Der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts (BSG) entschied am 25.10.2023, dass MVZ in Trägerschaft ohne direkte ärztliche Beteiligung bei der Bewerbung um einen entsperrten Vertragsarztsitz nicht benachteiligt werden dürfen. Die Nachrangregelung ist weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Damit hat das BSG die Position von MVZ, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, gestärkt und klargestellt, dass diese bei der Bewerbung um einen Vertragsarztsitz in einem Verfahren wegen partieller Entsperrung eines Planungsbereichs gleichrangig neben anderen Bewerbern zu berücksichtigen sind.
Hintergrund der Entscheidung war die Frage, ob die gesetzliche Regelung, wonach bei der Auswahl eines Praxisnachfolgers ein MVZ, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig sind, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen ist (vgl. § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V), auch hier Anwendung findet.
Nichtärztliches MVZ war unter Verweis auf Nachrangregelung ausgeschlossen worden
Die Beteiligten streiten über eine Zulassung nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs. In dem zu beurteilenden Fall ging es um eine halbe Zulassung für die Gruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit Schwerpunkt Rheumatologie in Bayern. Der zuständige Zulassungsausschuss erteilte einem Internisten die Zulassung. Beworben hatte sich auch ein MVZ, das gleichzeitig die Genehmigung zur Anstellung einer Ärztin beantragt hatte. Gesellschafterin des MVZ ist eine GmbH, die nichtärztliche Dialyseleistungen erbringt. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ist wiederum ein Arzt, welcher zudem als angestellter Arzt weiterhin in dem MVZ tätig und dessen ärztlicher Leiter ist.
Widerspruch und Klage erster Instanz blieben ohne Erfolg
Den gegen die Entscheidung des Zulassungsausschuss gerichteten Widerspruch des MVZ wies der beklagte Berufungsausschuss zurück. Der Antrag sei nachrangig zu behandeln. Dies folge aus § 103 Absatz 4c Satz 3 SGB V, wonach bei der Auswahl eines Praxisnachfolgers ein MVZ, bei dem – wie hier – die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liege, die in dem MVZ selbst als Vertragsärzte tätig seien, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen sei. Dem ist das Sozialgericht gefolgt und hat die Klage in erster Instanz abgewiesen.
Auch das LSG bestätigte die Anwendbarkeit der Nachrangregelung
Das Landessozialgericht Bayern (LSG) verurteilte den Berufungsausschuss zwar dazu, neu zu bescheiden. Allerdings bejahte auch das LSG die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regelung des § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V. Diese sei im Rahmen von Zulassungsverfahren bei partieller Entsperrung entsprechend anwendbar, könne allerdings nicht als Ausschlussregelung aufgefasst werden. Vielmehr habe der Zulassungsausschuss die Klägerin bei der Auswahlentscheidung berücksichtigen müssen. Der Nachrang greife nur bei einem Gleichstand zwischen einem Vertragsarzt, einem von Vertragsärzten mehrheitlich geführte MVZ und einem MVZ, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt.
BSG: Nachrangregelung ist weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar
Das BSG hingegen erklärte die Nachrangregelung des § 103 Absatz 4c Satz 3 SGB V, die nach ihrem Wortlaut allein für die Auswahl des Praxisnachfolgers imNachbesetzungsverfahren gilt, in einem Auswahlverfahren wegen partieller Entsperrung eines Planungsbereichs für nicht anwendbar. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Somit darf die Trägerschaft des MVZ bei der Auswahl zwischen verschiedenen Bewerbern bei einer Zulassung nach einer partiellen Entsperrung eines Planungsbereichs keine Rolle spielen. Der Berufungsausschuss muss daher unter gleichrangiger Berücksichtigung des MVZ neu über die Vergabe der Zulassung entscheiden.
Fazit
Das klarstellende Urteil des BAG ist zu begrüßen, und es stärkt die Trägervielfalt und Neutralität der MVZ. Dies hat zur Folge, dass die Qualität anhand der Kriterien der Richtlinien den Ausschlag gibt, welche Bewerbung um einen Vertragsarztsitz in einem Verfahren wegen partieller Entsperrung eines Planungsbereichs den Sitz erhält, und eröffnet neue Chancen für das Krankenhaus-MVZ.
Da das BSG die Anwendbarkeit der Nachrangregelung verneint hat, bleibt hingegen die Frage unbeantwortet, wie im Rahmen von Nachbesetzungsverfahren in gesperrten Planungsbereichen nach § 103 Abs. 4 SGB V die Nachrangregelung auszulegen ist. Während zum Teil vertreten wird, dass diese zum Ausschluss von nichtärztlichen MVZ führt, gehen andere – wie auch das LSG in der Vorinstanz – davon aus, dass der Nachrang nur unter gleichwertigen Bewerbern zum Tragen kommt. Diese Frage hat das BSG in seinem Urteil offen gelassen.