In den vergangenen Jahren haben Corona-Atteste, die fälschlicherweise die Befreiung von Maskenpflicht oder Impfungen bescheinigen, für Schlagzeilen gesorgt und die Aufmerksamkeit der Justiz auf sich gezogen. Ein zentrales Thema dabei ist die strafrechtliche Bewertung solcher Atteste. Insbesondere im Zusammenhang mit § 278 des Strafgesetzbuches (StGB), der die Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse unter Strafe stellt.
§ 278 StGB ist darauf ausgerichtet, das Vertrauen in die ärztliche Bescheinigung zu schützen und sieht hohe Strafen für Ärzte vor, die wissentlich falsche Gesundheitszeugnisse ausstellen. Die Missbrauchsgefahr war während der Pandemiezeiten enorm, da falsche Atteste nicht nur individuelle Vorteile verschaffen, sondern auch die öffentliche Gesundheit hätten gefährden können.
In diesem Blogbeitrag wirf unsere Medizinrechtsexpertin Nadine Ettling einen genauen Blick auf die rechtlichen Grundlagen des § 278 StGB und wie er in der Praxis auf die Ausstellung falscher Corona-Atteste angewandt wird. Sie beleuchtet die Konsequenzen für Ärzte, die sich auf solche Atteste ausstellen. Dabei gehen sie auch auf das aktuelle Gerichtsurteil ein, das die Relevanz und Anwendung dieser Vorschrift verdeutlicht.
Ärzte, die bewusst falsche Atteste ausstellen, machen sich nach § 278 StGB strafbar. Hierfür reichen schon vereinzelte „Gefälligkeitsatteste“. Es recht und mit deutlich härteren Strafen greift der Straftatbestand dann, wenn die falschen Gesundheitszeugnisse zahlreich oder gar gewerbsmäßig ausgestellt werden oder wurden. Dies musste nun eine Ärztin und bekennende Reichsbürgerin persönlich erfahren.
Der Straftatbestand des § 278 StGB
Für das Ausstellen falscher Gesundheitsatteste droht Ärzten nach § 278 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. In besonders schweren Fällen droht sogar eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Ein solcher Fall liegt zum Beispiel dann vor, wenn gewerbsmäßig gehandelt wird. Als Konsequenz können dann auch Berufsverbote gerichtlich angeordnet werden.
§ 278 StGB –Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse
(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr als Arzt oder andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von unrichtigem Ausstellen von Gesundheitszeugnissen verbunden hat, Impfnachweise oder Testzertifikate betreffend übertragbare Krankheiten unrichtig ausstellt.
Der aktuelle Fall
Vor dem Landgericht Dresden musste sich eine Hausärztin wegen der Erfüllung dieses Straftatbestandes verantworten. Während der Corona-Pandemie hatte sie in über tausend Fällen falsche Atteste ausgestellt, die ihre Patienten von der Maskenpflicht, vor Testungen und Impfungen bewahren sollten. Die Ausstellung erfolgte dabei auf Zuruf der Patienten und ohne die berufsrechtlich vorgeschriebene Anamnese. Dabei nahm die Ärztin im Rahmen extra hierfür veranstalteter Sammeltermine rund 47.000 € mit dem Vertrieb der falschen Atteste ein.
Das Landgericht Dresden befand Sie (unter anderem) des gewerbsmäßigen Ausstellens falscher Gesundheitszeugnisse für schuldig und verurteilte Sie zu einer Haftstrafe von 32 Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Zudem wurde ein dreijähriges Berufsverbot verhängt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Warum keine Bewährung bei 32 Monaten?
- Überschreitung der gesetzlichen Grenze: Die Strafe von 32 Monaten überschreitet die gesetzliche Grenze von zwei Jahren, innerhalb derer eine Bewährung möglich wäre.
- Schwere der Tat: Eine längere Freiheitsstrafe wird häufig bei schwerwiegenderen Delikten verhängt, bei denen das Gericht es für notwendig hält, dass der Täter die Strafe tatsächlich verbüßt, um den Strafzweck zu erfüllen.
Da die Strafe 32 Monate beträgt, wird sie daher nicht zur Bewährung ausgesetzt, weil sie die in § 56 StGB vorgesehene Höchstgrenze überschreitet und damit automatisch die Möglichkeit der Bewährung entfällt, unabhängig von den persönlichen Umständen des Verurteilten.
Was sollten Ärzte und Ärztinnen beim Ausstellen von Gesundheitszeugnissen beachten?
Ärztliche Atteste genießen nach wie vor einen hohen Vertrauensschutz. Um diesen gerecht zu werden, sind die berufsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Wer nach eigenem Gusto Gesinnungsgutachten erstellt, wird diesen nicht gerecht und muss mit berufsrechtlichen, strafrechtlichen Sanktionen sowie gegebenenfalls zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen rechnen.
Weniger plakativ, dafür umso verbreiteter sind in diesem Zusammenhang auch die sogenannten Gefälligkeitsatteste. Gemeint sind damit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die ohne tatsächliches Krankheitsbild ausgestellt werden (siehe auch) oder auch Stillbescheinigungen, die der Patientin ein Berufsverbot verschaffen sollen, ohne dass die Voraussetzungen dafür tatsächlich gegeben sind. Auch diese Atteste stellen unrichtige Gesundheitszeugnisse dar und können die genannten gravierenden Folgen haben.
Um langfristig den gesellschaftlichen Stellenwert eines ärztlichen Attestes zu erhalten und persönliche Konsequenzen zu vermeiden, sollte daher nur attestiert werden, was auch wirklich nach den Regeln der ärztlichen Kunst festgestellt werden kann.