Zur Mitwirkung eines Schönheitschirurgen an einer Fernsehsendung über einen neuen Urlaubstrend („Fettabsaugen auf Mallorca“) unter dem Aspekt vermeintlich berufswidriger Werbung.
Zum Sachverhalt:
Der Beschuldigte in diesem berufsrechtlichen Verfahren war Facharzt für Chirurgie und nach eigenen Angaben insbesondere im Bereich der ästhetischen Chirurgie (Haartransplantationen, Fettabsaugungen) tätig. Am 7. 3. 2001 zeigte der Sender RTL in der Sendung „Explosiv“ einen Beitrag zum Thema „Fettabsaugung auf Mallorca“. Der Beitrag wurde mit folgender Anmoderation eingeleitet:
„Noch ist es ein Geheimtipp unter deutschen Männern. Doch es könnte der Mallorca-Trend dieses Sommers werden, nämlich: Zum Fettabsaugen nach El Arenal. Das geht dann so: Erst abfeiern, dann absaugen und dann wieder abfeiern. Motto: Ein bisschen Spaß muss sein, schau doch mal wieder beim Chirurgen rein.“
In dem etwa fünfeinhalb Minuten langen Beitrag wird über den Kurzurlauber „Christian aus München“ berichtet, der sich auf Mallorca eine Fettabsaugung am Bauch in einer – namentlich genannten – Privatklinik in Palma durchführen ließ. Der Preis für derartige Operationen wurde mit 8.000,00 DM angegeben. Dass der Besch. eine Praxis in D. betreibt, wird in dem Bericht nicht erwähnt. Von den fünfeinhalb Minuten entfallen knapp zwei Minuten auf Einstellungen in der Klinik; der Besch. ist insgesamt etwa 80 Sekunden zu sehen.
Die Ärztekammer (Ast.) beantragte beim Berufsgericht die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens gegen den Besch., weil er mit dem Interview in der Fernsehsendung gegen das Werbeverbot der Berufsordnung der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (NWBOÄrzte) verstoßen habe. Die Fernsehsendung habe darauf abgezielt, für eine von dem Beschuldigten auf Mallorca durchgeführte Fettabsaugung zu werben. Das Berufsgericht hat das berufsgerichtliche Verfahren antragsgemäß mit Beschluss vom 9. 8. 2004 eröffnet und dem Besch. zur Last gelegt, „die ihm obliegende Berufspflicht, verbotene Werbung durch andere weder zu veranlassen noch zu dulden, dadurch verletzt zu haben, dass er am 7. 3. 2001 in der auf dem Sender RTL ausgestrahlten Sendung „Explosiv“ ein Interview zum Thema „Fettabsaugung auf Mallorca“ gab.
Das Berufsgericht erkannte wegen Verletzung von Berufspflichten auf eine Geldbuße in Höhe von 6.000,– Euro. Das Landesberufsgericht für Heilberufe beim OVG Münster gab der Berufung des beschuldigten Arztes statt.
Aus den Gründen:
Der Besch. hat durch die Teilnahme an der fraglichen Sendung nicht gegen das in der Berufsordnung geregelte Verbot berufswidriger Werbung verstoßen (§ 27 II der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärzte/Ärztinnen vom 14. 11. 1998 i.d.F. vom 18. 3. 2000 [NWBOÄrzte a.F.] bzw. § 27 III NWBOÄrzte i.d.F. vom 20. 11. 2004 [NWBOÄrzte n.F.]). …
Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG sind Werbeverbote für Ärzte grundsätzlich gerechtfertigt, sie dürfen aber nicht in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) eingreifen. Das Verbot berufswidriger Werbung (vgl. nun § 27 III 1 und 2 NWBOÄrzte n.F.) ist demgegenüber verfassungsrechtlich unbedenklich.
Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung dienen. Es soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt damit einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor, die einträte, wenn der Arzt Werbemethoden verwendete, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind.
Dem Arzt ist allerdings nicht jede, sondern lediglich solche Werbung verboten, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt. Dem Arzt ist neben der auf seiner Leistung und seinem Ruf beruhenden Werbewirkung eine Reihe von Ankündigungen mit werbendem Charakter unbenommen: Er darf rechtmäßig erworbene Titel führen, seine Tätigkeit zum Beispiel durch ein Praxisschild nach außen kundtun und auch durch Zeitungsanzeigen werben, sofern diese nicht nach Form, Inhalt oder Häufigkeit übertrieben wirken (BVerfG, st. Rspr., vgl. nur BVerfG, NJW 2002, 3091; NJW 2003, 3470; NJW 2004, 2659; ebenso BGH, NJW 2004, 440).
