22. August 2025

Warum dieses Thema? No‑Shows sind für Bestell‑ und Terminpraxen nicht nur ärgerlich, sie sind betriebswirtschaftlich relevant. Juristisch lässt sich ein Ausfallhonorar grundsätzlich durchsetzen – aber nur, wenn die Praxis die richtigen Weichen stellt. Unsere Erfahrung: Wer klare Regeln mit einem stringenten Recall und einer belastbaren Dokumentation kombiniert, braucht seltener zu streiten und steht im Ernstfall rechtssicher da.

Entscheidend ist, wie transparent und organisiert eine Praxis arbeitet. Wer auf eine professionelle Praxisorganisation, inklusive digitaler Recall-Systeme und strukturierter Abläufe, damit Konfliktsituationen rund ums Ausfallhonorar setzt, bei den Praxen wird der Konfliktfall eher selten bis gar nicht erst entstehen.

Wann ein Ausfallhonorar zulässig ist

Grundlage für ein Ausfallhonorar ist immer ein fest und ausschließlich für den Patienten reservierter Termin, wie es bei Termin- oder Bestellpraxen typisch ist. Wird ein solcher Termin ohne rechtzeitige Absage nicht wahrgenommen, kann die Praxis grundsätzlich ein Ausfallhonorar verlangen. Doch dazu müssen wichtige Voraussetzungen erfüllt sein: Der Arzt muss belegen können, dass ihm tatsächlich ein finanzieller Schaden entstanden ist, weil die reservierte Zeit nicht mehr anderweitig vergeben werden konnte – z. B. durch lückenlose Dokumentation der vergeblichen Rücksprachen mit anderen Patienten (Recall). Ebenfalls unabdingbar ist eine schriftliche, transparente Vereinbarung, die den Patienten bereits bei der Terminvergabe auf die Möglichkeit eines Ausfallhonorars und dessen Höhe hinweist. Idealerweise ist diese Information in Anmeldeunterlagen, auf der Webseite, in der Online-Buchung und in Bestätigungs-E-Mails hinterlegt.

Die Höhe des Ausfallhonorars darf nicht willkürlich angesetzt werden. Maßstab ist der konkrete Verdienstausfall, also das entgangene Honorar abzüglich aller variablen Kosten (wie Material oder Fremdleistungen), die durch den Nichtantritt nicht angefallen sind. Zu pauschale oder „bestrafend“ wirkende Gebühren sind rechtlich angreifbar. Besonders die Rechtsprechung verlangt, dass immer der Nachweis eines geringeren Schadens möglich sein muss – etwa, wenn der Termin kurzfristig noch an einen anderen Patienten vermittelt wurde.

Wann Patienten nicht zahlen müssen

Kein Ausfall gilt bei rechtzeitiger, fristgerechter Absage, wie sie in der Praxis meist 24 oder 48 Stunden vor dem Termin gefordert wird – wobei für Montagstermine in der Regel der Absagezeitpunkt am vorangehenden Freitag zur Mittagszeit bindend ist. Kann die Praxis den Termin noch anderweitig vergeben, entfällt der Anspruch auf Ausfallhonorar vollständig.

Auch bei unverschuldeter Verhinderung (z. B. plötzliche Erkrankung, Unfall, höhere Gewalt) geht die Rechtsprechung zugunsten der Patienten: Ein Ausfallhonorar ist dann unzulässig, wenn der Patient glaubhaft machen kann, dass er den Termin aus nachvollziehbaren Gründen nicht absagen konnte.

Fehlt die ausreichende, schriftliche Information zum Ausfallhonorar oder bleibt sie dem Patienten verborgen, sind entsprechende Forderungen überwiegend nicht durchsetzbar. Gerade Allgemein- oder Hausarztpraxen, die offene Sprechstunden anbieten, können ein Ausfallhonorar praktisch nie verlangen, da Termine häufig nicht individuell und ausschließlich für einen Patienten reserviert werden.

Typische Anwendungsfälle und Branchenschwerpunkte

Besonders relevant ist das Ausfallhonorar in Facharztpraxen, bei Psychotherapeut:innen oder Zahnärzt:innen, wenn längere Zeitfenster und spezielle Vorbereitungen auf einzelne Patienten entfallen. Gerade bei individuell geplanten Operationen, aufwendigen Therapien oder reserviertem Spezialpersonal lassen sich Ausfälle beziffern und dokumentieren. In solchen Fällen sind differenzierte Pauschalen – zum Beispiel je nach Dauer oder Komplexität des Termins – praxisnah und überzeugend.

