17. September 2007

Das Patientengeheimnis ist Grundlage für die Vertrauensbeziehung zwischen Patientin bzw. Patient und Arzt. Daher unterliegen alle in der Praxis erhobenen Patientendaten in den Patientenakten der ärztlichen Schweigepflicht. Dies führt häufig zu Unsicherheiten bei der Frage, wie mit diesen Daten im Rahmen eines Praxisverkaufs umgegangen werden kann,

da ein Praxiskäufer ein reges Interesse daran hat, die Patientendaten des Praxisabgebers nutzen zu können. Dabei wird nur allzu oft „übersehen“, dass der Praxisübernehmer die Daten des Vorgängers zunächst einmal gar nicht nutzen darf.

In den Berufsordnungen ist dazu geregelt, dass der Arzt, dem bei einer Praxisübergabe ärztliche Aufzeichnungen über Patienten in Obhut gegeben werden, diese Aufzeichnungen unter Verschluss halten muss und sie nur mit Einwilligung des Patienten einsehen oder weitergeben darf.

Für den Praxiskäufer ist dies natürlich ein Ärgernis, da er für die Patientendaten häufig viel Geld bezahlt hat. Denn der Patientenkartei kommt bei einem Praxisverkauf aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein erheblicher Wert zu. Der Patientenstamm repräsentiert den guten Ruf einer Praxis, aus dem sich der „good will“ der Praxis errechnet, der wesentlich zur Preisfindung einer Praxis beiträgt.

Häufig übersehen wird aber, dass dieser Wert – wegen des Patientengeheimnisses als spezifische Datenschutzregelung – nicht frei einsehbar ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu mehrfach entschieden, dass eine Praxisveräußerung einschließlich der Übertragung der Patientenakten ohne die eindeutige und unmissverständliche Einwilligung der Patientinnen und Patienten in die Weitergabe der sie betreffenden Akten gegen § 203 Strafgesetzbuch verstößt. Dies bedeutet zum einen, dass Praxisverkäufer und Praxiskäufer sich strafbar machen, wenn die Patientenakten im Rahmen des Praxisverkaufs vorbehaltlos übergeben werden. Dieser Verstoß gegen strafrechtliche Vorschriften kann zudem dazu führen, dass der Praxiskaufvertrag insgesamt unwirksam ist, § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (vgl. Neue Juristische Wochenschrift – NJW 1995, 2026, NJW 1996, 773 f.).

Lassen Praxisverkäufer und Praxiskäufer diese Regelungen unbeachtet, verletzten sie das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Patienten sowie die ärztliche Schweigepflicht. Denn: Die Arzt-Patienten-Vertrauensbeziehung lässt sich nicht ohne Weiteres auf einen Praxisnachfolger übertragen.

Bloße vorherige oder begleitende Hinweise auf den Praxisübergang in der Arztpraxis (z.B. mittels Schild), in der Tagespresse oder auf mündlichem Wege an die Patienten genügen nicht, um den Zugriff des Nachfolgers auf die bestehenden Patientendaten zu rechtfertigen.

Wenn also die Patientenakten an den Praxiskäufer übergeben werden sollen, müssten vor Übergabe der Patientenkartei sämtliche Patienten in die Übergabe ihrer Daten zuvor ausdrücklich zugestimmt haben. Um diese Zustimmung einzuholen müsste der Praxisabgeber alle Patienten anschreiben.

Dabei ist es nicht möglich wie folgt zu formulieren: „Sollten Sie sich in den nächsten zwei Wochen nicht bei mir melden, gehe ich von einer Zustimmung der Weitergabe der Behandlungsunterlagen an den neuen Arzt Dr. XY aus.“

Ein Schweigen des Patienten kann auf diese Weise nicht in eine Zustimmung umgedeutet werden. Vielmehr ist die ausdrückliche Zustimmung des Patienten erforderlich.

Da die Erfahrung gezeigt hat, dass Patienten auf solche Anschreiben kaum reagieren, wurde das so genannte „Zwei-Schrank-Modell“ entwickelt. Bei diesem Zwei-Schrank-Modell verbleiben die Patientendaten in einem verschlossenen Schrank, an dem der Praxisverkäufer das Eigentum behält, wobei der Schrank ohne Weiteres vom Praxiskäufer verwahrt werden kann. Kommt ein Patient, dessen Unterlagen sich in dem verschlossenen Schrank befinden, in die Praxis, muss er sein Einverständnis dazu erklären, dass der neue Arzt die Behandlungsunterlagen einsehen und nutzen darf.

Dieses Zwei-Schrank-Modell ist auch bei Einsatz von EDV-Systemen anzuwenden. Bei elektronisch geführten Patientendaten ist der alte Bestand zu sperren und der Zugriff hierauf z.B. mittels Passwort zu sichern. Für einen erstmaligen Zugriff auf einen Patientendatensatz durch den Praxisnachfolger ist die Zustimmung der Patientin bzw. des Patienten erforderlich. Liegt diese vor, so darf insoweit der Datensatz vom Nachfolger freigeschaltet und weitergenutzt werden.

Hat der Patient sein Einverständnis erklärt, ist der ist der Praxisverkäufer verpflichtet, das Eigentum an diesen Unterlagen an den neuen Praxisinhaber zu übertragen.

Sehr viel unproblematischer ist diese Thematik innerhalb einer Gemeinschaftspraxis. Daher kann es ratsam sein, dass sich Käufer und Verkäufer vor Verkauf der Praxis zur gemeinsamen Tätigkeit zusammenschließen. Um das „Offenbaren“ eines „Geheimnisses“ handelt es sich nämlich dann nicht, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen dem Adressaten bereits bekannt sind. Da die Offenbarung des Geheimnisses zudem gegenüber einem „Dritten“ geschehen muss, um strafbar zu sein, fällt die praxisinterne Informationsweitergabe nicht darunter (zum Beispiel nichtärztliche Praxisangestellte).

Fazit

Beim Verkauf einer Arztpraxis ist auf die Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht zu achten, weil bei Verstoß hiergegen der Praxisübernahmevertrag nichtig ist und rückabgewickelt werden muss. Zudem läuft der Praxisinhaber Gefahr, sich strafbar zu machen.

Haben Sie konkrete Fragen zum Thema oder benötigen Unterstützung bei Gestaltung eines Praxiskaufvertrages?  Wir beraten Sie gerne.

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