In Bezug auf Veröffentlichungen in der Presse ist die wesentliche Rolle zu beachten, welche die Presse in einer demokratischen Gesellschaft erfüllt; es ist ihre Aufgabe, Informationen und Ideen über alle Fragen öffentlichen Interesses mitzuteilen. Standesregeln zum Werbeverbot dürfen im Übrigen nicht so ausgelegt werden, dass Ärzten die unverhältnismäßige Last einer inhaltlichen Kontrolle von Presseveröffentlichungen auferlegt wird (EGMR, NJW 2003, 497 – Stambuk/Deutschland). Vorschriften, die – wie hier zum Beispiel § 27 I und II NWBOÄrzte a.F. – die Arztwerbung derart restriktiv einschränken, dass sie nur anlassbezogene Werbung (bei Niederlassung, Praxisaufgabe usw.) erlauben und zudem bestimmte Medien vollkommen ausschließen (z. B. persönliche Schreiben oder den Rundfunk) sind – ihre wörtliche Anwendung als zwingend unterstellt – verfassungswidrig. Berufliche Werbung bedarf keiner besonderen Anlässe (BVerfG, NJW 2002, 3091 [3092f.] zur vergleichbaren Regelung in § 14 NWBOÄrzte der Tierärztekammer Nordrhein).
Den Fachgerichten obliegt es, die Grenze zwischen erlaubten und verbotenen Handlungsformen – unter Abwägung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit mit der Sicherung des Werbeverbots – im Einzelfall zu ziehen (BVerfG, NJW 2003, 3472; st. Rspr.).
In Anwendung dieser Maßgaben hält der Senat die vom BVerfG aufgezeigten Grenzen zulässiger Werbung bei dem in Rede stehenden Interview – selbst wenn man dessen Einbettung in die Sendung insgesamt bewertet – nicht für überschritten.
a) Wegen der – neben der Aufsichtsbehörde – allein der Kammer zustehenden Antragsberechtigung (vgl. § 71 I NWHeilberufsG) und der damit verbundenen Dispositionsbefugnis (Rücknahmemöglichkeit besteht nur bis zur Zustellung des Eröffnungsbeschlusses, vgl. § 71 III NWHeilberufsG) ist bei der nachfolgenden Prüfung ausschließlich von der Anschuldigungsschrift in der Gestalt, die sie durch den Eröffnungsbeschluss erhalten hat, auszugehen. In dem Eröffnungsbeschluss sind die „den Beschuldigten zur Last gelegten Verfehlungen anzuführen“ (§ 75 I NWHeilberufsG); dies bedeutet, dass Zeit und Ort der Tatbegehung und die gesetzlichen Merkmale der Tat sowie die anzuwendenden (Straf-)Vorschriften zu bezeichnen sind (sog. Anklagesatz, vgl. § 112 HeilBerG i.V. mit § 200 I StPO).
Für die weitere Prüfung maßgeblich kann deshalb nur der im Eröffnungsbeschluss genannte Vorwurf sein, der Beschuldigte habe durch das in der am 7. 3. 2001 ausgestrahlten Sendung gegebene Interview zum Thema „Fettabsaugung auf Mallorca“ gegen das in § 27 II NWBOÄrzte a.F. normierte Verbot berufswidriger Werbung verstoßen. Nicht maßgeblich ist hingegen, ob der Beschuldigte die Ausstrahlung der Sendung „geduldet hat“ oder ob er in unzulässiger Weise an einer inhaltlich fragwürdigen Sendung mitgewirkt hat, worauf das Berufsgericht entscheidend abstellt. Denn beide Vorwürfe sind in der Anschuldigungsschrift nicht enthalten.
Dies ergibt sich aus dem auf aktives Tun – und nicht auf Duldung – abstellenden Anschuldigungssatz sowie daraus, dass die die Mitwirkung an einer Veröffentlichung speziell regelnde Vorschrift der alten Berufsordnung (§ 28 S. 1 NWBOÄrzte a.F.: „Veröffentlichungen medizinischen Inhalts oder die Mitwirkung von Ärztinnen und Ärzten an aufklärenden Veröffentlichungen in den Medien sind zulässig, soweit sie auf sachliche Information begrenzt sind und die Person sowie das ärztliche Handeln nicht werbend herausgestellt werden.“) nicht im Anklagesatz aufgeführt ist. Es kommt hinzu, dass die genannte Regelung des § 28 NWBOÄrzte a.F. in der aktuellen Berufsordnung nicht mehr enthalten ist, so dass sie … ohnehin wohl nicht zu Lasten des Besch. hätte zur Anwendung kommen können. Letztlich muss auch hier keine Festlegung erfolgen. Weder ist in dem Interview selbst eine berufswidrige Werbung zu sehen noch hat der Besch. – unterstellt, dies wäre von der Anschuldigung mitumfasst – in berufswidriger Weise an der Sendung mitgewirkt.
