf KI-relevante Anforderungen auszurichten, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.
Sollte sich hingegen herausstellen, dass ein Medizinprodukt doch als KI-System einzuordnen ist, müssen die entsprechenden Vorgaben des AI Acts beachtet werden. Entsprechend kann es sich empfehlen, die Regulatorien in bestehende Abläufe zu integrieren und von Anfang an klare Zuständigkeiten festzulegen. So kann eine reibungslose Implementierung gewährleistet und das Vertrauen in moderne Technologie-Lösungen nachhaltig gefestigt werden.
Sollten Sie Medizinproduktehersteller sein, stehen wir gerne für eine detaillierte Beratung und Unterstützung zur Einhaltung der MDR und des AI Acts zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns!