15. Oktober 2025

Ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 10.12.2024 (Az. 7 W 1704/24 e) wirft ein Schlaglicht auf die gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und die vertragsarztrechtlichen Grauzonen in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Auch wenn der Beschluss in seiner unmittelbaren Wirkung eine rein gesellschaftsrechtliche Streitigkeit betraf, liefert er wichtige Anhaltspunkte zur finanziellen Beteiligung von Ärzten ohne Kassenzulassung.

Der Hintergrund: GmbH-Streit und stille Beteiligung

Der Fall betraf ein vertragsarztrechtlich zugelassenes MVZ in der Rechtsform einer GmbH, die ausschließlich von Ärzten getragen wurde. Die juristische Auseinandersetzung entzündete sich an der Abberufung einer externen Geschäftsführerin. Die Antragstellerin in diesem Verfahren war eine rein privatärztlich tätige Ärztin, die in zwei Rollen auftrat:

  1. Als Fremd-Geschäftsführerin der MVZ-GmbH.
  2. Als atypisch stille Gesellschafterin der MVZ-GmbH.

 

Die Hauptentscheidung des OLG München befasste sich mit den Verfügungsansprüchen der Ärztin, gerichtet auf die Rückgängigmachung ihrer Abberufung und die Wiederherstellung ihrer Geschäftsführerbefugnisse. Das Gericht wies die Beschwerde der Ärztin zurück und bestätigte die gesellschaftsrechtliche Korrektheit ihrer Abberufung.

Die juristische Brisanz: Die MVZ-Struktur

Die eigentliche Relevanz des Beschlusses liegt jedoch in der MVZ-Struktur, die dem Verfahren zugrunde lag und die im Verfahren nicht beanstandet wurde.

KVB-Vorgaben und die Satzungsänderung

Aufgrund anfänglicher Bedenken der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) hinsichtlich der Beteiligung einer Ärztin ohne Leistungserbringerstatus i.S.d. SGB V, wurde die gesellschaftsrechtliche Gestaltung angepasst. Die KVB gab den Hinweis, dass eine atypisch stille Beteiligung der Privatärztin am Vermögen und Ertrag der Trägergesellschaft inhaltlich ausdrücklich auf den Geschäftsbereich der privatärztlichen und nicht-vertragsärztlichen Leistungserbringung begrenzt sein müsse.

Dies führte zur Differenzierung in der GmbH-Satzung zwischen:

  1. „MVZ Vertragsarztversorgung“
  2. „MVZ Privatversorgung“

 

Die Privatärztin wurde daraufhin intern nur für den Bereich der Privatversorgung zuständig erklärt.

Die stillschweigende Akzeptanz der Beteiligung

Obwohl der eigentliche Gegenstand des Beschlusses die Geschäftsführerabberufung war, belegt der Sachverhalt, dass die Rechtsstellung der Privatärztin als atypisch stille Gesellschafterin im Ergebnis unbeanstandet blieb. Der Beschluss deutet damit an, dass eine solche Beteiligung gesellschaftsrechtlich als zulässig angesehen wird, auch wenn sie die Ergebnisse der MVZ Vertragsarztversorgung anteilig betrifft, solange:

  1. Die Beteiligung auf den Privatbereich begrenzt ist.
  2. Die Privatärztin keine Mitsprache- oder Stimmrechte hinsichtlich der Geschäftsführung der Vertragsarztversorgung besitzt.

 

Fazit und Bedeutung für die Praxis

Der Beschluss des OLG München beleuchtet einen Weg, wie alle approbierten Ärzte potenziell eine wirtschaftliche Beteiligung an MVZ-Kapitalgesellschaften anderer Ärzte realisieren können. Die stillschweigende Duldung dieser Struktur durch die Zulassungsgremien zeigt, dass im Zivil- und Steuerrecht offensichtlich mehr Gestaltungsspielraum besteht, als dies die strengen Vorgaben des SGB V und des Berufsrechts vermuten lassen.

Eine „atypisch stille Gesellschaft“ ist eine besondere Form der Beteiligung an einem Unternehmen: Der stille Gesellschafter tritt nach außen nicht in Erscheinung, erhält aber eine gewinnabhängige Beteiligung. Atypisch wird sie, wenn zusätzliche Rechte und wirtschaftliche Mitwirkungen vereinbart sind, etwa Beteiligung an stillen Reserven, am Geschäftswert oder Vetorechte – mit häufig attraktiven steuerlichen Effekten und Regeln, die an Personengesellschaften erinnern. Wichtig dabei: In GmbH-Satzungen tauchen stille Beteiligungen nicht auf; Zulassungsgremien sehen diese Beteiligten daher regelmäßig gar nicht.

Wenn solche Modelle tatsächlich mit dem Vertragsarztrecht vereinbar sind, könnten jedenfalls approbierte Ärzte wirtschaftlich an MVZ-GmbHs beteiligt sein, ohne (offene) Gesellschafter zu sein.

Offen bleibt, ob auch Ärzte ohne Tätigkeit im MVZ (nur mit Approbation) atypisch stille Gesellschafter sein dürfen oder ob eine tatsächliche privatärztliche Tätigkeit im MVZ nötig ist. Die Urteilsgründe lassen diese Frage bewusst offen.

Zugleich gilt: Der Gesetzgeber hat MVZ-Strukturen bereits mehrfach aufgegriffen und nachgeschärft. Es wäre verfrüht, hier eine generelle Freigabe der unternehmerischen Beteiligung von Privatärzten an MVZ-Kapitalgesellschaften anzunehmen. Aber auf Basis dieses Beschlusses können solche Strukturen Teil von strategischen Überlegungen sein.

Wenn Sie hierzu eine rechtliche oder strategische Beratung bezüglich der Gründung, Umstrukturierung oder Beteiligung an einem MVZ benötigen, insbesondere im Hinblick auf die steueroptimierte atypisch stille Beteiligung, melden Sie sich gerne bei uns.

Kategorien
Newsletter
Wollen Sie unter den Ersten sein, die über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitsrecht und der Gesundheitspolitik informiert werden?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.