b) Das im Vordergrund der Anschuldigung stehende Interview bzw. die Sendung insgesamt kann nicht als Werbung für den Besch. qualifiziert werden.
aa) Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Werbung „das Werben, werbendes Bemühen“, …„die Werbung neuer Mitglieder, Abonnenten“ oder „die Gesamtheit von werbenden Maßnahmen, Reklame, Propaganda“ (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, hrsg. vom Wissenschaftlichen Rat und Mitarbeitern der Dudenredaktion unter Leitung von Drosdowski, Köster und Müller, 1981). Im Zusammenhang mit der Werbung von Kunden wird der Begriff seit den 20er Jahren für „Reklame machen“ gebraucht (H. Paul, Dt. Wörterbuch, 6. Aufl. [1966]).
Mangels Normierung im nationalen Recht greift die zivilrechtliche Rechtsprechung regelmäßig auf die in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. 9. 1984 enthaltene Definition zurück, die unter Werbung „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen … zu fördern“, versteht (ABlEG Nr. L 250 v. 19. 9. 1984, S. 17; vgl. nur OLG Düsseldorf, MMR 2006, 171).
Gemeinsam ist damit sämtlichen Begriffsumschreibungen die Finalität des fraglichen Verhaltens; Werbung ist darauf gerichtet, eine Ware oder Dienstleistung anzupreisen, um den Adressaten der Werbung zu veranlassen, von dem jeweiligen Angebot Gebrauch zu machen.
Hieran fehlt es sowohl bei dem Interview als auch bei dem Beitrag insgesamt; beide sind nicht auf eine Inanspruchnahme der ärztlichen Leistungen des Besch. gerichtet. Vielmehr dienen sie allein der Unterhaltung der Fernsehzuschauer, indem sie – wie es in der Anmoderation heißt – einen vermeintlich neuen Mallorca-Trend vorstellen, nämlich die Verbindung eines Kurzurlaubs mit einem schönheitschirurgischen Eingriff. Dies geschieht exemplarisch dadurch, dass ein Kurzurlauber während seines Mallorca-Urlaubs am Strand und in der Diskothek, aber auch in der Klinik – hier gemeinsam mit dem Besch. – und danach gezeigt wird. Auch die Nennung und Einblendung seines Namens sprechen nicht für eine Werbung für den Besch. Da der Beitrag als Tatsachenbericht gestaltet ist, liegt es nahe, dass nicht nur der Patient, sondern auch Klinik und Arzt namentlich genannt werden; ähnlich wie der Patient als „Christian aus München“ werden auch die Namen des Besch. und der Klinik nur kurz erwähnt, jedoch ohne nähere Angaben zu Anschrift, Telefonnummer oder ähnlichen Details, die ihrer Identifizierung dienen könnten.
bb) Jedenfalls enthält das Interview keine berufswidrige Werbung. Das Berufsgericht ist davon ausgegangen, dass der Besch. den Zuschauern in dem Interview sachliche Informationen vermittele. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an. Mit welchen vernünftigen Gemeinwohlbelangen sich das Verbot dieser Schilderungen rechtfertigen ließe, ist nicht ersichtlich. Das Interview leistet weder einer unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs Vorschub noch beeinträchtigt es das Vertrauen der Bevölkerung in den ärztlichen Berufsstand.
c) Schließlich ergäbe sich selbst dann keine andere Bewertung, wenn man – über den engeren Wortlaut des Anklagesatzes hinausgehend – auf die Sendung insgesamt abstellte. Ziel des Beitrags ist – wie dargelegt – nicht, Patienten/Kunden für den Besch. zu aquirieren, sondern für den Zuschauer einen vermeintlich neuen Modetrend (hier: im Bereich der Schönheitschirurgie) in unterhaltsamer Form aufzubereiten. Dass die Vorschriften der Berufsordnung nach der Rechtsprechung des EuGH nicht so ausgelegt werden dürfen, dass Ärzten die unverhältnismäßige Last einer inhaltlichen Kontrolle von Presseveröffentlichen auferlegt wird, wurde bereits oben erwähnt. Nichts anderes kann für das Medium der Fernsehberichterstattung gelten.
OVG Münster Landesberufsgericht für Heilberufe, Urteil vom 25. 4. 2007 – 6t A 1014/05
Haben Sie Fragen zum ärztlichen Werberecht? Wir rufen Sie gerne zurück.
[maxbutton id=“1″]