Ein weiteres Praxisbeispiel: In der Psychotherapie, die von jeher als strenge Bestellpraxis organisiert ist, können ausgefallene Termine regelmäßig als Ausfallhonorar abgerechnet werden, sofern schriftlich vereinbart und entsprechend transparent kommuniziert.

Effektive Terminorganisation und Recall-Systeme

Eine effektive Praxisorganisation ist der Schlüssel, um die Zahl der No‑Shows nachhaltig zu senken und die eigene Rechtsposition bei Ausfallhonoraren zu stärken. Wesentliche Bausteine hierfür sind ein konsequentes Multikanal-Recall-System mit Terminbestätigungen und Erinnerungen per SMS, E-Mail oder App sowie – insbesondere bei kritischen Zeitfenstern – zusätzliche telefonische Erinnerungen am Vortag. Besonders hilfreich für eine effiziente und rechtssichere Praxisorganisation ist dabei der Einsatz digitaler Tools wie edently, das Terminmanagement und Recall-Prozesse automatisch ohne das Zutun der Mitarbeitenden im Hintergrund automatisiert. Ergänzend empfiehlt sich eine aktiv gepflegte kurzfristige Warteliste, um frei werdende Termine schnell nachbesetzen zu können; hierbei kommt es auf klare interne Abläufe und definierte Reaktionszeiten im Team an.

Verbindliche und transparente Absagefristen

Für die Durchsetzbarkeit von Ausfallhonoraren ist es entscheidend, verbindliche und transparente Absagefristen festzulegen, etwa eine 24- oder 48-Stunden-Regelung und für Montagstermine eine Vorverlegung auf den vorherigen Freitagmittag – unter Berücksichtigung von Feiertagen. Ebenfalls zentral für die Rechtssicherheit ist eine offene Kommunikation der No‑Show‑Policy: Die Information zu Ausfallhonoraren sollte sich in den Aufnahmeunterlagen, auf der Homepage, in Aushängen und im Online‑Buchungssystem sowie idealerweise mit digitaler Bestätigung oder Checkbox finden.

Datenschutzkonforme Kommunikation und interne Prozesse

Auch datenschutzrechtliche Aspekte sind mitzubeachten – dazu zählen eine DSGVO-konforme Einwilligung der Patienten für Recall-Benachrichtigungen, klar geregelte Widerspruchsmöglichkeiten und die konsequente Datenminimierung. Die Praxis sollte Prozesse für Terminabsagen standardisieren und eine klare, höfliche sowie transparente Kommunikation im Team sicherstellen – eine wertschätzende Grundhaltung sorgt erfahrungsgemäß nicht nur für weniger Konflikte, sondern stärkt die Patientenbindung.

Typische Fehler, die Praxen vermeiden sollten

Typische Fehler, die Praxen bei Ausfallhonoraren vermeiden sollten, sind insbesondere: die Berechnung von Pauschalen in voller GOÄ-/EBM-Höhe ohne Berücksichtigung ersparter Aufwendungen, starre Strafgebühren ohne die im Gesetz geforderte Öffnung für den Nachweis eines geringeren Schadens, unzureichende oder versteckte Informationen für Patienten (zum Beispiel ein unauffälliger Aushang), fehlende Nachweise für Recall- und Nachbesetzungsversuche oder die pauschale Gleichbehandlung aller Termine, obwohl die Wahrscheinlichkeit der Ersatzbesetzung stark schwankt. Letztlich steht und fällt die Durchsetzbarkeit eines Ausfallhonorars mit einer vorausschauenden, engagierten und vertrauensvollen Praxisorganisation und Dokumentation.

Unser Fazit: Ausfallhonorar ist Organisation, nicht nur Recht

Ein durchsetzbares Ausfallhonorar ist Ausdruck guter Praxisorganisation und transparenter Kommunikation – nicht einseitige Sanktion. Harmonische Zusammenarbeit und effiziente Prozesse verhindern die meisten Konflikte schon im Vorfeld. Unsere Kanzlei begleitet Healthcare-Unternehmen, Ärzte und Zahnärzte beim Aufbau rechtssicherer und patientenorientierter Praxisstrukturen, bei der Implementierung moderner Recall-Systeme und bei der Entwicklung individuell abgestimmter Ausfallklauseln. Sprechen Sie uns an.

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