Der BGH entschied heute, dass eine Zusammenarbeit zwischen einem Augenarzt und einem Optiker wegen Verstoßes gegen die §§ 3 Abs. 2 und 34 Abs. 5 der ärztlichen Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen (BOÄ) einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen kann (BGH I ZR 13/07).
Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass die genannten Regelungen der Berufsordnung Marktverhaltensregelungen enthalten. Der Augenarzt könne die Verweisung an einen bestimmten Optiker nicht damit begründen, dass Optiker die Sehschärfe selbst bestimmen und die dann angefertigte Brille von der Brillenverordnung abweichen könne. Ebenso wenig begründe der Patientenwunsch nach Leistungen «aus einer Hand» einen hinreichenden Verweisungsgrund.
Der beklagte Augenarzt aus der Region Hannover arbeitet mit einem Optiker aus dem Großraum Düsseldorf zusammen. Er bietet Patienten an, sich in seiner Praxis unter etwa 60 Musterbrillenfassungen des Optikers eine Fassung auszusuchen. Anschließend übermittelt er seine Messergebnisse und die Brillenverordnung dem Optiker, der die fertige Brille entweder direkt an den Patienten oder auf dessen Wunsch in die Praxis des Beklagten liefert. Dort kontrolliert der Augenarzt dann den Sitz der Brille.
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs erhob wegen dieser Zusammenarbeit Unterlassungsklage beim Landgericht Hannover. Denn nach ihrer Ansicht verstößt der Beklagte mit diesem Verhalten gegen § 3 Abs. 2 und § 34 Abs. 5 BOÄ. Der Beklagte trug vor, er biete die Brillenvermittlung nur in Ausnahmefällen alten, gehbehinderten oder solchen Patienten an, die an bestimmten Erkrankungen litten oder schlechte Erfahrungen mit ortsansässigen Optikern gemacht hätten. Das LG Hannover gab der Unterlassungsklage statt. Das Oberlandesgericht Celle als Berufungsgericht wies sie ab. Das OLG sah einen hinreichenden Grund für die Verweisung eines Patienten an einen weit entfernten Optiker darin, dass Optiker die Sehschärfe selbst bestimmten und die dann angefertigte Brille von der Brillenverordnung abweichen könne.
Der Bundesgerichtshof gab nun der Revision der Wetbewerbszentrale zum Teil statt und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.
Laut BGH kann ein Verstoß gegen die §§ 3 Abs. 2 und 34 Abs. 5 BOÄ einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Klägerin begründen, da es sich bei diesen Vorschriften um Marktverhaltensregelungen handele. Allerdings könne die Klägerin dem Beklagten nicht allgemein verbieten, Patienten an einen bestimmten Optiker zu verweisen oder von diesem angefertigte Brillen in seiner Praxis anzupassen und abzugeben, denn § 34 Abs. 5 BOÄ gestatte die Verweisung, wenn dafür ein hinreichender (nicht notwendig medizinischer) Grund besteht. Und nach § 3 Abs. 2 BOÄ sei die Anpassung und Abgabe einer Brille durch einen Augenarzt zulässig, wenn sie notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist.
Entgegen dem OLG sieht der BGH aber eben keinen hinreichenden Verweisungsgrund in der Selbstbestimmung der Sehschärfe durch Optiker und die damit verbundene Möglichkeit der Abweichung der angefertigten Brille von der Brillenverordnung. Die Ansicht des OLG hätte zur Folge, dass Augenärzte Patienten unbeschränkt an bestimmte Optiker verweisen könnten. Der BGH lehnt dies ab und meint, der Augenarzt könne auch auf andere Weise als durch Verweisung an einen bestimmten Optiker verhindern, dass der Optiker Brillengläser herstellt, die in der Stärke von der ärztlichen Versorgung abweichen. Die Argumentation des OLG würde das Verweisungsverbot letztlich jeglicher Bedeutung berauben, weil die Möglichkeit niemals auszuschließen sei, dass der Optiker von der Verordnung abweichende Gläser herstellt.
Soweit sich einzelne Patienten auf schlechte Erfahrungen mit einem örtlichen Optiker beriefen, werde nicht deutlich, weshalb nicht die Dienste anderer örtlicher Optiker in Anspruch genommen werden könnten.